Die
Weberei hat über Jahrhunderte die hiesige Bevölkerung ernährt, zuerst
die Handweberei, dann die Textilindustrie. Es gab Zeiten, da klapperte
in fast jedem Haus ein Handwebstuhl und das feine Warendorfer Linnen war
in ganz Europa begehrt. In der Gründerzeit entstanden auch hier
zahlreiche mechanische Webereien und Warendorf, Freckenhorst und
Sassenberg wurde zu einem bedeutenden Zentrum der Inlett- und
Plüsch-Weberei und der Woll-Spinnerei.
Dem Textilsterben in Deutschland in den 1990er Jahren fielen
all diese damals so florierenden Firmen zum Opfer und die Erinnerung an
die einstige Blütezeit der Textilindustrie verblasst immer mehr. Darum
will der Heimatverein mit dieser Ausstellung das Leben in und mit der
Textilindustrie in Warendorf, Freckenhorst und Sassenberg wieder
lebendig werden lassen. Wir zeigen die vielfältigen Produkte und
berichten über den Arbeitsalltag in den Betrieben.
Firma „Brinkhaus und Wiemann“ an der Kirchstraße
1843 kam Hermann Josef Brinkhaus nach Warendorf und gründete
mit Eduard Wiemann 1861 die erste mechanische Weberei „Brinkhaus und
Wiemann“. Jetzt ratterten auch in Warendorf die mechanischen Webstühle
und das verarmte Leineweberstädtchen bekam wieder Arbeitsplätze und
blühte auf.
Eine turbulente Gründerzeit begann, viele Textilfirmen wie
Firma Oberstadt mit diversen Partnern und Firma Ludorff & Neuhaus
versuchten ihr Glück, alle stellten die gleichen Produkte her, nämlich
bunt gemusterte Baumwollstoffe, Drell, Baumseide und vieles mehr. Es
tobte ein harter Konkurrenzkampf, den nicht jede Firma überlebte.
Firma „Wiemann und Bispinck“ an der
Kirchstraße
Die Partner Brinkhaus und Wiemann trennten sich 1879. Eduard
Wiemann gründete mit Christoph Bispinck zusammen die Firma „Wiemann und
Bispinck“. Sie webten bunte Baumwollstoffe mit über 50 Gewebearten, erst
an der Kirchstraße, dann in dem erweiterten Betrieb an der Brinkstraße.
Später spezialisierten sie sich recht erfolgreich auf Inlett, bis die
mechanische Weberei „Wiemann und Bispinck“ 1966 von der Firma „H.
Brinkhaus“ übernommen wurde.
Nach der Trennung von seinem Partner
Eduard Wiemann erbaute Hermann Josef Brinkhaus seine neue Firma „H.
Brinkhaus“
auf der Emsbleiche. Weil sich die vielen Webereien mit ihren bunten
Baumwollgeweben einen erbitterten Konkurrenzkampf lieferten,
spezialisierte sich Brinkhaus 1909 auf Inlett, ein besonders dichtes
Baumwollgewebe für Federbetten. Diese Spezialisierung war der
Beginn einer Erfolgsstory, die die Firma Brinkhaus zu einer der größten
Inlett-Webereien und später auch Bettenhersteller Europas machte. Die
zeitweise über 1000 „Brinkhäuser“ im Hauptwerk und den Zweigwerken
Sassenberg und Freckenhorst hielten in guten und schlechten Zeiten fest
zusammen. Umso schmerzlicher war es, dass auch Brinkhaus von der
Konkurrenz in Fernost und China erdrückt wurde. 2011 ging die 132 Jahren lange, sehr erfolgreiche
Geschichte der Firma „H. Brinkhaus“ zu Ende und mit ihr auch die
Warendorfer Textilindustrie.
„Warum
wollen wir nicht die hier hergestellten Stoffe gleich an Ort und Stelle
weiterverarbeiten und fertige Produkte anbieten?“ Mit dieser Idee wurde
1925 die Firma „Bruns & Debray“ gegründet, die Berufsbekleidung für
Industrie, Handwerk und Handel herstellte. „Bruns & Debray“ ist bis
heute am Hellegraben erfolgreich tätig und hat sich auf das Besticken
mit Firmenlogos spezialisiert.
Der
Textilkaufmann Josef Dieckhoff gründete direkt nach dem Krieg die
Schürzenfabrik „Dieckhoff“ und nähte all die kessen, weißen
Servierschürzen, aber auch Schwesternschürzen und Häubchen, weiße
Laborkittel und die schicken, weißen Schürzen mit Klöppelspitze, die
eine gute Hausfrau sonntags beim Kochen trug. Er belieferte die großen
Versandfirmen wie Quelle und Neckermann, musste aber 1974 wegen des
Konkurrenzdrucks aus dem Ausland schließen.
Schicke
Kostüme und Mäntel mit Pelzbesatz und Pelzfutter nähte Karl Schnepfe am
Affhüppen Esch. Sie wurden in den „ersten Häusern Deutschlands“
verkauft. Als das Tragen von Pelzen gesellschaftlich geächtet wurde und
sich sogar Webpelze nicht mehr verkaufen ließen, musste die Firma
„Schnepfe“ 1990 schließen. 120 Mitarbeiter wurden arbeitslos und
Warendorf verlor die einzige Firma, die exklusive Mode herstellte.
Schon
seit Jahrhunderten war Freckenhorst eine Weberstadt. In fast jedem Haus
klapperte ein Handwebstuhl. Neben der Landwirtschaft war das Weben der
wichtigste Broterwerb. Mit Johann Peter Stoffels kam ein begnadeter
Handweber nach Freckenhorst, der neue Ideen verwirklichte. Um 1880
wurden Faktoreien gegründet, in denen Handweber im Lohn arbeiten
konnten. Bald standen in Freckenhorst 145 Webstühle. Viele Handweber
hatten sich auf die Herstellung von Plüsch spezialisiert, in der Regel
den gewöhnlichen, einfarbigen Plüsch. Besonders tüchtige Weber stellten
auch schon den gemusterten Plüsch auf Jaquardwebstühlen her.
1894
gründete Josef Kreimer mit seinen Söhnen Theodor und Bernhard die Firma
„Josef Kreimer“. Noch webte er Plüsch auf Handwebstühlen. Um
konkurrenzfähig zu bleiben, stellte er 1906 auf mechanische Webstühle
um. Jetzt konnte Mokett und gemusterter Plüsch maschinell tadellos
hergestellt werden und das zu wesentlich niedrigeren Preisen. Die Firma
„Josef Kreimer“ bestand bis 1925.
1891 gründete Johann Zurwieden die Kommanditgesellschaft
„Zurwieden & Co.“. Sie betrieb 16 Handwebstühle, die 1906 mechanisiert
wurden. „ZUCO“ wurde eine wohlrenommierte Inlett-Weberei mit Näherei,
bekannt für exklusives Qualitäts-Inlett und hochwertige Fertigbetten.
50% der Ware ging ins europäische Ausland. 1992, ein Jahr nach dem
100-jährigen Firmenjubiläum, musste „ZUCO“ geschlossen werden. 165
Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz.
1907
baute Hermann Breede seinen Betrieb an der Warendorfer Straße und 1951
an der Feidiekstraße. Hier webten jetzt 30 Weber Mohair und Mokett.
Durch die Konzentration auf Mohair überlebte Breede die schwierigen
Jahren nach 1980 länger als die Mitbewerber am Ort. Als Mohair für
Polstermöbel aus der Mode kam, sicherte der Einsatz von Mohair für
technische Textilien die Existenz der Firma für einige Jahre. 2009
schloss auch die Möbelstoffweberei „Hermann Breede GmbH & Co. KG“ als
letzte Freckenhorster Weberei ihre Pforten.
1913
gründete Theodor Kreimer die mechanische Weberei „Theodor Kreimer“ in
Freckenhorst am Groneweg. Er stellte ausschließlich Plüsch her. Die
Firma Kreimer behauptete sich am Veloursmarkt und nahm einen rasanten
Aufschwung. Bis zu 750 Belegschaftsmitglieder produzierten 25.000 Meter
Velours am Tag. Kreimer wurde eine der bedeutendsten Velourswebereien
Europas, belieferte die Möbelindustrie, stattete die Bundesbahn und
Autoindustrie mit Velours aus und exportierte unter der
Firmenbezeichnung „TEKA“ in die ganze Welt. Das allgemeine Textilsterben
in Deutschland überlebte auch Kreimer nicht und musste 1993 seine
Werkstore schließen.
Christian Rath (1835–1927) gründete 1858 im alten
Residenzschloss in Sassenberg eine „Wollspinnerei und Tuchfabrik“.
Bereits 1860 wurden die Spindeln von einem Dampfkessel mit 16 PS
angetrieben. Rath stellte aus Schafswolle Streichgarne und
Handstrickgarne her und etwas später auch das beliebte Kammgarn. Die
„Wollresidenz“ in Sassenberg wurde unter der Firmenbezeichnung „Gebrasa
Wolle“ zum Marktführer mit über 500 Mitarbeitern. Auch die den Wollmarkt
beherr-schende Firma Gebrasa überstand den Niedergang der
Textilindustrie nicht und beendete die Produktion 1981.
Mechtild Wolff
Vorsitzende des Heimatvereins Warendorf e.V.
Textilindustrie in Warendorf
Kette und Schuss - von der Handwebei zur Textilindustrie
„Anton
Eickholt & Erben“ - feine Damast- und Gebildweberei
elegante Damenmode
„Villa Sophia“, später
„Sophienstift“ genannt
"Textilstadt Warendorf"
Geschichte der Firma Brinkhaus (I)
Geschichte der Firma Brinkhaus (II)
Geschichte der Firma Brinkhaus (III)