Die Mitgliederversammlung des Heimatvereins Warendorf
findet am Donnerstag, den 23. März 2023 um 19 Uhr im Saal des
Gasthauses Porten Leve an der Freckenhorster Straße 33 statt.
Die Einladung dazu ist schon im Dezember 2022 im Kiepenkerl Nr.
74 an alle Mitglieder gegangen. Aus der Tagesordnung ist zu
ersehen, dass der Vorstand wieder über seine Arbeit berichtet
und die Vorsitzende einen Rückblick auf die Veranstaltungen und
Aktivitäten des Jahres 2022 hält. Zur Abrundung des Abends wird
Norbert Funken in einem Fotovortrag an die vergessenen
Kleingewässer in und um Warendorf erinnern und Mechtild Wolff
schaut zurück auf die Übernahme der Patenschaft über die
schlesische Stadt Reichenbach, auf die Reichenbacher Treffen und
fragt: Wie sieht es heute in Reichenbach aus? Diese Frage
beantwortet eindrucksvoll ein Kurzfilm: „Reichenbach gestern und
heute“.
Alle Mitglieder des Heimatvereins sind herzlich
eingeladen. Auch Gäste sind uns sehr willkommen.
Mechtild Wolff
Vorsitzende des Heimatvereins Warendorf
Schier überrannt wurde die nostalgische Filmveranstaltung des
Heimatvereins am Sonntag. Als der große Saal des Pfarrheims St. Marien
schon eine Viertelstunde vor Veranstaltungsbeginn aus allen Nähten
Platze, wurde spontan ein zweiter Filmtermin für den Spätnachmittag
angesetzt, der dann auch wieder gut gefüllt war.
Es waren spannende Jahre, diese Nachkriegsjahre und wie gut
war es, dass es damals schon Amateurfilmer wie Franz Eiling gab, die auf
ihren Zelluloidstreifen Ereignisse der Nachkriegsjahre festgehalten
haben. Die Heimatfreunde Willi Schütte, Kurt
Die Vorsitzende des Heimatvereins
Mechtild Wolff begrüßte als Ehrengäste die beiden Filmemacher
Kurt Heinermann und Willi Schütte
Heinermann
und Wolfgang Elpers bastelten über ein Jahr lang an der Fertigstellung
des 60minütigen Films. Grundlage war das umfangreiche Filmmaterial von
Franz Eiling. Der damalige Heimatvereins-Vorsitzende Rainer A. Krewerth
schrieb den Text und führte mit seiner sonoren Stimme humorvoll durch
den Film, begleitet am Klavier von Torsten Brandt, der zu jeder Szene
die passende Musik komponiert hatte. Am 9. Juni 1996 führte der
Heimatverein diesen Film in einer Sonntags-Matinee im Theater am Wall
zum 1. Male vor.
Damals wie heute konnte das gespannte Publikum
miterleben, wie 1949 die neue Emsbrücke innerhalb von drei Monaten
erbaut wurde - die alte war ja in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs
noch unsinnigerweise von der SS gesprengt worden. Nach der feierlichen
Einweihung fuhr dann Bürgermeister Heinermann mit den Honoratioren von
Stadt, Kreis und Kirche in der Kutsche über die Brücke, angeführt von
einer Reiterstaffel des Landgestüts und gefolgt von den neuen Omnibussen
des Busunternehmers Franz Ringbeck - noch mit den Warendorfer
Nummernschild BR 86.
Auch
der Bau des Theaters am Wall zeugte vom Aufbauwillen der
Nachkriegsjahre. Die feierliche Eröffnung, zu der man natürlich in Frack
und Zylinder erschien und die Damen im eleganten Kostüm, war eines der
ersten großen gesellschaftlichen Ereignisse in der kleinen Emsstadt, bei
der auch Ministerpräsident Karl Arnold zu Gast war.
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Blick auf die Ems von der alten Emsbrücke | Feierliche Einweihung der neuen Emsbrücke durch Bürgermeister Heiinemann |
Im
„hohen Norden“, weit außerhalb der Stadt, gab es große Freude bei den
über 600 Schulkindern: Die Josefschule wurde gebaut, denn die
Schulraumnot war groß. Bürgermeister Heinermann zeigte sich sichtlich
stolz, dass die Stadt in so schweren Zeiten ein Projekt dieser Größe
stemmen konnte. Der Schulausschuss-Vorsitzende Heinrich Blum appellierte
an die Schüler: „Charakter ist besser als Wissen!“ und Schulrat Dr.
Böhmer fügt hinzu: „Aber Wissen kann dem Charakter nicht schaden!“ Nach
dem Segen durch Pfarrer Hast und Pastor Radü wurden all diese guten
Wünsche mit dem Grundstein eingemauert.
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Das Theater am Wall | Richtfest an der neuen Josefschule |
1951 zeigten die Warendorfer all ihre Kreativität bei der Gestaltung
der Festwoche zum 750jährigen Stadtjubiläum, stellten einen großen
Festumzug zusammen, der begleitet von Fanfaren, Trompeten und Trommlern
750 Jahre Warendorfer Geschichte auf historischen Wagen darstellte. Über
1000 Kinder zogen als Puppenmütter, mutige Indianer, Bäcker,
Schornsteinfeger und Märchenfiguren durch die Innenstadt mit den eigens
aufgebauten Stadttoren – Ideenreichtum und die Tatkraft der Bürger
verdienen große Hochachtung. Bei den zahlreichen Festempfängen im
Rathaus, die Herren natürlich im Frack und die Ratsherrin Elisabeth
Schwerbrock mit elegantem großen Hut wurde dem Bürgermeister Heinermann
von den Handwerkern eine neue Amtskette gestiftet und die Patenschaft
über die schlesische Stadt Reichenbach mit dem ehemaligen Reichenbacher
Bürgermeister Schönfelder besiegelt. Und zum ersten Mal findet die
Kirmes auf dem Lohwall statt – welch ein Vergnügen.
All das wird in diesem „Nachkriegsstück in 21 Bildern“
dargestellt und noch vieles mehr wie die feierliche Erstkommunion in St.
Laurentius, eine Modenschau mit hocheleganter Damenmode und galanten
Herren in perfekt sitzenden Anzügen, ein dramatisches
Jux-Fußballspiel auf dem Sturzacker am Bürgerhof und auch Schützenfeste
mit den „witten Büxen“ und den Holzgewehren. Über 1000 Sänger zogen beim
Sängertreffen des Sängerkreises Emsland mit ihren schmissigen Liedern in
einem langen Festzug durch die Stadt, um im schönen Festsaal des
Bürgerhofs einen Sänger-Wettstreit auszutragen. Und endlich fanden
wieder Warendorfer Reitertage statt – eine solide Basis für die
aufstrebende Reiterstadt Warendorf.
Ja, die „Stadt in Wiesen, Stadt in Gärten“ blieb für alte
Warendorfer, die es in die große, weite Welt verschlagen hat, ein
Sehnsuchtsort und sie kamen in Scharen zum Tag der Ehemaligen und sangen
aus voller Brust:
Warendorf, du Hort meiner Jugend und Freuden,
einmal im Jahr da muss ich Dich seh’n;
Kehr‘ ich dann heim, ja dann denk‘ ich beim Schneiden:
Ach war das schön, ja das war schön.
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Im Anschluss an den Film wurde gefragt: Wie ist es denn den
Warendorfern in den ersten Nachkriegsjahren ergangen? Die Filmszenen
entstanden ja schon vier Jahre nach Kriegsende und zeigen eine heile,
prosperierende Welt.
Ja,
die Stadt Warendorf gehörte zu den glücklichen Landstädtchen, die von
den Bomben verschont geblieben waren. Das heißt aber nicht, dass der
Krieg spurlos an Warendorf vorüber gegangen war. Auch bei uns hatte er
viel Leid über die Menschen gebracht. Über 500 Warendorfer hatten ihr
Leben verloren und genauso viele wurden noch vermisst. Das bedeutete
Trauer und Leid, aber auch, dass all diese Familien ihren Ernährer
verloren hatten. Viele Soldaten waren noch in Kriegsgefangenschaft und
kehrten erst nach und nach wieder heim. Das lebte dann die ganze Stadt
mit, vor allem bei den Spätheimkehrern. Ich erinnere mich noch gut an
den Kriegsheimkehrer Paul Möller, den Vater von Hanne und
Doris. Er kam am 2. September 1949 aus russischer
Gefangenschaft zurück. Einen Tag vorher hatte seine Frau die Nachricht
von seiner Heimkehr bekommen - das verbreitete sich wie ein Lauffeuer in
Warendorf. Die Nachbarn von der Freckenhorster Straße kränzten die
Haustür und zur Ankunft des Zuges fand sich eine große Menschenmenge mit
vielen Kindern am Bahnhof ein, um den Heimkehrer zu begrüßen. All die
Menschen jubelten ihm zu und geleiteten ihn mit seiner überglücklichen
Frau und den beiden Kindern durch die mit Flaggen geschmückte Stadt nach
Hause.
Ein letztes Kräftemessen der SS mit der Warendorfer Bevölkerung gab
es in den letzten Kriegstagen Anfang April 1945 beim Kampf um die
Sprengung der Emsbrücken. Die SS wollte den Zugang zur Stadt versperren
und alle Brücken zerstören. Mutige Bürger verhinderten aber die
Sprengung der Teufelsbrücke und der Brücke
an
der Gartenstraße, konnten aber die Zerstörung der großen Emsbrücke nicht
verhindern. Dass die Stadt am 3. April 1945 kampflos und ohne Verluste
den Siegermächten, also den Amerikanern, den Kanadiern und den
Engländern übergeben werden konnte, ist dem Mut und der Klugheit des
Stadtrendanten Lepper und des Standortältesten Oberst Winkel zu
verdanken. Am reibungslosen Ablauf war auch Oberstudienrat Heinrich Blum
wesentlich beteiligt, der durch seine Vermittlerfähigkeiten und seine
guten Englisch-Kenntnisse dafür sorgte, dass keine Missverständnisse und
Disharmonien mit den Siegermächten entstanden.
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Oberst Winkel | Stadtrendant Theodor Lepper | Heinrich Temme | Otto Freund |
Eine wichtige Aufgabe sah die Besatzungsmacht nun darin, die
politische Verantwortung wieder auf die deutschen Bürgern zu übertragen.
Ein guter Plan, aber die Ausführung gestaltete sich sehr schwierig, denn
unbelastete Führungskräfte waren schwer zu finden – die Spreu musste vom
Weizen getrennt werden und die Entnazifizierung nahm viel Zeit in
Anspruch. Darum setzte der Kanadische Ortskommandant am 3. April 1945
Heinrich Blum als ersten Bürgermeister ein. Das wollte Blum aber ganz
bestimmt nicht sein, denn er war Lehrer aus Passion und wollte das auch
bleiben. So kann es, dass schon nach zwei Tagen Aloys Zurbonsen
(1884-1950) als neuer Bürgermeister installiert wurde.
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Aloys Zurbonsen | Oberstudienrat Heinrich Blum | BürgermeisterJosef Heinermann |
Leider
blieb auch er nicht lange im Amt, denn er wurde zum Landrat des Kreises
Warendorf berufen. Ja, unbelastete Führungskräfte wurden überall
gesucht.
Es war aber elementar wichtig, dass die Stadt von einem tüchtigen
Bürgermeister regiert wurde und man war froh, dass Heinrich Temme das
Amt übernahm. Leider war auch das nicht von langer Dauer, denn er wurde
bald pensioniert.
Der
Ortskommandant übertrug nun die Amtsgeschäfte kommissarisch dem
langjährigen Warendorfer Stadtrentmeister Theodor Lepper, der sich schon
bei Kriegsende als sehr umsichtig erwiesen hatte. Diese ersten
Bürgermeister nach dem Krieg waren noch hauptamtlich tätig, sie waren
Leiter der Verwaltung und Repräsentanten der Stadt. Das änderte sich im
April 1946 und der engagierte Bürger Otto Freund wurde zum
ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt.
Nach all diesen Irrungen und Wirrungen fanden dann 1948 die ersten
demokratischen Wahlen statt und Josef Heinermann wurde zum Bürgermeister
gewählt. Unzählige Probleme mussten gelöst werden. Die vielen
Flüchtlingen und Vertriebenen mussten versorgt werden, es herrschte
Mangel an Nahrungsmitteln, an Kleidung, an Möbeln und vor allem an
Wohnraum.
In diesen schwierigen Zeiten erwies sich Josef Heinermann als
Glücksfall. Er blieb Bürgermeister bis zu seinem frühen Tod 1956. In dem
Film „Als Warendorf sich wieder machte“ spielt er eine zentrale Rolle.
Mechtild Wolff
Karl Siebold, der Architekt der Christuskirche, vertrat immer die Ansicht, seine Gotik müsse „modern“ und einfach sein. Dementsprechend wählte er auch für Kirchenfenster die denkbar einfachste gotische Form, nämlich ein Lanzettfenster mit einer schlanken Rechteckform unter gedrücktem Spitzbogen und Verzicht auf jedes Maßwerk.
Die gedrückte
Spitzbogenform
findet sich in der Christuskirche konsequent in allen Größen wieder,
nämlich am Triumphbogen, in der Turmöffnung über der Orgel und in den
elf Einzelfenstern in Langhaus, Chor und Querschiff. Dort findet sie
sich darüber inaus auch in der Einfassung der Gruppenfenster aus zwei
Lanzettfenstern und einem darüber liegenden großen Rundfenster
(„Oculus“). Diese Gruppenfenster sollen in besonderer Weise den
Gemeinderaum belichten. Sämtliche Spitzbogen, innen oder außen, sind mit
einfach oder doppelt gesetzten Rundstab-Formziegeln immer im Wechsel von
breitem und schmalem Ansatz eingefasst, so dass sich die Fenster optisch
mit der umgebenden Wand unlösbar verzahnen.
„Man versteht unter Glasmalerei die mosaikartige, aus verschieden gefärbten Gläsern zusammengesetzte Verglasung von Fenstern, die dekorativ oder bildhaft sein kann und zu ihrer Wirkung durchscheinendes Licht benötigt“ (Hans H. Hofstätter, Geschichte der Glasmalerei, München 1967, in: Xavier Barral I Atlet (Hg.), Heiliges Licht, Köln 2003, S. 11). Genau dieser Beschreibung entspricht die Verglasung der Christuskirche. Sie ist mosaikartig und noch in ihrer ursprünglichen Form aus der Erbauungszeit aus der Glasmalereianstalt Ferdinand Müller in Quedlinburg erhalten und hat ein klares Programm. So enthalten alle Fenster im Langhaus und Querschiff, da wo die Gemeinde sitzt, der Belichtung wegen nur rein weißes Tischkathedralglas. Nur die farbigen Bordüren und die Raster der Bleistege aus Diagonalen und Kreisen machen sie - außer der Lanzettform natürlich - zu echten Kirchenfenstern.
Der technische und malerische Aufwand der Verglasung steigert sich in den drei Chorfenstern, die das „alltägliche“ Tageslicht durch ein Leuchten besonderer Art ersetzen. Das Chorscheitelfenster ist dabei mit der Christusfigur der Höhepunkt des Innenraumes und des ganzen Fensterprogramms.
Verfolgen wir dieses Programm einmal rückwärts. Man gewinnt den Eindruck, als habe der Glasmaler im zentralen Christusfenster alles an gotischer Architektur und ihrem Zierrat nachgeholt, was sich der Architekt am Bau selbst versagen musste. Zwei leicht und zerbrechlich wirkende Pfeiler und Säulchen werden fünffach übereinander gestellt und dabei immer wieder durch Blattkapitelle, Dächlein und Giebelchen getrennt. Sie enden in krabbenbesetzten Fialen mit kleinen Kreuzblumen und flankieren vor leuchtend rotem sphärischem Mosaik einen Dreiecksgiebel („Wimperg“), der außen mit Krabben und Kreuzblume besetzt, innen von einem in fünf Achtel geteilten Spitzbogen gestützt wird. Die einzelnen Achtel werden ihrerseits wieder durch einspringende Nase gedrittelt. Das aus Maßwerk gebildete zentrale goldene Giebeldreieck zeigt in seiner Mitte einen Dreipass, der als Symbol für die Dreifaltigkeit gedeutet werden kann. Der Sockel unter diesem imaginären Tabernakel wird von vier kleinen und einem größeren Maßwerkbogen unter einer Leiste von goldenen Nasen gebildet, die vor eine mit Fenstern versehene Mauer gestellt sind. Prächtiger geht’s nicht und gotischer auch nicht. In diesem Rahmen steht der segnende und einladende Christus in weißer Tunika unter einem roten, mit Goldborden gesäumten und grün gefütterten Obergewand vor einem in Fransen auslaufenden Wandteppich barfuß auf dem durch Pflanzen und Steine angedeuteten bloßen Erdboden. Seine rechte Hand ist zum Segen erhoben, die linke ist einladend dem Betrachter zugewandt. Sein ebenmäßiges und in Schönheit idealisiertes Antlitz schaut jedem unverwandt in die Augen. Christi Haupt umgibt ein kreuzförmig hinterlegter Heiligenschein, der sich vom regelmäßig aufgeteilten und mit fünf Sternen besetzten königsblauen Himmel wirkungsvoll abhebt.
In diesem Fenster entwickelt sich eigenartiger Widerspruch zwischen
der Architektur und der Christusfigur. Während das ganze Fenster in
seiner Farbstellung, seinen formalen Details und seiner glasmalerischen
Technik bewusst aus gotischer Zeit entnommen ist, ist die Christusfigur
in Haltung und Gewand, vor allem in Antlitz, Händen und Füßen im
Nazarenerstil dargestellt und tritt aus dem flächigen Hintergrund
plastisch hervor.
Die
Kunst des Historismus wollte die Gotik nicht nur übernehmen, sondern
nach Möglichkeit vervollkommnen. Dieses Bild wirkt im Ganzen besonders
ansprechend und fügt sich der Harmonie des ganzen Kirchenraumes
lückenlos ein. Bei genauerem Hinsehen erkennt man überdies, dass sich
die imaginäre gläserne Architektur des Christusfensters in vielen
geschnitzten Säulchen, Details des Kanzelkorbs wiederholt. So wird mit
dem Willen zu einem Gesamtkunstwerk eine gestalterische Beziehung
zwischen den unterschiedlichen Teilen der Kirche hergestellt.
Die
beiden seitlichen Chorfenster erscheinen als Teppichfenster gegenüber
dem Christusfenster wesentlich zurückhaltender und farblich
bescheidener. Ihr durchgehendes Grundmotiv ist eine etwa im Maß der
Spitzbogen gekrümmte goldene Raute, die in den je drei übereinander
gestellten quadratischen Fensterscheiben unverändert – oben etwas
verkleinert – wiederkehrt; die Rauten werden durch grüne Ringe
miteinander und mit dem Rand verkettet. Blaugelbe Blüten und rote
Mittelpunkte bilden außer den blauen Bordüren die wenigen Farbakzente.
Der Hintergrund wird lückenlos durch grafische Ornamente aus Kreisen,
Palmetten und Akanthusblättern systematisch gegliedert.
Die Rundfenster der Querschiffe (Oculi) greifen die dekorativen Themen der Chorfenster und ihre Ornamentik noch einmal auf. Vierundzwanzig grüne Palmetten auf blauem Grund im äußersten der drei konzentrischen Kreise und acht Palmetten vor roten Zwickeln im Mittelkreis umgeben jeweils ein zentrales Medaillon. Im linken der beiden erscheinen auf blauem Grund Ähren, Trauben und der Kelch des Heils, im rechten vor der aufgeschlagenen Bibel mit Alpha und Omega das Kleeblattkreuz, genau wie das Altarkreuz.
Die Verglasung zeigt alles, was Müller „für den Preis von 1626 M. zu leisten“ vermochte (Ferd. Müller im Schreiben vom 2.10.1898, in: „Hundert Jahre Christuskirche“, Warendorf 1999, S. 103); der Etat war demnach wohl mit dem vorliegenden Fensterprogramm völlig ausgeschöpft.
Im Jahre 2005 wurde die gesamte Verglasung von den Glasmalwerkstätten Hein Derix aus Kevelaer überprüft und durch eine Schutzverglasung der Chorfenster und Okuli im Bestand dauerhaft gesichert. Frühere Reparaturstellen wurden dabei nicht getilgt, so dass die Geschichte der Fenster auch nach der Bearbeitung sichtbar bleibt.
Weil die Verglasung „zu ihrer Wirkung durchscheinendes Licht benötigt“ (s. Anm. 1), verändern sich die Fenster mit den Lichtverhältnissen im Tages- und Jahreslauf unaufhörlich. Das macht die besondere Stärke und den Zauber der Glasmalerei aus, der durch keins der sonstigen klassischen künstlerischen Medien zu ersetzen ist.
Die Christuskirche – sie heißt erst seit 1949 so – wurde 1899 eingeweiht, wird also 116 Jahre alt. Damit ist sie etwa 40 Jahre jünger als die alte Kirche St. Johannes in Beelen (die 1969 abgebrochen wurde) und St. Margaretha in Ostenfelde und 30 Jahre jünger als St. Laurentius in Westkirchen. In diese Reihe gehört auch noch die private Kapelle St. Johannes in Vohren, die jetzt fast 160 Jahre alt geworden ist. Die Warendorfer Christuskirche ist hingegen ein Jahr älter als die Christuskirche in Neubeckum, die von demselben Architekten, nämlich Karl Siebold aus Bethel, gebaut wurde.
Alle
genannten Kirchen scheinen sich sehr ähnlich zu sein, erstens, weil sie
aus Backstein gebaut wurden und zweitens weil sie spitzbogige Fenster
und Gewölbe besitzen. Das nannte man zu deren Bauzeit den
„mittelalterlichen Styl“, der besonders für Kirchen geeignet schien.
Heute wird dieser Stil als Neugotik bezeichnet; er war zu seiner Zeit
weit verbreitet. Er erinnert an die großartigen gotischen Dome in
Frankreich und Deutschland, nimmt sich aber zum direkten Vorbild die
noch erhaltenen Bürgerkirchen in Westfalen. So sind auch die meisten
Pfarrkirchen im Kreis Warendorf neugotisch; gegenüber ihren älteren
Vorbildern sind sie erkennbar an ihrer besonders exakten und gotisch
durchgestylten Bauausführung.
Mit dem bei den genannten Kirchen gleichen Umriss mit Turm und Kirchenschiff hören die Übereinstimmungen zwischen der Christuskirche und ihren Nachbarn schon bald auf. Zum Beispiel haben die Fenster der Christuskirche kein Maßwerk, also solche aus Sandstein geometrisch konstruierten Steinformen in den Fensterbogen, auf die sonst kein gotisches Fenster verzichtet. Siebold erinnert zwar an die Gotik, aber modernisiert sie und spart dabei Kosten. Auch seine sparsame Bauzier innen und außen entwickelt er durchweg nur aus Formziegeln. Zur Kostendämpfung wurde er vor allem vom Bauherrn, dem Konsistorium in Münster, angehalten. Erst sein dritter Entwurf war sparsam und bescheiden genug für die Gemeinde in Warendorf. So musste er auch anstelle eines Gewölbes eine Holzdecke einziehen. Dass er damit die Akustik in der Kirche nachhaltig verbesserte, hat sich spätestens dann herausgestellt, als der NWDR nach dem Krieg händeringend einen geeigneten Raum für Konzertaufnahmen suchte.
Die Christuskirche hat keine Seitenschiffe, sie ist also vom Raumtyp
her ein Saal, im
Unterschied
zur mehrschiffigen
Halle. Dafür hat sie zwei Querschiffe, die viele westfälische
Hallenkirchen nicht haben. Bei Siebold dienen die Querschiffe dazu,
möglichst viele Sitzplätze um die Kanzel herum zu scharen, denn die
Christuskirche ist als Predigtkirche gebaut. Demselben Zweck dienen auch
die nach dem Krieg aus Platzmangel eingebauten Emporen, mit denen
Siebolds Idee von einer „dehnbaren Kirche“ verwirklicht wurde. Dass sie,
vorreformatorischer Tradition folgend, zwischen Chorraum und
Gemeinderaum
trennt, ist dem „Eisenacher Regulativ“ von 1862 geschuldet, das
bestimmte Regeln für den lutherischen Kirchenbau verbindlich vorgab, so
mussten Kanzel und Taufstein an der Grenze zwischen Chor und Gemeinde
aufgestellt, der Chor steinern gewölbt und durch Stufen erhöht werden,
die Orgel war gegenüber dem Altar zu platzieren, und ein Mittelgang
sollte vom Eingang zum Altar führen. Bezeichnend für die
architektonische Handschrift Siebolds ist, dass er Chor- und
Gemeinderaum in einzigartiger Weise verbindet, nämlich durch den nach
hinten abgeschrägten großen Triumphbogen, in dem auf der einen Seite die
Kanzel und gegenüber der Taufstein ihren Platz finden. Diesen Bogen kann
man sozusagen als sein Markenzeichen ansehen. Hier hat
bei der letzten großen Renovierung das Wort aus Hebräer 13,8
seinen den Raum beherrschenden Platz gefunden.
Die
Holzdecke zeigt scheinbar einen offenen Dachstuhl. Sie wird
durch eine aufwendige Unterkonstruktion gestützt. 16 auf
Wandkonsolen aufgestellte Stiele tragen quer in den Raum zeigende
Querbalken
und
werden jeweils durch ein Kopfband miteinander verbunden. Auf dieser
Konstruktion überbrücken bogenförmige Hölzer den Innenraum. Sie treffen
sich in der erhöhten Deckenmitte und deuten mit ihrer Krümmung das nicht
vorhandene Gewölbe an. Querbalken und Bogenhölzer sind durch Zugstangen
miteinander verbunden. Die Enden der Querbalken lässt Siebold durch
Drachenköpfe verzieren, eine Deutung dieser Köpfe hat er allerdings nie
gegeben. Auf dieser Holzkonstruktion werden Sparren der Dachneigung
folgend aufgestellt, so dass man
meinen kann, das Dach selbst zu sehen. Es ist aber nur die innere
Raumschale, die oben in ihrem flach gehaltenen Mittelteil den
kreuzförmigen Grundriss der gesamten Kirche nachzeichnet und den
Mittelpunkt (die so genannte Vierung) durch sternförmig gelegte Balken
betont. Diese besondere
Bauweise
findet sich schon in der englischen Gotik und wird dort
„Hammer-beam-roof“ genannt, wir bezeichnen sie als Hammerbalkendach oder
aber Sprengwerk mit Bogenstreben.
Den ganzen Innenraum der Kirche bestimmen in besonderer Weise seine Farben, das warme Weiß der Wände, das Rot der Ziegel an Wandpfeilern, Fenstereinfassungen, Gesimsen und Bogen, sowie das Braun des Holzes an Decke und Gestühl. An seinen Farben lässt sich ablesen, was den Raum gliedert und trägt und was ihn nur begrenzt. Alle architektonischen Teile sind in ihren Dimensionen harmonisch aufeinander abgestimmt und prägen damit das besonders ansprechende Bild dieser Kirche.
Die
heutige Christuskirche hat eine lange, von vielen Rückschlägen
geprägte Vorgeschichte, die eigentlich 70 Jahre zuvor begann.
Parallel zur Gründung des Preußischen Landgestüts bildete sich
in Warendorf eine evangelische Gemeinde, der auf königliche
Anordnung hin die Marienfelder Kapelle neben dem
Franziskanerkloster zugewiesen wurde. Schon nach wenigen Jahren
unternahm die Gemeinde viele vergebliche Versuche, einen Ersatz
für den schon früh viel zu kleinen Gottesdienstraum zu schaffen.
Das ganze 19.Jahrhundert ist gekennzeichnet von Plänen, Anträgen
und Rückschlägen in immer neuen Kreisläufen und Versuchen an
verschiedenen Standorten in der Stadt bis hin zu Resignation und
Stillstand, bis sich nach geduldigem Ausharren und mancherlei
Kompromissen die heutige Lösung außerhalb des Promenadenrings
fand. Die Kirche konnte auf dem verfügbaren Grundstück
allerdings nicht nach Osten ausgerichtet werden, weil sie dabei
zum Teil mit einer sehr aufwendigen und nicht bezahlbaren
Pfahlgründung in den Stadtgraben hätte gesetzt werden müssen;
deshalb zeigt sie nach Süden. Andererseits konnte das Grundstück
mit Mauer, Portal und Gitter zu einem Kirchgarten gestaltet
werden, in dem eine Lindenallee auf das Kirchenportal zuführt:
alles in allem eine für unsere Stadt einmalige, sehr
ansprechende Anlage.
Der
Wilhelmsplatz liegt außerhalb der Warendorfer Stadttore, hinter
Wall und Graben. Er war das Reit- und Übungsgelände der Pferde
des Landgestüts, das sich bis 1889 am Münstertor befand.
Zur Stadt hin bildete der alte Stadtgraben die Grenze. Eine
breite Brücke führte über den Graben in die Stadt. Auf Bitten
des damaligen Bürgermeisters Schnösenberg schenkt 1823 der
Preußische König Friedrich Wilhelm III. der Stadt Warendorf die
Torpfeiler aus der 1803 säkularisierten Zisterzienserabtei
Marienfeld. Sie wurden am Münstertor aufgebaut und verschönern
seither diesen Eingang in unsere Stadt. Der angrenzende Platz
benannte man zum Dank „Friedrich-Wilhelm-Platz“, später kurz
Wilhelmsplatz.
Schon vor 1900 wurden die Häuser auf der Westseite des Platzes
erbaut. Von ihren Bewohnern aus der Zeit nach dem ersten
Weltkrieg möchte ich erzählen.
Die Nachkriegszeit war überall spürbar. Der Wilhelmsplatz war
verwildert, Holz wurde gelagert, für Kinder ein ideales
Spielfeld. Abwechselung gab es durch den Viehauftrieb zu
Fettmarkt, die Kirmes zu Mariä Himmelfahrt und zu Fettmarkt und
durch die durchziehenden Zigeuner, die hier lagerten.
Die am Wilhelmsplatz wohnenden Familien hatten ein gutes
nachbarschaftliches Verhältnis, einige waren freundschaftlich
verbunden. Doch hinter den verschlossenen Türen gab es viel Not
und Sorge in den kinderreichen Familien. Eine Versorgung aus der
öffentlichen Hand gab es nur selten.
Im Hause Blenker an der Ecke zum Wilhelmsplatz wohnte die Witwe
Brügge mit 11 Kindern. Drei Kinder waren als Kleinkinder
gestorben.
1914 war Familie Brügge nach Warendorf gezogen. August Brügge
hatte in der Firma Hagedorn Arbeit gefunden. Schon im März 1916
verlor die Familie ihren Vater und Ernährer durch einen
plötzlichen Tod. Geldliche Reserven waren nicht vorhanden. Die
großen Söhne waren schon in der Ausbildung oder im Beruf. Drei
der vier Töchter wurden Ordensschwestern.
Wegen
der geringen Geldmittel musste Frau Brügge mit den Kindern aus
der großen Wohnung im Parterre in das Dachgeschoss ziehen,
später sogar in die Scheune. Wenn die Miete nicht bezahlt werden
konnte griff der Hausbesitzer hart durch. Beihilfen aus
Sozialfonds gab es in diesen schweren Nachkriegsjahren nur für
ganz schwierige Notlagen. Erst als auch die jüngeren Kinder Geld
verdienten war die schlimmste Zeit vorbei und Familie Brügge
konnte sich wieder in eine bessere Wohnung leisten.
Mit Anna Brügge verbindet mich ein besonderes Erlebnis. Sie war
im November 1900 in Neuenkirchen geboren, wie alle ihre
Geschwister. Am Ende ihrer Schulzeit etwa 1914 half sie meiner
Mutter als Kindermädchen. Ich war damals ein Kleinkind und wurde
oft von Anna im Sportwagen ausgefahren. Anna hatte mich sehr in
ihr Herz geschlossen und ich mochte sie auch sehr gern.
Anna wurde Ordensschwester und war 1930 als Stationsschwester im
Krankenhaus in Geldern tätig. Ich war zur Ausbildung in der
Landfrauenschule in Geldern. Während eines Krankenhauspraktikums
kam ich auf ihre Station. Schwester Eutalia – so hieß Anna
Brügge jetzt – erkannte mich sofort, ich sie aber leider nicht.
Nach Vorschrift des Ordens durfte sie nicht über persönliche
Dinge reden. Wenn das Gespräch auf Warendorf kam und auf das
Sophienstift, einem beliebten Erholungsort der
Clemensschwestern, brach sie in Tränen aus und lief in die
Kapelle. Ich konnte mir ihr Verhalten überhaupt nicht erklären.
Die arme Anna war schwer krank. Sie starb schon am 28.2.1931.
Diese erschütternde Tatsache erfuhr ich Jahre später in einem
Gespräch mit ihrer Schwester Hanna. Erst da wurde mir klar, wer
Schwester Eutalia war und warum meine Gegenwart ihr das Herz so
schwer gemacht hatte.
Im Eckhaus zur Wilhelmstraße betrieb die Familie Merkel-Huster
einen Eisenwarenhandel mit Verkauf von Melkeinrichtungen und
Haushaltswaren aller Art. In den Jahren nach dem ersten
Weltkrieg entwickelte sich diese Branche so rasant, dass die
Firma Huster Bispings Scheune (Ecke Brinkstraße) kaufte und 1933
ein großes, modernes Geschäft für Haushaltswaren, elektrische
Geräte und Installationen erbaute.
Beim Nachbarn, dem Anstreicher Langenbach, sah man den alten
Oskar oft vor der Tür sitzen, immer seine lange Pfeife rauchend.
Das Familienleben spielte sich fast bei jedem Wetter hier im
Anblick des Wilhelmsplatzes ab. Oskar Langenbach kam aus dem
evangelischen Bielefeld und heiratete eine hübsche Bauerntochter
aus Vohren.
Neben ihm vor der Haustür saß oft seine Tochter Friedchen und
schälte die Kartoffeln. Sie war groß und dünn. Mit hochgezogener
Schulter, langen schwarzen Kleidern, Schlappen an den Füßen
schlurfte sie durchs Haus. Sie litt unter den Folgen einer
Hirnhautentzündung, an der sie mit 18 Jahren erkrankt war.
Bei gutem Wetter gesellte sich samstags Sohn Oskar dazu. Er
reparierte und schraubte an seinem Motorrad herum, damit er am
Sonntag seine Runden mit lauten Knattern auf dem Wilhelmsplatz
drehen konnte, zum Gaudi der Nachbarjugend.
Neben dem Nachbarn Terwort bewohnte die Familie Hagemeyer ein
großes Haus. Engelbert Hagemeyer war Metzgermeister. In dem
Geschäftshaushalt mit sieben Kindern, Lehrjungen und Gesellen
musste viel organisiert und geleistet werden. Die Mutter leitete
nicht nur den großen Haushalt, sondern auch das Geschäft. Um
1900 hatte das junge Ehepaar das Haus am Wilhelmsplatz gekauft,
und das Leben einer großen Familie begann. Sieben Kinder wurden
großgezogen - ein Zwillingskind starb kurz nach der Geburt.
Im Metzgerladen wurden frisches Fleisch und die Erzeugnisse der
Wurstküche verkauft. Der erste Weltkrieg brachte große Probleme,
Engelbert Hagemeyer wurde eingezogen. Das Geschäft konnte ohne
Metzgermeister nicht betrieben werden. Wovon sollte die große
Familie leben? Mutter Hagemeyer nahm Seminaristen als Kostgänger
ins Haus. Die eigene Familie mit Lehrjungen zählte schon mehr
als 10 Esser, nun musste für 16 - 20 junge Leute gesorgt werden.
Als Vater Hagemeyer nach dem Krieg seine Arbeit wieder aufnehmen
konnte und sich die Lebensmittelversorgung langsam besserte,
ging es aufwärts. Er kaufte Vieh ein, verkaufte die Produkte aus
Schlachterei und Wurstküche im Laden und fuhr jeden Samstag früh
um 4 Uhr mit Pferd und Wagen zum Wochenmarkt nach Münster auf
dem Domplatz. Bei Eis und Schnee bekamen die Pferden Socken über
die Hufe gezogen, damit sie nicht rutschten.
Wir spielten gern bei Hagemeyers, denn Kathrinchen, die Jüngste,
war unsere lebenslange Freundin. Zu Weihnachten wurde es
besonders spannend in der Großfamilie. Im Wohnzimmer bauten die
Brüder mit viel Geschick und Phantasie die Weihnachtskrippe auf,
mit kleinen Seen, einem Wasserfall und ganz vielen Tieren.
Nachbar Wittenbrink war Schreinermeister. Das Holz für die
Bauschreinerei lag in den ersten Jahren nach dem Krieg auf dem
Wilhelmsplatz. Die Kinder spielten dort gerne, bis ein Unfall
passierte. Hanna, Fitti, Fina und Bernhard Wittenbrink waren in
unserem Alter. Das fünfte Kind kam sehr tragisch ums Leben. Es
aß ein paar Stücke Seifenstein, die wie Bonbons aussahen und
starb an den inneren Verbrennungen. Ich erinnere mich noch genau
an den kleinen, weißen Sarg, in dem das niedliche Mädchen lag.
Zum ersten Mal erlebten wir hier den Tod aus nächster Nähe. Zum
Trost bedeckten wir das weiße Kleidchen mit Heiligenbildchen, so
war es früher üblich.
Das Eckhaus zur Münsterstrasse überließ Anton Hagedorn dem
Schmiedemeister Buck. Das Fachwerkhaus mit der Schmiede war
jahrzehntelang der Blickfang an der Straße nach Münster. Das
Schmiedefeuer sah man schon von weitem. Der Ambos stand mitten
der Schmiede und wir guckten stundenlang zu, wie die Pferde mit
neuen Hufeisen beschlagen wurden. Mit Schaudern sahen wir, wie
die glühenden Eisen auf die Hufe der Pferde gepresst wurden, um
dann angenagelt zu werden. Der Qualm und der Gestank von
verbranntem Horn machten uns Angst. Außerdem taten uns die
Pferde leid, obwohl sie all das mit stoischer Ruhe über sich
ergehen ließen.
Während des Krieges und in der Nachkriegszeit war das
Schmiedehandwerk sehr gefragt. In den 30er Jahren wurde der
Handel mit Motorrädern und später auch Autos, Opel natürlich,
immer wichtiger und verdrängte langsam den Schmiedebetrieb. Frau
Buck musste für eine große Familie sorgen. 11 Kinder hatte sie
geboren, von denen zwei als Kleinkinder starben. Die Söhne
hatten Glück, sie waren für den Wehrdienst noch zu jung und
konnten das Schmiede- und Wagenbauerhandwerk erlernen.
Der
große Backsteinbau auf der anderen Straßenecke war im Besitz der
Familie Maas. Herr Maas hatte ein Geschäft mit einer Werkstatt.
Der Krieg war die 1. Notzeit für die Familie. Der Vater kehrte
nach einigen Soldatenjahren zu Familie und Geschäft zurück, aber
das Glück währte nicht lange. Ende 1918 starb Herr Maas nach
kurzer Krankheit. Frau Maas stand mit ihren 6 Kindern mittellos
da. Gespartes Geld oder gar eine Rente waren nicht vorhanden.
Das Haus mit dem Geschäft wurde zur Versorgungsgrundlage. Die
große Familie war auf jeden Pfennig Verdienst angewiesen, darum
vermietete Frau Maas das Haus und zog mit der großen Familie in
die kleine Dachwohnung. Dort nähte sie im Stücklohn
Arbeitskleidung.
Aufgrund freundschaftlicher Beziehungen wurde Metzgermeister
Engelbert Hagemeyer Vormund der Kinder. Er war schon 1903
Hermanns Taufpate geworden und hat ihm später geholfen, Pater zu
werden, das war Hermanns innigster Wunsch.
Erst als Therese, Hanna und Adele genug Geld verdienten, konnte
eine größere Wohnung bezogen werden. Anni wurde Ordensschwester,
so war auch sie versorgt. Elisabeth, die jüngste Tochter, ein
liebes, frommes Mädchen, war meine Mitschülerin, sie starb schon
1926.
In der Familie Maas wurde viel gebetet; wir Nachbarkinder haben
oft am Abend den Rosenkranz mit ihnen gebetet.
Durch die Kinder Irma und Walter kamen wir auch in das
Nachbarhaus zum Viehhändler Hugo Spiegel. Irma und Walter
besuchten mit uns die Volksschule. Frau Spiegel war eine sehr
freundliche Frau. Wenn vor Ostern das Paket mit den Matzen auf
dem Küchentisch stand, durften wir davon nehmen, soviel wir
wollten. Aber so gut schmeckten sie uns auch wieder nicht, sie
klebten so an den Zähnen. Ein großes, aber sehr leichtes
Paket Matzen brachten wir zu Irmas Onkel, dem Viehhändler Arnold
Spiegel und seinen Schwestern Ella und Frieda. Die beiden
Schwestern betrieben ein Trikotagengeschäft in der Altstadt am
Ende der Münsterstraße.
Das
Halbrund des bebauten Wilhelmsplatzes endete mit dem Haus des
Bürgermeisters Hugo Ewringmann. Seit 1904 lebte das Oberhaupt
unserer Stadt hier am Wilhelmsplatz Nr.8 mit seiner Frau und den
acht Kindern. Die liebenswerte, zierliche Frau Selma Ewringmann
verlor bei der Erziehung ihrer lebhaften Kinder (zwei Töchter
und sechs Söhne) mit viel Singen, Lachen, Krach, Musik,
Schulaufgaben nie ihren Humor. Damit alle Kinder eine gute
Ausbildung bekommen konnten, sparte sie eisern. Sie nähte viel
für die Kinder und aus den alten Glacéhandschuhen ihres Mannes
machte sie sehr beliebte, weiche Bälle zum Spielen.
Ihren Aufgaben als Frau des Bürgermeisters kam Frau Ewringmann
gewissenhaft nach. Hatte der Bürgermeister von dem wohlhabenden
Amsterdamer Goldschmied Heinrich Miele, einem geborenen
Warendorfer, mal wieder eine ansehnliche Geldsumme bekommen, so
verteilte Frau Ewringmann das Geld gerecht in Umschläge und
brachte es im Halbdunkel, begleitet von ihrer Tochter Hanni, zu
den Ärmsten der Armen.
Auf der Liste standen auch die Bewohner des langen Jammers an
der Südseite des Wilhelmsplatzes.
Hinter dem Wilhelmsplatz war die Ziegenbockstation. Zu
bestimmten Zeiten zogen die zumeist alten Frauen die weiblichen
Hippen an einem Strick über den Wilhelmsplatz. Die stanken immer
ganz furchtbar. Es gab viele Hippen in Warendorf. Sie wurden die
Kuh des kleinen Mannes genannt. Zur jährlichen Hauptversammlung
des Ziegenzuchtvereins, dessen Vorsitzender der Bürgermeister
war, kam in jedem Jahr der Ziegenbaron „Dr. Meck Meck“,
Professor Landois persönlich aus Münster. Er hatte ein offenes
Ohr für die Not der kleinen Leute und half, wo er konnte.
Am Leben der Wilhelmsplatz-Familien lässt sich erkennen, wie
schwer die Nachkriegsjahre waren. Die Inflation verschlimmerte
die Lage, die Menschen mussten hart um das tägliche Brot
kämpfen. Wie gut, dass es in größter Not nachbarschaftliche
Hilfe gab.
Die Autorin Eugenie Haunhorst geb. Göcke
wurde 1912 in Warendorf geboren und wuchs in
einer Lehrerfamilie mit vier Geschwistern auf.
Im Alter von 90 Jahren begann sie, Erinnerungen
aus ihrem Leben im Warendorf der 1920er Jahre
aufzuschreiben. Sie starb 2016 im Alter von 103
Jahren.
Bilder: Archiv der Altstadtfreunde Warendorf
alle Rechte vorbehalten: Eugenie Haunhorst 2006
Vortragsveranstaltung des Heimatvereins zum „Tag des
offenen Denkmals“ am kommenden Sonntag, 11. September
2022 um 10.30 Uhr im Tapetensaal des Hauses
Klosterstraße 7
Thema: Spurensuche: „ Geschichte und Geschichten zu
unseren Denkmalen in Warendorf“
Eduard Wiemann baut die „Villa Sophia“, später „Sophienstift“ genannt
mit Mechtild Wolff
von Mechtild Wolff (24. 8. 2022)
Bildtafel zur Villa Sophia von Mechtild Wolff
Das Sophienstift in Warendorf: Geschichte und
Baubeschreibung einer spätklassizistischen Villa
von Klaus G. Ring
Vergangene Pracht: Die allegorischen Figuren aus der „Villa Sophia“
von Mechtild Wolff
HÄNDE WEG VOM SOPHIENPARK!
Rettet den Sophienpark!
Demonstration engagierter Bürger am 31. 1. und 7.2. 09 gegen die
Errichtung der Feuerwache Nord im SophienparkMariä
Himmelfahrt:
Die Geschichte des Festes
Die Ausschmückung der Stadt
von Mechtild WolffLeben
und Wirken der Stadtverordneten in Warendorf ElisabethSchwerbrock
von Mechtild WolffGedenkstunde
zum 100. Geburtstag von Paul Schallück
Bericht von der Gedenkfeier mit den vollständigen
Vorträgen über Paul Schallück von Norbert Funken und Klaus Gruhn
Rede von Norbert Funken zum 100 Geburtstag Paul
Schallücks
Rede von Klaus Gruhn zum 100 Geburtstag Pau SchallücksAus
der Geschichte Warendorfs:
Als in Warendorf der Kaffeegenuss verboten war
Aus der Warendorfer Eisenbahngeschichte:
Der "Neue Bahnhof" in Warendorf von Mechtild Wolff
Aus der Warendorfer Eisenbahngeschichte:
Der "Alte Bahnhof" in Warendorf
Der Warendorfer Friedhof - Spiegel der Stadtgeschichte
Gebr. Hagedorn und Co, eine Landmaschinenfabrik mit Eisengießerei
Das Dezentrale
Stadtmuseum
ist in der Regel an Sonn- und Feiertagen von 15:00 - 17:00 Uhr
geöffnet.
Der Eintritt ist frei.