Erlebte Geschichte in Warendorf
Das Fahrrad - ein wertvoller Besitz
von Eugenie Haunhorst

 

Eugenie als Schülerin 1921Früher gingen die Menschen weite Wege zu Fuß. Das war oft sehr beschwerlich. Fast alle Kinder kamen zu Fuß zur Schule, der Schulweg dauerte nicht selten länger als eine Stunde. Ein Fahrrad besaßen nur sehr wenige, denn Fahrräder waren teuer und gingen schnell kaputt. Wer ein Fahrrad hatte, musste es recht oft schieben, weil ein Reifen platt war. Die Straßen waren schlecht und das Material der Bereifung war sehr empfindlich. Jedes Fahrrad hatte eine kleine Satteltasche, in der sich das notwendige Flickzeug befand und Fahrrad flicken, das musste jeder Radfahrer können.


1918, nach dem ersten Weltkrieg, gab es die tollsten Fahrraderfindungen. Eine Bauersfrau hatte ein ganz besonders patentes Fahrrad: An Stelle der empfindlichen Gummibereifung bestanden die Reifen aus Spiralen. Das klapperte und eierte zwar, aber es funktionierte. Das Rad wurde viel bewundert und war ein so gut gehüteter Schatz, dass die Frau es sogar mit in die Kirche nahm und es während der Messe hinten im Turm abstellte. Fahrrad fahrende Frauen waren allerdings Anfang des Jahrhunderts der Kirche ein Dorn im Auge. Vikar Schnellebrink von der Marienpfarre fürchtete um die Sittlichkeit und sagte besorgt: „Wie kriegt wie blos die Fraulüe wieder von`t Rad?“ Das ist ihm nicht gelungen.

Unser Vater war schon vor dem 1. Weltkrieg stolzer Besitzer eines Fahrrades. Es kostete damals ca. 30 Mark, das war der Wochenlohn eines Arbeiters. Für Vater war ein Fahrrad sehr wichtig, weil er so seine Kollegen in den umliegenden Landschulen besuchen und sich mit ihnen austauschen konnte.

Jeder Fahrradfahrer musste mit einer Glocke oder einer Signalpfeife versehen sein und bei Dunkelheit eine hell brennende Laterne vorne am Fahrrad mitführen. Neuerdings hatten die Fahrräder sogar eine Handbremse, allerdings keine Rücktrittsbremse, denn die Fahrräder hatten noch keinen Freilauf, d.h. die Pedalen drehten sich immer weiter.

 

Lehrer Richard Göcke Lehrer Wilhelm Witte

 

Wichtig beim Aufsteigen auf das Herrenrad war der „Tappen“, eine Trittstelle, die an der Narbe des Hinterrades links angebracht war. Seine wichtigste Aufgabe war es, Hilfe bei dem möglichst eleganten Beinschwung beim Aufsteigen zu leisten. Das musste schnell gehen, denn wegen des fehlenden Freilaufs drehten sich die Pedalen schon beim Anschieben. Eine Bremsung musste auch von langer Hand vorbereitet werden – sie ist wahre Handarbeit – und Vater musste dann schnell über den Tappen absteigen.

Gepäckträger gab es auch noch nicht. Wenn Vater einen seiner Kollegen besuchen wollte, durfte ich manchmal mitfahren: Das ging nur auf dem Tappen: Der linke Fuß stand auf dem Tappen, das rechte Knie klemmte auf dem Schutzblech und mit beiden Händen hielt ich mich an Vaters Schultern fest.

Auf den Tappen aufspringen konnte ich allerdings erst, wenn Vater auf dem Sattel saß, also, wenn das Fahrrad schon ganz schön in Fahrt war. So ging die Fahrt über Land, nach Gröblingen zu Lehrer Schwienhorst, nach Milte zu Lehrer Witte und auch nach Westkirchen zum Kollegen Heitfeld. Während der langen Fahrt wurden mir manchmal der Fuß, das Knie und auch die Arme lahm, aber so ein Ausflug war jede Mühe wert.

Für Vater war solch eine Fahrt wahrlich halsbrecherisch, ein Rad ohne Freilauf und dann noch mit so einem kleinen Klammeräffchen hinten auf dem Schutzblech! Beim Stoppen rief er mir frühzeitig das Abspring-Kommando zu, damit der Tappen frei war und auch er absteigen konnte.

Man kann gut verstehen, dass unsere Eltern dafür sorgten, dass wir frühzeitig Fahrrad fahren lernten, um selbständig fahren zu können. Natürlich gab es noch keine Kinderfahrräder – das schwere, schwarze Miele-Fahrrad bürgte für Qualität und wurde auch von den Kindern gefahren.

Wir gingen sehr sorgsam mit unserem Fahrrad um. Nie hätten wir es draußen vor dem Haus stehen gelassen. Wir trugen es sofort nach Gebrauch hoch in unsere Wohnung im 1. Stock. Auf dem Podest hatte unser Bruder Otto eine Vorrichtung gebaut, dass die Räder an die Decke gezogen werden konnten – das sparte Platz und schonte die Reifen.

Bis nach dem 2. Weltkrieg unterhielt Theo Löhrs in Grönes Scheue an der Lüningerstraße, gegenüber dem alten Josefs-Hospital, eine Fahrradverwahrstation, in der man für 10 Pfennig sein Fahrrad sicher abstellen konnte.

Das Fahrrad stellte einen wertvollen Besitz dar und erhöhte die Mobilität ungemein, ja, es brachte neue Lebensqualität.

Eugenie Haunhorst

Die Autorin Eugenie Haunhorst geb. Göcke wurde 1912 in Warendorf geboren und wuchs in einer Lehrerfamilie mit vier Geschwistern auf. Im Alter von 90 Jahren begann sie, Erinnerungen aus ihrem Leben im Warendorf der 1920er Jahre aufzuschreiben. Sie starb 2016 im Alter von 103 Jahren.

  

Vor 100 Jahren errichtete die katholische Pfarrgemeinde "St. Marien" in neues Kirchengebäude  -
Ein Überblick über die Geschichte der "Neuen Kirche" St. Marien:

Teil 3: Der Neubau der Marienkirche nach 1911
von Matthias Rinschen

Der Architektenentwurf für den Neubau der Marienkirche zeigt die Marienkirche als sehr großzügiges Projekt, bei der weniger die Größe des Gebäudes ins Auge fällt als die Massigkeit und die opulente Detailliertheit des Baukörpers. Im Endeffekt ist der Bau der beiden Kirchtürme aus finanziellen Gründen nie verwirklicht worden. Man hatte ihn allerdings zunächst nur "verschoben", weshalb der Altar der Kirche ganz entgegen der katholischen Tradition im Westen und nicht im Osten liegt. Die Grundsteinlegung am 13. 7.1911 fand unter großer Beteiligung der Gläubigen statt.
 






Bilder aus der Zeit des Neubaus
Nach der Fertigstellung zeigt sich die neue Marienkirche reich geschmückt und ausgestaltet. U. a. die Fenster, das Chorgestühl und die Verzierungen der Wände und Decken sind bis heute erhalten.


Bilder: Archiv Brüggemann
 

Teil 5: Die Erweiterung der neuen Marienkirche 1958/59 und der "Deckensturz von St. Marien" 1964
von Matthias Rinschen

 

Interessantes und Aktuelles vom Heimatverein Warendorf

Fragen an den Bürgermeister und die Ratsmitglieder in der Bürgerfragestunde
der Ratssitzung vom 28.9.2022 zum Thema:
Bauen auf der Emsinsel – Bauen in den Auen der Ems?

 
 

Vortragsveranstaltung des Heimatvereins zum „Tag des offenen Denkmals“ am kommenden Sonntag, 11. September 2022 um 10.30 Uhr im Tapetensaal des Hauses Klosterstraße 7

Thema: Spurensuche: „ Geschichte und Geschichten zu unseren Denkmalen in Warendorf“
mit Mechtild Wolff

Eduard Wiemann baut die  „Villa Sophia“, später „Sophienstift“ genannt
von Mechtild Wolff (24. 8. 2022)


Bildtafel zur Villa Sophia von Mechtild Wolff
 
Das Sophienstift in Warendorf: Geschichte und Baubeschreibung einer spätklassizistischen Villa
von Klaus G. Ring

 
Vergangene Pracht: Die allegorischen Figuren aus der „Villa Sophia“
von Mechtild Wolff

 
HÄNDE WEG VOM SOPHIENPARK! Demonstration des Heimatvereins gegen eine Neubebauung des Geländes der ehemaligen Villa Sophia mit einem Feuerwehrgerätehaus im Januar 2009

Rettet den Sophienpark!
Demonstration engagierter Bürger am 31. 1. und 7.2. 09 gegen die Errichtung der Feuerwache Nord im Sophienpark
Mariä Himmelfahrt:
Die Geschichte des Festes
Die Ausschmückung der Stadt
von Mechtild WolffLeben und Wirken der Stadtverordneten in Warendorf ElisabethSchwerbrock
von Mechtild Wolff
Gedenkstunde zum 100. Geburtstag von Paul Schallück
Bericht von der Gedenkfeier mit den vollständigen Vorträgen über Paul Schallück von Norbert Funken und Klaus Gruhn
Rede  von Norbert Funken zum 100 Geburtstag Paul Schallücks
Rede von Klaus Gruhn zum 100 Geburtstag Pau SchallücksAus der Geschichte Warendorfs:
Als in Warendorf der Kaffeegenuss verboten war

 

Aus der Warendorfer Eisenbahngeschichte:
Der "Neue Bahnhof" in Warendorf von Mechtild Wolff

 

Aus der Warendorfer Eisenbahngeschichte:
Der "Alte Bahnhof" in Warendorf
 
Der Warendorfer Friedhof - Spiegel der Stadtgeschichte


Gebr. Hagedorn und Co, eine Landmaschinenfabrik mit Eisengießerei

 
Der Warendorfer Friedhof: Spiegel der Stadtgeschichte
Carl Leopold und die Schnellsche Verlagsbuchhandlung 1909 - 1986


Antrag des Heimatvereins Warendorf an den Bürgermeister Horstmann und den Stadtrat der Stadt Warendorf bzgl. des Erhalts des Hauses Wallgasse 3

 
 

 

 

 

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