Die Christuskirche – sie heißt erst seit 1949 so – wurde 1899 eingeweiht, wird also 116 Jahre alt. Damit ist sie etwa 40 Jahre jünger als die alte Kirche St. Johannes in Beelen (die 1969 abgebrochen wurde) und St. Margaretha in Ostenfelde und 30 Jahre jünger als St. Laurentius in Westkirchen. In diese Reihe gehört auch noch die private Kapelle St. Johannes in Vohren, die jetzt fast 160 Jahre alt geworden ist. Die Warendorfer Christuskirche ist hingegen ein Jahr älter als die Christuskirche in Neubeckum, die von demselben Architekten, nämlich Karl Siebold aus Bethel, gebaut wurde.
Alle
genannten Kirchen scheinen sich sehr ähnlich zu sein, erstens, weil sie
aus Backstein gebaut wurden und zweitens weil sie spitzbogige Fenster
und Gewölbe besitzen. Das nannte man zu deren Bauzeit den
„mittelalterlichen Styl“, der besonders für Kirchen geeignet schien.
Heute wird dieser Stil als Neugotik bezeichnet; er war zu seiner Zeit
weit verbreitet. Er erinnert an die großartigen gotischen Dome in
Frankreich und Deutschland, nimmt sich aber zum direkten Vorbild die
noch erhaltenen Bürgerkirchen in Westfalen. So sind auch die meisten
Pfarrkirchen im Kreis Warendorf neugotisch; gegenüber ihren älteren
Vorbildern sind sie erkennbar an ihrer besonders exakten und gotisch
durchgestylten Bauausführung.
Mit dem bei den genannten Kirchen gleichen Umriss mit Turm und
Kirchenschiff hören die Übereinstimmungen zwischen der Christuskirche
und ihren Nachbarn schon bald auf. Zum Beispiel haben die Fenster der
Christuskirche kein Maßwerk, also solche aus Sandstein geometrisch
konstruierten Steinformen in den Fensterbogen, auf die sonst kein
gotisches Fenster verzichtet. Siebold erinnert zwar an die Gotik, aber
modernisiert sie und spart dabei Kosten. Auch seine sparsame Bauzier
innen und außen entwickelt er durchweg nur aus Formziegeln. Zur
Kostendämpfung wurde er vor allem vom Bauherrn, dem Konsistorium in
Münster, angehalten. Erst sein dritter Entwurf war sparsam und
bescheiden genug für die Gemeinde in Warendorf. So musste er auch
anstelle eines Gewölbes eine Holzdecke einziehen. Dass er damit die
Akustik in der Kirche nachhaltig verbesserte, hat sich spätestens dann
herausgestellt, als der NWDR nach dem Krieg händeringend einen
geeigneten Raum für Konzertaufnahmen suchte.
Die Christuskirche hat keine Seitenschiffe, sie ist also vom Raumtyp
her ein Saal, im
Unterschied
zur mehrschiffigen
Halle. Dafür hat sie zwei Querschiffe, die viele westfälische
Hallenkirchen nicht haben. Bei Siebold dienen die Querschiffe dazu,
möglichst viele Sitzplätze um die Kanzel herum zu scharen, denn die
Christuskirche ist als Predigtkirche gebaut. Demselben Zweck dienen auch
die nach dem Krieg aus Platzmangel eingebauten Emporen, mit denen
Siebolds Idee von einer „dehnbaren Kirche“ verwirklicht wurde. Dass sie,
vorreformatorischer Tradition folgend, zwischen Chorraum und
Gemeinderaum
trennt, ist dem „Eisenacher Regulativ“ von 1862 geschuldet, das
bestimmte Regeln für den lutherischen Kirchenbau verbindlich vorgab, so
mussten Kanzel und Taufstein an der Grenze zwischen Chor und Gemeinde
aufgestellt, der Chor steinern gewölbt und durch Stufen erhöht werden,
die Orgel war gegenüber dem Altar zu platzieren, und ein Mittelgang
sollte vom Eingang zum Altar führen. Bezeichnend für die
architektonische Handschrift Siebolds ist, dass er Chor- und
Gemeinderaum in einzigartiger Weise verbindet, nämlich durch den nach
hinten abgeschrägten großen Triumphbogen, in dem auf der einen Seite die
Kanzel und gegenüber der Taufstein ihren Platz finden. Diesen Bogen kann
man sozusagen als sein Markenzeichen ansehen. Hier hat
bei der letzten großen Renovierung das Wort aus Hebräer 13,8
seinen den Raum beherrschenden Platz gefunden.
Die
Holzdecke zeigt scheinbar einen offenen Dachstuhl. Sie wird
durch eine aufwendige Unterkonstruktion gestützt. 16 auf
Wandkonsolen aufgestellte Stiele tragen quer in den Raum zeigende
Querbalken
und
werden jeweils durch ein Kopfband miteinander verbunden. Auf dieser
Konstruktion überbrücken bogenförmige Hölzer den Innenraum. Sie treffen
sich in der erhöhten Deckenmitte und deuten mit ihrer Krümmung das nicht
vorhandene Gewölbe an. Querbalken und Bogenhölzer sind durch Zugstangen
miteinander verbunden. Die Enden der Querbalken lässt Siebold durch
Drachenköpfe verzieren, eine Deutung dieser Köpfe hat er allerdings nie
gegeben. Auf dieser Holzkonstruktion werden Sparren der Dachneigung
folgend aufgestellt, so dass man
meinen kann, das Dach selbst zu sehen. Es ist aber nur die innere
Raumschale, die oben in ihrem flach gehaltenen Mittelteil den
kreuzförmigen Grundriss der gesamten Kirche nachzeichnet und den
Mittelpunkt (die so genannte Vierung) durch sternförmig gelegte Balken
betont. Diese besondere
Bauweise
findet sich schon in der englischen Gotik und wird dort
„Hammer-beam-roof“ genannt, wir bezeichnen sie als Hammerbalkendach oder
aber Sprengwerk mit Bogenstreben.
Den ganzen Innenraum der Kirche bestimmen in besonderer Weise seine
Farben, das warme Weiß der Wände, das Rot der Ziegel an Wandpfeilern,
Fenstereinfassungen, Gesimsen und Bogen, sowie das Braun des Holzes an
Decke und Gestühl. An seinen Farben lässt sich
ablesen, was den Raum gliedert und trägt und was ihn nur begrenzt.
Alle architektonischen Teile sind in ihren Dimensionen harmonisch
aufeinander abgestimmt und prägen damit das besonders ansprechende Bild
dieser Kirche.
Die
heutige Christuskirche hat eine lange, von vielen Rückschlägen
geprägte Vorgeschichte, die eigentlich 70 Jahre zuvor begann.
Parallel zur Gründung des Preußischen Landgestüts bildete sich
in Warendorf eine evangelische Gemeinde, der auf königliche
Anordnung hin die Marienfelder Kapelle neben dem
Franziskanerkloster zugewiesen wurde. Schon nach wenigen Jahren
unternahm die Gemeinde viele vergebliche Versuche, einen Ersatz
für den schon früh viel zu kleinen Gottesdienstraum zu schaffen.
Das ganze 19.Jahrhundert ist gekennzeichnet von Plänen, Anträgen
und Rückschlägen in immer neuen Kreisläufen und Versuchen an
verschiedenen Standorten in der Stadt bis hin zu Resignation und
Stillstand, bis sich nach geduldigem Ausharren und mancherlei
Kompromissen die heutige Lösung außerhalb des Promenadenrings
fand. Die Kirche konnte auf dem verfügbaren Grundstück
allerdings nicht nach Osten ausgerichtet werden, weil sie dabei
zum Teil mit einer sehr aufwendigen und nicht bezahlbaren
Pfahlgründung in den Stadtgraben hätte gesetzt werden müssen;
deshalb zeigt sie nach Süden. Andererseits konnte das Grundstück
mit Mauer, Portal und Gitter zu einem Kirchgarten gestaltet
werden, in dem eine Lindenallee auf das Kirchenportal zuführt:
alles in allem eine für unsere Stadt einmalige, sehr
ansprechende Anlage.
Die Hagelfeier-Prozession 1709
Die Madonna auf dem Marienkirchplatz
100 Jahre St. Marien
Ausstellung:
100 Jahre St. Marien
Franziskanerkloster-Geschichte
Die Kanzel
Restaurierung der Krippe
Die barocke Krippe
Die Grablege
Besichtigung der Grablege am 19.5.10
2008 und 2010: Bilder des Franziskanerklosters
Besuch der Afhüppenkapelle am 2. 4. 11
Zukunft der Kapelle