Es war am 22. September 1404. Drückende Schwüle liegt über der
Stadt. Kaufmann Hudepoel sitzt mit seiner Frau und seinen Kindern beim
Abendessen. Auch die alten Großeltern sind dabei. „Es wird noch ein
Gewitter geben“, sagt der Großvater. „Gott gebe, dass der Blitz
nirgendwo einschlägt, denn gerade ist das Rathaus mit Leinen und Leder
vollgepackt. Auch in unserm Haus lagern viele Leinenballen und der
Dachboden ist voll mit Wintervorräten für Mensch und Vieh.“
Immer schwärzere Wolken ziehen heran und der Wind fegt durch
die Straßen. Da bricht das Unwetter los. Blitze zucken und dumpf rollt
der Donner. Die Menschen zittern und beben vor Angst. „Kinder betet“,
sagt die Mutter und die Großmutter beginnt mit dem Ave Maria. Wieder ein
Blitz und fast gleichzeitig knallt der Donner.
Da, ein gellender Schrei: „Feuer! Feuer!“ Kaufmann Hudepoel
stürmt hinaus. Auf der Straße schlägt ihm ein Stimmgewirr entgegen.
„Dort ist Feuer!“ „Nein, hier brennt es.“ „Hilfe, das Feuer frisst sich
schnell weiter!“ Mit einem Blick hat Hudepoel die Gefahr erkannt. In
rasender Eile stürmt er zum Glockenturm. Er läutet die Brandglocke, die
alle Bürger warnt: „Feuer, Feuer!“
Mutige Männer und Frauen greifen zu den Brandeimern und formen
eine Kette bis zur Ems. Die gefüllten Wassereimer werden von Hand zu
Hand gereicht. Zischend fliegt das Wasser ins Feuer, alles brodelt und
dampft. Es ist unerträglich heiß, aber die Männer und Frauen kämpfen
weiter. Doch das Feuer ist übermächtig, es läuft von einem Haus zum
andern, bald stehen ganze Straßenzüge in Flammen. Die ersten Balken
brechen und die Dächer stürzen krachend auf die Straße. Sogar die dicken
eichenen Pfosten sinken zu Boden, die Stadt brennt lichterloh. Die
schönen Fachwerkhäuser werden schnell ein Raub der Flammen.
Kaufmann Hudepoel steht hilflos vor dem Flammenmeer, eine
riesige Feuersäule ragt in den Nachthimmel. Überall ist Chaos. Mütter
rufen nach ihren Kindern, Verletzte stöhnen und rufen um Hilfe, Tiere
irren in Panik umher.
„Wo ist meine Familie? Haben die Trümmer sie begraben? Herr,
lass sie leben, du hast uns schon unser ganzes Hab und Gut genommen!“ So
schickt Kaufmann Hudepoel ein Stoßgebet zu Himmel.
Als der Morgen dämmert, findet er seine Familie auf der großen
Wiese vor den Wällen der Stadt. Seine Frau hat beherzt die Kinder und
die alten Eltern aus der Stadt herausgeführt und sie über die Ems an
einen sicheren Ort gebracht. Hilflos mussten sie mit ansehen, wie ihre
Stadt in Schutt und Asche versank. Dem Großvater liefen die Tränen über
die Backen. Sein ganzes Leben lang hat er hart gearbeitet, um das schöne
Haus am Münsterwall zu bauen, jetzt war alles verloren.
Erst am nächsten Tage wird das ganze Ausmaß des Unglücks
sichtbar. Der große Brand war furchtbar. Er forderte 100 Menschenleben,
600 Häuser sind verbrannt, die Kirche, das Rathaus, die Schule, die
Mühle, alles ist ein glühender Aschehaufen.
Viele Menschen verließen damals in ihrer Not die Stadt
Warendorf, um woanders ihr Brot zu verdienen. Tapfere Bürger aber bauten
die Stadt wieder auf, es entstand neues Gewerbe und in vielen Häusern
klapperten bald wieder die Handwebstühle und im Laufe der Jahre wurde
Warendorf zu einer berühmten Leineweberstadt.
Diese große Holztafel erinnert uns noch heute an den
schrecklichen Brand von 1404. Sie ist in plattdeutsch geschrieben, so,
wie man damals in Warendorf sprach.
Mechtild Wolff
Heimatverein Warendorf
Apfelernte an der Äppelchaussee