Lohwall-Idylle mit Teifelsbrücke in den 1930er Jahren
Es gibt eine alte
Geschichte, die den Namen Teufelsbrücke erklärt. Er hängt eng zusammen
mit einer alten Glockengießerei, die sich am unteren Münsterwall befand,
damals, als die Warendorfer Altstadt noch mit einem Wallgraben umgeben
war, der hier in die Ems mündete. Eine Glockengießerei war immer schon
ein mystischer Ort voller Geheimnisse. Der berühmte Dichter Friedrich
von Schiller hat ein beeindruckendes Gedicht darüber geschrieben, dass
wir früher in der Schule auswendig lernen mussten. Es beginnt so:
Das Lied von der Glocke Fest gemauert in der Erden Steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden! Frisch, Gesellen, seid zur Hand! Von der Stirne heiß Rinnen muss der Schweiß, Soll das Werk den Meister loben; Doch der Segen kommt von oben. |
„Eine Herbstnacht war es. Dunkle Regenwolken hingen am Himmel und ab und zu schaute der Mond aus seinem Versteck hervor und beleuchtete gespenstisch die Wassermassen, die im Mühlenkolk aufgestaut waren. Er leuchtete weit über die Emswiesen und Fluren, welche von den Wassern überschwemmt waren. Kaum konnten die Schützen der Mühle die Wassermassen durchlassen, die mit unheimlicher Gewalt herangebraust kamen und die alte Oelmühle zu zerdrücken drohten. Der Stadtgraben war bis zum Überlaufen gefüllt, und immer neue Wasserberge brachte die Ems heran. Immer höher leckten die unruhigen Wellen an den Ufern des Stadtgrabens, ein Summen und Glucksen war´s, unheimlich zu hören. Die Anwohner des Münsterwalles sahen mit Angst und Schrecken das stete Steigen des Wassers. Wie lange wird es noch dauern, und das Wasser geht über die Ufer des Grabens! Und dann – wehe den alten und gebrechlichen Häuschen. Das werden sie nicht überstehen, zerdrückt und hinweggeschwemmt werden sie von der Gewalt des Wassers. Ihre Bewohner werden sie unter sich begraben, wenn sie sich nicht früh genug in Sicherheit bringen.
Bernd Walkenford,
der Glockengießer, stand wieder, wie heute schon so oft, am Graben und
wieder musste er feststellen, dass das Wasser gestiegen war. Nur noch
einige Spannen, und das sich wie wild gebärdende Element erreichte den
Uferrand. Was wird dann? Er mag nicht daran denken. – Vier Formen stehen
bereit, noch in dieser Nacht ist der Guss fertig, und die Glocken müssen
gegossen werden. Seine Gesellen warten auf ein Zeichen von ihm, um mit
der schweren und gefährlichen Arbeit beginnen zu können. Was wird
werden, wenn das Wasser über die Ufer geht und in seine Werkstatt
dringt, wenn die Schmelzöfen, die sich in der Erde befinden, unter
Wasser gesetzt werden? Nicht ausdenken mag er es. Es ist nicht das
schlimmste, wenn die schönen Lehmformen im Wasser zerbröckeln und so ein
Werk langer, mühevoller Arbeit vernichtet wird. Auch ist`s ihm nicht
schade um den Guss, der aus den besten Metallen zusammengestellt ist. Er
mag nicht daran denken, was geschieht, wenn das Wasser sich in die mit
glühender Masse gefüllten Schmelzöfen ergießt – nein, nur nicht daran
denken, es kann ja nicht sein, darf ja nicht sein! Kein Mensch kann sich
erinnern, dass das Wasser jemals den Rand des Stadtgrabens überschritten
hätte. Auch heute wird es nicht geschehen!
Bernd Walkenford
steht und sinnt. Der Himmel öffnet wieder seine Schleusen und von neuem
strömt der Regen wolkenbruchartig hernieder. Der Sturm bricht los, der
die an der gegenüberliegenden Seite des Stadtgrabens stehenden mächtigen
Pappeln bis in die Wurzeln erbeben macht. Das alles stört den alten
Glockengießer nicht. Er ist bis auf die Haut durchnässt, doch er merkt
es nicht. Mit dem Ärmel des groben Arbeitskittels trocknet er sich die
von Schweiss und Regen benetzte Stirn. – Er steht und stiert in das
wilde Wasser. – Da!!!
Was war das? In der
Ferne ein Bersten, ein Krachen und Brausen. Ein Getöse, als wenn alle
Teufel los wären. Bernd Walkenford horcht auf – wilde Gedankenjagen
durch sein Hirn. Sollte die......Doch er braucht nicht mehr weiter zu
denken. Der Mond, der für Sekunden durch die schwarzen Wolken schaut,
zeigt mit furchtbarer Gewissheit, dass seine Ahnungen richtig waren.
Grosse schäumende Wellen kommen aus dem Mühlenkolke gestürzt und
ergießen sich, Balken und Bretter mitführend, über die Wiesen in den
Stadtgraben. Die alten Schützen hatten den gewaltigen Wassermassen nicht
standgehalten und waren zusammengebrochen. Mit ungehemmter Kraft
ergossen sich die Wassermassen in den Kolk, welcher wild aufbrausend zu
einem wirbelnden Kessel wurde. Bernd Walkenford stand noch am Ufer, als
das austretende Wasser schon um seine Füße sprudelte, starr und stumm.
Doch jetzt, wie aus
einer tiefen Ohnmacht erwachend, raffte er sich zusammen. Jetzt hiess es
handeln, sonst wars um ihn, um seine Familie, seine Gesellen und
Nachbarn geschehen! Er lief zur Werkstatt, an deren Schwelle schon das
Wasser gluckste. Die Gesellen, die dort beschäftigt waren, glaubten,
jetzt solle der Guss beginnen. Doch das verstörte Gesicht des Meisters
machte sie stutzig. Er befahl mit eisiger Stimme: „Gesellen, die Teufel
sind los, bald werden sie hier sein, um sich ein Mahl zu bereiten,
schnell das Feuer unter den Öfen gelöscht und dann fort, das Wasser
kommt.“ Mit der Hand deutete er auf die Türschwelle, über die das Wasser
hereinspülte.
Das Feuer war bald
gelöscht. Meister und Gesellen verliessen die Werkstatt und haben sie
nie wieder betreten. Von der nahen Kirche ertönt dumpf und schaurig die
Sturmglocke, die aus des Meisters Werkstatt hervorgegangen war. Da
verliess der Meister mit seiner Familie und seinen Gesellen die
Glockengiesserei, von ihrem Hab und Gut das Notwendigste mitnehmend. Die
Nachbarn, welche durch die Sturmglocke in ihrer Ruhe gestört waren,
wurden von dem Geschehenen unterrichtet und fluchtartig verließen alle
ihre Wohnungen. Sie alle wussten, es ging um ihr Leben.
Noch nicht weit
waren die letzten von der Glockengiesserei entfernt, als ein seltsames
Getöse entstand, ein Zischen und Sausen, welches aus der Luft zu kommen
schien. Das Getöse wurde stärker, es klang wie ferner Donner. Dann ein
Bersten und Krachen, und mit furchtbarer Gewalt flog die Glockengießerei
in die Luft. Flammengaben stiegen empor und ganze Feuerbälle wurden
hoch-geschleudert und kamen in tausenden kleinen Flämmchen wieder
herunter, fielen auf die Nachbarhäuser, welche bald in Flammen
aufgingen. Ein schaurig schöner Anblick war´s.
Nach und nach
verstummte das Zischen, der Feuerregen hörte auf. Die ganze
Nachbarschaft war durch die brennenden Häuser taghell beleuchtet.
Meister Walkenford, der mit vielen anderen aus der Ferne diesem
furchtbaren Schauspiel zugeschaut hatte, sagte zu den Umstehenden: „Die
Teufel haben ihr Mahl gekocht und sich beruhigt.“ Das Wasser war in die
Glockengiesserei eingedrungen, hatte die Schmelzöfen unter Wasser
gesetzt und so das furchtbare Element entfesselt. Bis auf den Grund war
die Glockengießerei zerstört. Kein Stein war auf dem anderen geblieben.
Auch mehrere der Nachbarhäuser brannten vollständig nieder.“ (Text in
Original-Rechtschreibung)
Noch heute heißt das Ende des heute zugeschütteten Stadtgrabens hinter dem Münsterwall „Teufelsküche“ und die Holzbrücke über die Ems ist die „Teufelsbrücke“. Die erste „Teufelsbrücke“ allerdings überbrückte den Stadtgraben, wie man auf dieser alten Postkarte gut erkennen kann.
Die heutige
„Teufelsbrücke“ wird tagtäglich von vielen Menschen benutzt, die auf dem
Lohwall parken, um bequem und schnell in die Altstadt zu gelangen. Wenn
zu Mariä Himmelfahrt und zu Fettmarkt auf dem Lohwall die Kirmes
stattfindet, drängen sich die Menschenmassen über diese kleine
Holzbrücke.
Bei Hochwasser wird
die „Teufelsbrücke“ von den tosenden Wassermassen der Ems umspült und
manchmal auch überspült. Bisher hat sie der Macht des Wassers getrotzt –
Gott gebe, dass es so bleibt.
Mechtild Wolff
überfüllte Teufelsbrücke anlässlich des Fettmarktes in den 1980er Jahren
Teufelsbrücke bei Hochwasser in den 1980er Jahren | Teufelsbrücke mit Kottrups Mühle und Emskraftwerk in den 1960er Jahren |
Apfelernte an der Äppelchaussee