Nachlese der Filmvorführung am 8. 3. 2023
„Als Warendorf sich wieder machte – Warendorf in der Nachkriegszeit 1949 – 1951“
von Mechtild Wolff

 

 


Schier überrannt wurde die nostalgische Filmveranstaltung des Heimatvereins am Sonntag. Als der große Saal des Pfarrheims St. Marien schon eine Viertelstunde vor Veranstaltungsbeginn aus allen Nähten Platze, wurde spontan ein zweiter Filmtermin für den Spätnachmittag angesetzt, der dann auch wieder gut gefüllt war.

Die Vorsitzende des Heimatvereins Mechtild Wolff begrüßte als Ehrengäste die beiden Filmemacher Kurt Heinermann und Willi Schütte
Es waren spannende Jahre, diese Nachkriegsjahre und wie gut war es, dass es damals schon Amateurfilmer wie Franz Eiling gab, die auf ihren Zelluloidstreifen Ereignisse der Nachkriegsjahre festgehalten haben. Die Heimatfreunde Willi Schütte, Kurt

Heinermann und Wolfgang Elpers bastelten über ein Jahr lang an der Fertigstellung des 60minütigen Films. Grundlage war das umfangreiche Filmmaterial von Franz Eiling. Der damalige Heimatvereins-Vorsitzende Rainer A. Krewerth schrieb den Text und führte mit seiner sonoren Stimme humorvoll durch den Film, begleitet am Klavier von Torsten Brandt, der zu jeder Szene die passende Musik komponiert hatte. Am 9. Juni 1996 führte der Heimatverein diesen Film in einer Sonntags-Matinee im Theater am Wall zum 1. Male vor.
 Damals wie heute konnte das gespannte Publikum miterleben, wie 1949 die neue Emsbrücke innerhalb von drei Monaten erbaut wurde - die alte war ja in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs noch unsinnigerweise von der SS gesprengt worden. Nach der feierlichen Einweihung fuhr dann Bürgermeister Heinermann mit den Honoratioren von Stadt, Kreis und Kirche in der Kutsche über die Brücke, angeführt von einer Reiterstaffel des Landgestüts und gefolgt von den neuen Omnibussen des Busunternehmers Franz Ringbeck - noch mit den Warendorfer Nummernschild BR 86.

 

 
 
 Auch der Bau des Theaters am Wall zeugte vom Aufbauwillen der Nachkriegsjahre. Die feierliche Eröffnung, zu der man natürlich in Frack und Zylinder erschien und die Damen im eleganten Kostüm, war eines der ersten großen gesellschaftlichen Ereignisse in der kleinen Emsstadt, bei der auch Ministerpräsident Karl Arnold zu Gast war.

 
Blick auf die Ems von der alten Emsbrücke  Feierliche Einweihung der neuen Emsbrücke durch Bürgermeister Heiinemann

Im „hohen Norden“, weit außerhalb der Stadt, gab es große Freude bei den über 600 Schulkindern: Die Josefschule wurde gebaut, denn die Schulraumnot war groß. Bürgermeister Heinermann zeigte sich sichtlich stolz, dass die Stadt in so schweren Zeiten ein Projekt dieser Größe stemmen konnte. Der Schulausschuss-Vorsitzende Heinrich Blum appellierte an die Schüler: „Charakter ist besser als Wissen!“ und Schulrat Dr. Böhmer fügt hinzu: „Aber Wissen kann dem Charakter nicht schaden!“ Nach dem Segen durch Pfarrer Hast und Pastor Radü wurden all diese guten Wünsche mit dem Grundstein eingemauert.

Das Theater am Wall  Richtfest an der neuen Josefschule 

1951 zeigten die Warendorfer all ihre Kreativität bei der Gestaltung der Festwoche zum 750jährigen Stadtjubiläum, stellten einen großen Festumzug zusammen, der begleitet von Fanfaren, Trompeten und Trommlern 750 Jahre Warendorfer Geschichte auf historischen Wagen darstellte. Über 1000 Kinder zogen als Puppenmütter, mutige Indianer, Bäcker, Schornsteinfeger und Märchenfiguren durch die Innenstadt mit den eigens aufgebauten Stadttoren – Ideenreichtum und die Tatkraft der Bürger verdienen große Hochachtung. Bei den zahlreichen Festempfängen im Rathaus, die Herren natürlich im Frack und die Ratsherrin Elisabeth Schwerbrock mit elegantem großen Hut wurde dem Bürgermeister Heinermann von den Handwerkern eine neue Amtskette gestiftet und die Patenschaft über die schlesische Stadt Reichenbach mit dem ehemaligen Reichenbacher Bürgermeister Schönfelder besiegelt. Und zum ersten Mal findet die Kirmes auf dem Lohwall statt – welch ein Vergnügen.

All das wird in diesem „Nachkriegsstück in 21 Bildern“ dargestellt und noch vieles mehr wie die feierliche Erstkommunion in St. Laurentius, eine Modenschau mit hocheleganter Damenmode und galanten Herren in  perfekt sitzenden Anzügen, ein dramatisches Jux-Fußballspiel auf dem Sturzacker am Bürgerhof und auch Schützenfeste mit den „witten Büxen“ und den Holzgewehren. Über 1000 Sänger zogen beim Sängertreffen des Sängerkreises Emsland mit ihren schmissigen Liedern in einem langen Festzug durch die Stadt, um im schönen Festsaal des Bürgerhofs einen Sänger-Wettstreit auszutragen. Und endlich fanden wieder Warendorfer Reitertage statt – eine solide Basis für die aufstrebende Reiterstadt Warendorf.

Ja, die „Stadt in Wiesen, Stadt in Gärten“ blieb für alte Warendorfer, die es in die große, weite Welt verschlagen hat, ein Sehnsuchtsort und sie kamen in Scharen zum Tag der Ehemaligen und sangen aus voller Brust:

Warendorf, du Hort meiner Jugend und Freuden,
einmal im Jahr da muss ich Dich seh’n;
Kehr‘ ich dann heim, ja dann denk‘ ich beim Schneiden:
Ach war das schön, ja das war schön.

   

 

Wie sah es in den ersten Nachkriegsjahren in Warendorf aus?

  

Im Anschluss an den Film wurde gefragt: Wie ist es denn den Warendorfern in den ersten Nachkriegsjahren ergangen? Die Filmszenen entstanden ja schon vier Jahre nach Kriegsende und zeigen eine heile, prosperierende Welt.

Ja, die Stadt Warendorf gehörte zu den glücklichen Landstädtchen, die von den Bomben verschont geblieben waren. Das heißt aber nicht, dass der Krieg spurlos an Warendorf vorüber gegangen war. Auch bei uns hatte er viel Leid über die Menschen gebracht. Über 500 Warendorfer hatten ihr Leben verloren und genauso viele wurden noch vermisst. Das bedeutete Trauer und Leid, aber auch, dass all diese Familien ihren Ernährer verloren hatten. Viele Soldaten waren noch in Kriegsgefangenschaft und kehrten erst nach und nach wieder heim. Das lebte dann die ganze Stadt mit, vor allem bei den Spätheimkehrern. Ich erinnere mich noch gut an den   Kriegsheimkehrer Paul Möller, den Vater von Hanne und Doris. Er kam am 2. September 1949 aus russischer Gefangenschaft zurück. Einen Tag vorher hatte seine Frau die Nachricht von seiner Heimkehr bekommen - das verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Warendorf. Die Nachbarn von der Freckenhorster Straße kränzten die Haustür und zur Ankunft des Zuges fand sich eine große Menschenmenge mit vielen Kindern am Bahnhof ein, um den Heimkehrer zu begrüßen. All die Menschen jubelten ihm zu und geleiteten ihn mit seiner überglücklichen Frau und den beiden Kindern durch die mit Flaggen geschmückte Stadt nach Hause.

 

Zurück zum Kriegsende:

Ein letztes Kräftemessen der SS mit der Warendorfer Bevölkerung gab es in den letzten Kriegstagen Anfang April 1945 beim Kampf um die Sprengung der Emsbrücken. Die SS wollte den Zugang zur Stadt versperren und alle Brücken zerstören. Mutige Bürger verhinderten aber die Sprengung der Teufelsbrücke und der Brücke
an der Gartenstraße, konnten aber die Zerstörung der großen Emsbrücke nicht verhindern. Dass die Stadt am 3. April 1945 kampflos und ohne Verluste den Siegermächten, also den Amerikanern, den Kanadiern und den Engländern übergeben werden konnte, ist dem Mut und der Klugheit des Stadtrendanten Lepper und des Standortältesten Oberst Winkel zu verdanken. Am reibungslosen Ablauf war auch Oberstudienrat Heinrich Blum wesentlich beteiligt, der durch seine Vermittlerfähigkeiten und seine guten Englisch-Kenntnisse dafür sorgte, dass keine Missverständnisse und Disharmonien mit den Siegermächten entstanden.

Oberst Winkel Stadtrendant Theodor Lepper Heinrich Temme Otto Freund

 

  

Eine wichtige Aufgabe sah die Besatzungsmacht nun darin, die politische Verantwortung wieder auf die deutschen Bürgern zu übertragen. Ein guter Plan, aber die Ausführung gestaltete sich sehr schwierig, denn unbelastete Führungskräfte waren schwer zu finden – die Spreu musste vom Weizen getrennt werden und die Entnazifizierung nahm viel Zeit in Anspruch. Darum setzte der Kanadische Ortskommandant am 3. April 1945 Heinrich Blum als ersten Bürgermeister ein. Das wollte Blum aber ganz bestimmt nicht sein, denn er war Lehrer aus Passion und wollte das auch bleiben. So kann es, dass schon nach zwei Tagen Aloys Zurbonsen (1884-1950) als neuer Bürgermeister installiert wurde.

Aloys Zurbonsen Oberstudienrat Heinrich Blum BürgermeisterJosef Heinermann

 

Leider blieb auch er nicht lange im Amt, denn er wurde zum Landrat des Kreises Warendorf berufen. Ja, unbelastete Führungskräfte wurden überall gesucht.

Es war aber elementar wichtig, dass die Stadt von einem tüchtigen Bürgermeister regiert wurde und man war froh, dass Heinrich Temme das Amt übernahm. Leider war auch das nicht von langer Dauer, denn er wurde bald pensioniert.

Der Ortskommandant übertrug nun die Amtsgeschäfte kommissarisch dem langjährigen Warendorfer Stadtrentmeister Theodor Lepper, der sich schon bei Kriegsende als sehr umsichtig erwiesen hatte. Diese ersten Bürgermeister nach dem Krieg waren noch hauptamtlich tätig, sie waren Leiter der Verwaltung und Repräsentanten der Stadt. Das änderte sich im April 1946 und der engagierte Bürger Otto Freund wurde zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt.

Nach all diesen Irrungen und Wirrungen fanden dann 1948 die ersten demokratischen Wahlen statt und Josef Heinermann wurde zum Bürgermeister gewählt. Unzählige Probleme mussten gelöst werden. Die vielen Flüchtlingen und Vertriebenen mussten versorgt werden, es herrschte Mangel an Nahrungsmitteln, an Kleidung, an Möbeln und vor allem an Wohnraum.

In diesen schwierigen Zeiten erwies sich Josef Heinermann als Glücksfall. Er blieb Bürgermeister bis zu seinem frühen Tod 1956. In dem Film „Als Warendorf sich wieder machte“ spielt er eine zentrale Rolle.

 

 

   März 2023

Mechtild Wolff

Filmvorführung des Heimatvereins am Sonntag, dem 5. März: "Als Warendorf sich wieder machte..."
Ort:         Pfarrheim St. Marien am Marienkirchplatz an der Marienkirche in Warendorf
Beginn:   15.00 Uhr
Der Eintritt ist frei


Puppenmütter beim Umzug zum 750jährigen Stadtjubiläum  1951

Auf besonderen Wunsch vieler Warendorfer zeigt der Heimatverein Warendorf am Sonntag,
dem 5. März 2023 noch einmal den Film:
Warendorf in den 50er Jahren: "Als Warendorf sich wieder machte"
Historische Filmaufnahmen geben ein eindrucksvolles und atmosphärisch dichtes Bild des Lebens in Warendorf in der Nachkriegszeit.

Am kommenden Sonntag, den 5. März 2023 um 15 Uhr zeigt der Heimatverein Warendorf im Pfarrheim St. Marien am Marienkirchplatz auf vielfachen Wunsch den alten Film:

„Als Warendorf sich wieder machte - Warendorf in der Nachkriegszeit 1949 – 1951“,
 
ein nostalgisches Filmvergnügen mit Originalszenen, die das Leben in den Nachkriegsjahren in Warendorf zeigen, kommentiert von dem unvergessenen Rainer A. Krewerth mit seiner sonoren Stimme. Sie können miterleben, wie die neue Emsbrücke und das Theater am Wall eingeweiht wurden, der Grundstein für die Josefschule gelegt wurde und die Stadt Warendorf das 750jährige Stadtjubiläum mit einem lustigen Umzug feierte.

 
Auch die Fußballspieler kommen beim Jux-Fußballturnier im alten Stadtstadion auf ihre Kosten und die Damen bei einer eleganten Modenschau. Einige von ihnen werden sich als junge Lausbuben oder adrette Mädchen mit den langen Zöpfen wiederentdecken.
 
Im Zentrum des Films steht Josef Heinermann, der bedeutendste Bürgermeister der Nachkriegsjahre. Über seine engagierte Amtszeit und seine vielseitigen Aufgaben wird die Heimatvereinsvorsitzende Mechtild Wolff mit vielen Bildern aus den 1950er Jahren berichten.Alle Interessierten sind herzlich zu diesem nostalgischen Kino-Nachmittag eingeladen, der wie alle Heimatvereins-Veranstaltungen kostenlos ist.
Viel Freude bei diesem nostalgischen Filmvergnügen wünscht im Namen des Heimatvereins

Mechtild Wolff (Vorsitzende)

 

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