Aus Anlaß des Auftaktes der Europagespräche der Stadt Warendorf am 1. 9. 2024 erinnert der Heimatverein Warendorf:
1954 - Kaiser Haile Selassie in Warendorf - ein Ereignis, an das man sich noch heute erinnert
von Mechtild Wolff (25. 8. 2024)

Kaiser Haile Selassie (2. von rechts), Bundesernährungsminister Heinrich Lübke:
Regierunggspräsident Hackethal, Landrat Höchst

 

„Ganz Warendorf jubelt dem Kaiser zu“, so schrieb Wolfgang Otterpohl in Erinnerung an den großen Tag am 12. November 1954.

Um 13.50 Uhr sollte Kaiser Haile Selassie von Äthiopien mit seinem Gefolge in Warendorf mit einem Sonderzug eintreffen, direkt aus der Bundeshauptstadt Bonn, wo er mit glanzvollen Staatsbanketts auf Schloss Benrath geehrte worden war. Er war das erste ausländische Staatoberhaupt, das der jungen Bundesrepublik einen offiziellen Staatsbesuch abstattete. Und dieser Staatsbesuch kam in das kleine Landstädtchen Warendorf - welch eine hohe Ehre.

Unser ansonsten eher trist wirkender Bahnhof war für die Visite des Negus Negesti, des Königs der Könige, aufs Feinste herausgeputzt: Roter Teppich, Empfangsbögen, Baldachin und Flaggenschmuck. Selbst die Schienen waren von einem Sonderkommando poliert worden, damit der kaiserliche Sonderzug auch zentimetergenau vor dem Treppchen zum Stehen kam, das auf dem roten Teppich stand.

700 Polizisten, alle mit blank gewienerten Stiefeln und Tschakos und
25 Kriminalbeamte sorgten für Sicherheit und Ordnung. Über 200 Journalisten und 100 Photografen und das Fernsehteam der Wochenschau standen für die Berichterstattung über dieses wichtige Ereignis bereit.

Pünktlich auf die Minute rollte der kaiserliche Zug in den Bahnhof ein und der Kaiser erschien am Fenster. Das Empfangs-Komitee bestand aus Bürgermeister Josef Heinermann, Stadtdirektor Dr. Karl Schnettler, Landrat Dr. Josef Höchst, dem Regierungspräsidenten Franz Hackethal, dem Landesminister Dr. Johannes Peters und dem Bundesernährungsminister Heinrich Lübke.

Auf dem roten Teppich empfingen zwei Sextanerinnen der Marienschule, Gabriele Bredenbröker und Anneliese Spiekermann, die Kaiserliche Hoheit mit einem Gedicht und einem Blumenstrauß. Dafür bekamen sie von ihm einen Maria Theresien-Thaler in Gold, was für die ersten Ahs und Ohs sorgte. Nach der Begrüßung hielt Bürgermeister Heinermann eine herzliche Empfangsrede für den 62 jährigen Monarchen, der in Begleitung des Kronprinzen und der Kronprinzessin von Harra und des kaiserlichen Gefolges war.

In einer langen Autokolonne fuhren die prominenten Gäste im Schritttempo durch die festlich geschmückte Stadt, 30 Standartenreiter ritten voraus und Kaiser Haile Selassi folgte in einem  Mercedes 300 Cabriolet.

In Höhe der Post ließ der Monarch trotz des trüben Novemberwetters das Verdeck öffnen, um der Menge für den so begeisterten Empfang durch würdevolles Winken zu danken.

Über 10.000 Menschen säumten die Straßen der Innenstadt und die 5000 Schulkinder, die schon seit 12 Uhr schulfrei hatten, schwenkten begeistert die Fähnchen in äthiopischen und deutschen Nationalfarben. Alle Häuser waren mit Fahnen geschmückt und die Straßen mit Wimpelketten in Stadtfarben überspannt. Dieses farbenfrohe Bild überdeckte das eher trübe Novemberwetter.

Im Innenhof des Landgestüts wurde der kaiserliche Tross vom Landstallmeister Bresges empfangen, begleitet vom Blitzlichtgewitter der Presse aus ganz Deutschland und von den Scheinwerfern der Wochenschau. Nachdem sich der Kaiser wieder würdevoll verneigt hatte, nahm er auf dem Thronsessel der Ehrentribüne Platz, seine Füße ruhten auf einem kaiserlichen Kissen. Die kleine Hengstparade, von Obersattelmeister Juppe vorgeführt und die olympische Lektion, die der Primaner Rainer Klimke ritt und Landstallmeister Bresges erläuterte, begeisterten den Kaiser und sein Gefolge. Hier trug sich Kaiser Haile Selassie auch in das Goldene Buch der Stadt Warendorf ein, natürlich mit einem goldenen Füller.

Die nächste Station war die Deula, wo die Tochter des Deula-Ingenieurs Fischer seiner kaiserlichen Hoheit mit einem Hofknicks gelbe Chrysanthemen und rote Nelken überreichte. Auch sie wurde mit einer Goldmünze aus der kaiserlichen Hand belohnt.  In der Deula wurden hochmoderne Landmaschinen vorgeführt, von Kleingeräten für den Garten bis zu den großen Mähdreschern der Firma Claas. Reich beschenkt mit deutschen Industrie-Erzeugnissen, wie z.B. einer Buttermaschine der Firma Westfalia aus Oelde verließ der kaiserliche Sonderzug pünktlich um 16.39 Uhr den Bahnhof in Richtung Hamburg, der letzten deutschen Station der Reise.

Und in Warendorf konnte wieder der Alltag Einzug halten, die Polizei und die Reporter rückten wieder ab, aber bei all denjenigen, die dieses denkwürdige Ereignis miterleben durften, ruft die Erinnerung noch heute ein Hochgefühl hervor. Heute weiß man, dass dieser so sehr festliche und perfekt abgewickelte Empfang des Staatsgastes der Stadt Warendorf einen großen Imagegewinn brachte. Die wachsamen Augen des Protokollchefs der Bundesregierung, Hans von Herwarth hatten alles genau registriert.

 

Quellen:  Zeitungsberichte aus der Glocke zusammengestellt im Sammelband 1 „Warendorf“ 2014  

               von  Werner Offers    

               Berichte von Zeitzeugen und eigene Erinnerungen

Bilder:    Kurt Heinermann  erstellt von Alfred Kaup

Text:      Mechtild Wolff

 

 

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