Regierunggspräsident Hackethal, Landrat Höchst
„Ganz Warendorf jubelt dem Kaiser zu“, so schrieb Wolfgang
Otterpohl in Erinnerung an den großen Tag am 12. November 1954.
Um
13.50 Uhr sollte Kaiser Haile Selassie von Äthiopien mit seinem Gefolge
in Warendorf mit einem Sonderzug eintreffen, direkt aus der
Bundeshauptstadt Bonn, wo er mit glanzvollen Staatsbanketts auf Schloss
Benrath geehrte worden war. Er war das erste ausländische
Staatoberhaupt, das der jungen Bundesrepublik einen offiziellen
Staatsbesuch abstattete. Und dieser Staatsbesuch kam in das kleine
Landstädtchen Warendorf - welch eine hohe Ehre.
Unser ansonsten eher trist wirkender Bahnhof war für die Visite
des Negus Negesti, des Königs der Könige, aufs Feinste herausgeputzt:
Roter Teppich, Empfangsbögen, Baldachin und Flaggenschmuck. Selbst die
Schienen waren von einem Sonderkommando poliert worden, damit der
kaiserliche Sonderzug auch zentimetergenau vor dem Treppchen zum Stehen
kam, das auf dem roten Teppich stand.
700 Polizisten, alle mit blank gewienerten Stiefeln und
Tschakos und
25 Kriminalbeamte sorgten für Sicherheit und
Ordnung. Über 200 Journalisten und 100 Photografen und das Fernsehteam
der Wochenschau standen für die Berichterstattung über dieses wichtige
Ereignis bereit.
Pünktlich auf die Minute rollte der kaiserliche Zug in den
Bahnhof ein und der Kaiser erschien am Fenster. Das Empfangs-Komitee
bestand aus Bürgermeister Josef Heinermann, Stadtdirektor Dr. Karl
Schnettler, Landrat Dr. Josef Höchst, dem Regierungspräsidenten Franz
Hackethal, dem Landesminister Dr. Johannes Peters und dem
Bundesernährungsminister Heinrich Lübke.
Auf
dem roten Teppich empfingen zwei Sextanerinnen der Marienschule,
Gabriele Bredenbröker und Anneliese Spiekermann, die Kaiserliche Hoheit
mit einem Gedicht und einem Blumenstrauß. Dafür bekamen sie von ihm
einen Maria Theresien-Thaler in Gold, was für die ersten Ahs und Ohs
sorgte. Nach der Begrüßung hielt Bürgermeister Heinermann eine herzliche
Empfangsrede für den 62 jährigen Monarchen, der in Begleitung des
Kronprinzen und der Kronprinzessin von Harra und des kaiserlichen
Gefolges war.
In
einer langen Autokolonne fuhren die prominenten Gäste im Schritttempo
durch die festlich geschmückte Stadt, 30 Standartenreiter ritten voraus
und Kaiser Haile Selassi folgte in einem Mercedes 300 Cabriolet.
In Höhe der Post ließ der Monarch trotz des trüben
Novemberwetters das Verdeck öffnen, um der Menge für den so begeisterten
Empfang durch würdevolles Winken zu danken.
Über
10.000 Menschen säumten die Straßen der Innenstadt und die 5000
Schulkinder, die schon seit 12 Uhr schulfrei hatten, schwenkten
begeistert die Fähnchen in äthiopischen und deutschen Nationalfarben.
Alle Häuser waren mit Fahnen geschmückt und die Straßen mit Wimpelketten
in Stadtfarben überspannt. Dieses farbenfrohe Bild überdeckte das eher
trübe Novemberwetter.
Im
Innenhof des Landgestüts wurde der kaiserliche Tross vom
Landstallmeister Bresges empfangen, begleitet vom Blitzlichtgewitter der
Presse aus ganz Deutschland und von den Scheinwerfern der Wochenschau.
Nachdem sich der Kaiser wieder würdevoll verneigt hatte, nahm er auf dem
Thronsessel der Ehrentribüne Platz, seine Füße ruhten auf einem
kaiserlichen Kissen. Die kleine Hengstparade, von Obersattelmeister
Juppe vorgeführt und die olympische Lektion, die der Primaner Rainer
Klimke ritt und Landstallmeister Bresges erläuterte, begeisterten den
Kaiser und sein Gefolge. Hier trug sich Kaiser Haile Selassie auch in das
Goldene Buch der Stadt Warendorf ein, natürlich mit einem goldenen
Füller.
Die
nächste Station war die Deula, wo die Tochter des Deula-Ingenieurs
Fischer seiner kaiserlichen Hoheit mit einem Hofknicks gelbe
Chrysanthemen und rote Nelken überreichte. Auch sie wurde mit einer
Goldmünze aus der kaiserlichen Hand belohnt. In der Deula wurden
hochmoderne Landmaschinen vorgeführt, von Kleingeräten für den Garten
bis zu den großen Mähdreschern der Firma Claas. Reich beschenkt mit
deutschen Industrie-Erzeugnissen, wie z.B. einer Buttermaschine der
Firma Westfalia aus Oelde verließ der kaiserliche Sonderzug pünktlich um
16.39 Uhr den Bahnhof in Richtung Hamburg, der letzten deutschen Station
der Reise.
Und
in Warendorf konnte wieder der Alltag Einzug halten, die Polizei und die
Reporter rückten wieder ab, aber bei all denjenigen, die dieses
denkwürdige Ereignis miterleben durften, ruft die Erinnerung noch heute
ein Hochgefühl hervor. Heute weiß man, dass dieser so sehr festliche und
perfekt abgewickelte Empfang des Staatsgastes der Stadt Warendorf einen
großen Imagegewinn brachte. Die wachsamen Augen des Protokollchefs der
Bundesregierung, Hans von Herwarth hatten alles genau registriert.
Quellen: Zeitungsberichte aus der Glocke zusammengestellt im
Sammelband 1 „Warendorf“ 2014
von Werner Offers
Berichte von Zeitzeugen und eigene Erinnerungen
Bilder: Kurt Heinermann erstellt von
Alfred Kaup
Text: Mechtild Wolff