Am Allerheiligen-Sonntag trafen sich auch in diesem Jahr wieder
viele traditionsbewusste Heimatfreunde auf unserem Friedhof, dem Ort der
Ruhe und des Friedens und dem Ort der Erinnerung an liebe Angehörige und
Freunde und an Menschen, die für unsere Stadt bedeutend waren. Ja, unser
Friedhof ist mit seinen vielen historischen und modernen Grabdenkmalen
ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.
Bei den jährlichen Friedhofsrundgängen des
Heimatvereins soll an den Gräbern von klugen und mutigen Warendorfer
Bürgern ihr Einsatz und ihre Bedeutung für unsere Stadt in Erinnerung
gerufen werden.
Am
Grab der Pionierin Clara Schmidt wurde die spannende Geschichte der
Vorkämpferin der Frauenliste lebendig, die 1924, also vor genau 100
Jahren, mit mutigen Warendorfer Bürgerfrauen vier Sitze im
Stadtparlament erkämpfte.
Das Hauptthema des diesjährigen Friedhofsrundgangs
war dann die Entwicklung Warendorfs als Schulstadt, mit einem
Schwerpunkt auf höhere Schulbildung für Mädchen. Es waren natürlich
überwiegend Lehrer und Lehrerinnen, die sich mit ganz viel Herzblut
dafür einsetzten, dass auch in dem kleinen Landstädtchen Warendorf gute
Schulbildung stattfand. In der Volksschule vermittelten tüchtige
Volksschullehrer den Kindern solides Wissen und viele praktische
Fähigkeiten – ihnen muss allergrößte Hochachtung gezollt werde. Sie
legten ein tragfähiges Fundament für die zukünftigen Handwerker,
Beamten, Lehrer und Unternehmer.
Aber das Land braucht auch Ärzte, Juristen und
Wissenschaftler aller Art, bei denen eine Hochschulausbildung
Voraussetzung ist. Dafür ist eine gymnasiale Schulbildung notwendig!
Warendorf hatte da schon eine sehr lange und tragfähige Tradition, es
gab das Gymnasium Laurentianum, eine der ältesten Schulen im
deutschsprachigen Raum, dessen Anfänge bis 1329 zurückgehen. Natürlich
war das Gymnasium nur für Jungen. Lange hatten die jungen Mädchen auch
hier keine Möglichkeit für eine akademische Ausbildung. Erst Pauline
Hentze sorgte mit der Gründung einer höheren Töchterschule dafür, dass
auch sie eine höhere Schulbildung bekommen konnten. 1906 legte dann
Pastor Strumann den Grundstein für die Marienschule, die dann von den
Direktorinnen Dr. Maria Moormann und Therese Kampelmann zum Lyzeum
ausgebaut wurde und 1941 zum Abitur führte. Sie alle leisteten
Pionierarbeit und begründeten den guten Ruf Warendorfs als „Stadt der
Schulen“.
Pauline Hentze | Theresa Kampelmann | Pfarrer Franz Strumann | Dr. Maria Moormann |
Das Laurentianum hatte nach wie vor einen wesentlichen Anteil
an dem anspruchsvollen Bildungsangebot in Warendorf – stellvertretend
für die vielen verdienstvollen Lehrer dieser Schule zeigten ein paar
Episoden aus dem Lehreralltag von Mr. Blum den Geist der Schule.
Nicht unterschätzen sollte man die Bedeutung des
Königlich-Preußischen Lehrerseminars, das seit 1882 die wichtigste
Lehrerausbildungsstätte war, aber auch ein Kulturfaktor für unser
kleines Landstädtchen. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran hatte
Arthur Rosenstengel, der als Musiklehrer nicht nur über 1000 Lehrer
ausbildete, sondern die Warendorfer auch mit spektakulären Konzerten
zusammen mit seinen 10 hochmusikalischen Kindern erfreute. Einen
besonders schönen Abschluss des Rundgangs präsentierte Hermann Grüter
mit dem Abspielen eines Sologesangs aus dem Requiem von Gabriel Fauré –
gesungen von seiner Tochter – sie ist die Ur-Urenkelin von Arthur
Rosenstengel.
Welch ein stimmungsvoller Friedhofsrundgang bei herrlicher
Herbstsonne auf unserem Friedhof mit den liebevoll gepflegten
Grabstätten der verschiedensten Art.
Mechtild Wolff
3. November 2024
Wenn meine Großmutter zum Friedhof gehen wollte, sagte sie: „Ich gehe zum Kirchhof!“ Dieser Name hatte sich eingebürgert, denn seit dem Mittelalter wurden auch in WAF die Toten um die Kirche herum begraben. Die germanisch-keltische Tradition der Gräberfelder außerhalb der Ansiedlungen lehnte man als heidnisch ab, genau wie die Feuerbestattung. Die Gläubigen strebten an, so nah wie möglich bei den Gebeinen ihrer Heiligen, die sich ja in der Kirche befanden, begraben zu werden. Man erhoffte sich so bei der Auferstehung am jüngsten Tage deren Fürsprache.
Eine Bestattung in der Kirche genoss das höchste Ansehen, war aber den kirchlichen Würdenträgern vorbehalten oder den ansässigen Adeligen. Ganz in unserer Nähe, in der Pfarrkirche zu Füchtorf hat sich diese Tradition bis auf den heutigen Tag erhalten. Die Familie von Korff vom Schloss Harkotten hat dort in der Pfarrkirche das Bestattungsrecht. Der Baron Ferdinand von Korff und seine Frau Ludowika sind noch in den letzten Jahren in der Füchtorfer Kirchengruft beigesetzt worden. Damit ist allerdings das Recht, in der Kirchengruft begraben zu werden, erloschen.
In Warendorf fanden die Bürger ihren Begräbnisplatz auf dem geweihten Kirchhof direkt an der Laurentiuskirche und der Marienkirche. Aber längst nicht jeder Verstorbene hatte früher das Recht, in geweihter Erde begraben zu werden. Wer exkommuniziert worden war oder kriminell gewesen war oder einfach nur einem zu niedrigen Stand angehörte, wurde außerhalb der Stadtmauern beerdigt. „Ächter die Hiäge“, sagte man damals. Bettler, Gaukler und Schauspieler bekamen beispielsweise auch keinen Platz auf einem geweihten Kirchhof.
Da der Kirchhof katholisch war, gab es große Schwierigkeiten, wenn ein evangelischer Christ verstarb. Warendorf hatte bis ins 18. Jhdt zwar noch keine evangelischen Bewohner, aber es kam vor, dass jemand verstarb, wenn er hier zu Besuch war oder auch nur auf der Durchreise in Warendorf war. Nur mit großzügigen Ausnahmeregelungen wurde dann eine Beerdigung auf dem Katholischen Kirchhof erlaubt.
Die jüdische Bevölkerung hatte immer schon ihren eigenen Friedhof. Einige Gräber des alten Judenfriedhofes sind heute noch an der Pater-Markötter-Promenade erhalten, direkt neben dem Bentheimer Turm. Der neue jüdische Friedhof liegt an der Hugo-Spiegel-Straße.
Auf dem Kirchhof, der ja um die Kirche herum mitten in der Stadt lag, waren Einzelgräber eine seltene Ausnahme. Die Bestattung fand in der Regel in geweihten Massengräbern statt, nicht zuletzt aus Platzgründen. Besonders in Kriegs- und Seuchenzeiten ergaben sich erhebliche hygienische Gefahren, denn die Massengräber mussten ja für neue Bestattungen täglich geöffnet werden.
Das war besonders problematisch, weil die Kirchhöfe damals ganz normale Lebensräume waren. Man trocknete dort seine Wäsche, das Vieh lief darauf herum und die Kinder spielten auf dem Kirchhof. Die Toten wurden damals auch nicht sehr tief begraben, deshalb war es ganz normal, dass Knochen auf dem Kirchhof herumlagen, mit denen dann die Kinder spielten und an denen die Hunde nagten.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde von den Preußen im Rahmen des Allgemeinen Preußischen Landrechts festgeschrieben, dass innerhalb bewohnter Gegenden keine Leichen begraben werden dürfen.
Ab 1810 war es auch in Warendorf nicht mehr erlaubt, die Toten innerhalb der Stadtmauern zu begraben. Hier an dieser Stelle entstand der erste Friedhof außerhalb der Stadt. Er bestand bis 1888. Lange gab es hier viele alte Grabmäler, die leider um 1930 beseitigt wurden. Als einziges ist das Grabmal von Franz-Joseph Zumloh erhalten geblieben, ein eindrucksvoller Obelisk, der in der Mitte des Parks steht. Er ist das älteste erhaltene Grabmonument in Warendorf, denn es steht hier seit 1854.
Wer war dieser Franz Joseph Zumloh? In den letzten Wochen ist Ihnen in der Presse der Name oft begegnet im Zusammenhang mit den unrühmlichen Affairen um das Warendorfer Krankenhaus.
Geschichte Zumloh
Nun sind wir auf dem Bauernfriedhof. Er ist älter, als der Städt. Friedhof und wurde schon 1821 von den Bauern der Warendorfer und Sassenberger Bauernschaften angelegt. Noch bis zum heutigen Tage wird er selbständig verwaltet und es dürfen nur Bewohner der Bauernschaften hier begraben werden. Es lohnt sich, einen geruhsamen Gang über diesen schönen Friedhof zu machen. lange war er auch optisch stärker vom allgemeinen Friedhof abgetrennt durch eine Birkenallee, die allerdings vor mehreren Jahren abgeholzt wurde.
Um 1880 wurde der Friedhof am Osttor zu klein und man legte diesen heutigen Friedhof hier an der Breiten Straße an, wie wir schon gehört haben, neben dem schon lange bestehenden Bauernfriedhof.
Aus dem Kirchhof war ein Friedhof geworden. Das Wort Friedhof hat aber nichts mit dem Frieden dieses Ortes zu tun, es weist darauf hin, dass es sich um einen eingefriedeten Bereich zur Bestattung der Toten handelt.
Unser Warendorfer Friedhof ist ein ganz besonders schöner Friedhof. Er zeichnet sich aus durch das Nebeneinander von alten und modernen Denkmälern. Gerade diese Mischung, zusammen mit dem schönen alten Baumbestand macht ihn so reizvoll und lädt zum Spazieren gehen und zum Verweilen ein. Für Menschen, die einen lieben Angehörigen oder Freund verloren haben, ist es ein wohltuender Ort der Trauer und der Ruhe und eben des Friedens, aber auch ein Ort der Begegnung mit Menschen, die in der gleichen Lebenssituation sind.
Im
Februar dieses Jahres stellte der Heimatverein Warendorf in einem Brief
an den Bürgermeister den Antrag, das Grabdenkmal der Familie Dr. Kaloff
in die Denkmalliste einzutragen. Den Anstoß dazu gab ein kleines Schild
auf dem Grab, das auf den Ablauf der Nutzungsrechte hinwies. Wird in
einem solchen Fall dieses von eventuell noch lebenden Nachfahren nicht
verlängert, wird die Grabstelle aufgegeben und der Grabstein wird zum
Schreddern gegeben. Damit werden nicht nur Erinnerungen an Menschen
ausgelöscht, es werden auch historische und kunstgeschichtlich
bedeutende Zeugnisse unserer Friedhofskultur für immer beseitigt. Um
diesen drohenden Verlust spürbar werden zu lassen, sollen einige
besonders herausragende Grabanlagen vorgestellt werden:
Sanitätsrat Dr. Johannes Kaloff (1862-1930) war ein beliebter
Warendorfer Hausarzt, der für die Bürger Tag und Nacht zu sprechen war.
Er verlor beide Söhne im Ersten Weltkrieg, seine Frau starb 1946, seine
Tochter 1976. Mit ihr starb die Familie aus. Die beeindruckende
Grabanlage hält die Erinnerung an schwere Zeiten und Schicksale wach und
ist Mahnung für die Lebenden.
Die Begräbnisstätte der Familie Kaloff, errichtet im
strengen neo-klassizistischen Stil der 30er-Jahre, ist zugleich
ein Beispiel für Friedhofsmonumente vergangener Zeiten, die der
Heimatverein für erhaltenswert hält. Eugenie Haunhorst[1]
hat in ihren Lebenserinnerungen zu den hier beerdigten bedeutenden
Warendorfern und zur Entstehung der Grabanlagen lesenswerte Beiträge
geschrieben. So ließ sich die Goldschmiede-Familie Miele eine Gruft
mauern, die von einer schweren Eisenkette umgrenzt wird. Das Grabmal aus
italienischem Marmor zeigt die Kreuzigungsszene, umrahmt von schwarzem
Granit.
Bürgermeister Wilhelm Diederich erhielt bei seinem Tode 1910
als Dank von der Stadt eine Gruft mit einem aufwendig gearbeiteten
Eisengitter. (Die Grabstätte ging später in den Besitz der Familie
Lepper über.) Bei anderen Gräbern wurden eiserne Ketten und Gitter
während der Kriegszeit entfernt und einer anderen Verwendung zugeführt.
Viele
Friedhofskreuze, Grabsteine und Monumente legen Zeugnis des christlichen
Glaubens ab. „Er ist auferstanden“ ist unter dem Relief auf dem
Grabstein der Familie Kaloff zu lesen. Es zeigt die Engel und die Frauen
am leeren Grab Jesu. Andere Inschriften, den Älteren vertraut und
tröstlich, geraten in ihrer Bedeutung langsam in Vergessenheit: R. i. P.
, Alpha und Omega (Foto 5), die ebenfalls ursprünglich griechischen
Buchstaben X, P und J, H, S für Christus und Jesus; die
Symbole Kreuz, Anker und Herz für Glaube, Hoffnung und Liebe, die
Kreuzinschrift INRI u.a. Sie sind ein Stück Friedhofskultur, die
verlorenzugehen droht.
Mit
den alten Grabsteinen und ihren Inschriften geht auch die Liebe zum
Detail verloren. Spärlich verzierte Grabsteine, in Größe und Form
genormt, teilen uns heute auf polierter Marmorfläche oder auf
rauem Granit lediglich Name und Lebensdaten mit. Reichlich
verziert dagegen sind die Steine vergangener Zeiten. Sie scheinen eine
beschwingte Zuversicht auszudrücken und heben sich wohltuend von den oft
düsteren Blöcken auf neueren Gräbern ab.
Traurig dagegen stimmen die Grabsteine, die in den Jahrzehnten
unter den Witterungseinflüssen gelitten haben, so dass Inschriften und
Ornamente kaum noch zu erkennen sind . Sie dürften nicht mehr zu retten
sein.
Den Friedhof auf der Breiten Straße gibt es seit 1890. Seine
Vorgänger waren der Friedhof am Osttor, 1812 angelegt, von dem nur noch
die Stele zum Gedenken an Franz-Joseph Zumloh (1764-1854), den Stifter
des Krankenhauses, übriggeblieben ist, und die Kirchplätze um die
Laurentius- und Marienkirche. Auf dem Kirchhof an der Marienkirche fand
1813 die letzte Beerdigung statt. Auf dem Kirchhof der Laurentiuskirche
wurden bis 1678 auch Sassenberger begraben, „bis der Ort 1678 zur
eigenen Pfarrei erhoben wurde“[2].
Das Sassenberger Kreuz in der Kirche erinnert daran.
Über die jüdische Gemeinde Mitte des 15. Jahrhunderts schreibt
Zuhorn, dass sie „so klein gewesen sein wird, dass sie kaum eine
Synagoge und einen Friedhof besessen“ hat.[3]
Mit dem Anwachsen der Gemeinde im 17. Jahrhundert, so vermutet Zuhorn,
„begruben sie ihre Leichen außerhalb der Wälle an abgelegenen Orten“[4],
„vielleicht auch in ihren Gärten“[5].
1772 wurde für die jüdische Gemeinde ein Begräbnisplatz am Bentheimer
Turm angelegt, der 1823 geschlossen wurde, da sich innerhalb der
Ortschaften keine Friedhöfe mehr befinden durften. Die Gemeinde bekam
ein Grundstück an der Gerberstaße zugewiesen, auf dem 1987 mit Hugo
Spiegel der letzte Warendorfer jüdischen Glaubens beerdigt wurde. Vor
allem hier besteht die Verpflichtung, die Grabsteine, die Gedenktafel
und die gesamte Begräbnisstätte in einem würdigen Zustand zu erhalten.
Es sei noch erwähnt, dass bis zum 16. Jh. Im Norden der Stadt
ein Friedhof existierte, „der Fremden, Unterprivilegierten, aber
zeitweise auch den in der Stadt lebenden Reformierten als Grablege
diente“.
[6]
„Die Kultur eines Volkes wird auch danach beurteilt, wie es
seine Toten bestattet“[7].
Dieser Gedanke sollte uns leiten, wenn es um den Erhalt der Friedhöfe
und ihrer Grabdenkmäler geht.
[1] Eugenie Haunhorst, Vom Kirchhof zum Friedhof, Manuskript , Warendorf 2003
[2] R. Jüstel, Kirchengeschichte Warendorfs …, in: Gesch. der Stadt Warendorf, hrsg. v. P. Leidinger, Bd.1, Warendorf 2000, S. 424
[3] W. Zuhorn, Kirchengeschichte der Stadt Warendorf, Bd. I, Warendorf (Schnell) 1918, S. 391
[4] W. Zuhorn (s. 3), S. 392
[5] W. Zuhorn (s. 3), S. 394
[6] P. Leidinger, Von der Stadtmark zum Stadtnebenzentrum, in: Warendorfer Schriften, 1/1971, S. 1
[7] Untertitel des Buches „Du fehlst mir…“, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof, Ulm 2008
1. Umschlagseite
Fettmarkt,
das war ein Höhepunkt in unserem Kinderleben.
Ich bin am Münsterwall aufgewachsen und erlebte
den Trubel aus nächster Nähe. Auf dem
Wilhelmsplatz fanden der Viehmarkt und die
Kirmes statt, die
Münsterstraße war auf beiden Seiten mit den
Ständen der Händler belegt und auf dem
Marktplatz boten die Bauern Kartoffeln, Kappes
und vieles mehr an. Direkt vor unserem Haus
baute der Lebkuchenbäcker Dammann aus
Harsewinkel seine große Bude auf. Er bekam von
uns Strom für die Beleuchtung des Standes. Dafür
gab es für uns Kinder am Abend eine große Tüte
Pfeffernüsse, die Spezialität des Hauses.
Ich
erinnere mich noch heute an den köstlichen
heißen Berliner, den Frau Werner meiner
Schwester Maria und mir einmal schenkte. Sie
hatte vor ihrem Haus an der Münsterstraße einen
Stand aufgebaut und verkaufte Berliner für ihren
Sohn, der eine Bäckerei in der Brünebrede hatte.
Manchmal verkaufte der Sohn auch selber.Der
Böttcher und Küfer Berger von der Molkenstraße
bot seine Holzerzeugnisse an: Holzfässer für
Sauerkraut, Butterfässer, Waschfässer und Wannen
jeder Größe und alle Holzgeräte für Haus und
Hof. Daneben stand in jedem Jahr der Wagenbauer
Schwarte von der Brünebrede. Hier suchte man
sich die neue Kutsche, den zweirädrigen Gig oder
den neuen Bollerwagen aus.
Das alles registrierten wir nur im Vorbeigehen.
Unser wichtigstes Ziel war die Kirmes. Von
unseren Eltern hatten wir 50 Pfennig Kirmesgeld
bekommen und unser Besuch bei Onkel Bernhard
hatte uns noch einmal 50 Pfennig eingebracht.
Eine ganze Mark – jetzt träumten wir von 10 mal
Kettenkarussell fahren. Zuerst kamen wir an dem
herrlich bunt bemalten Kinderkarussell vorbei,
die kleinen Sitzbänkchen waren mit vielen
Spiegeln zauberhaft verziert. Auf den
Holzpferdchen ritten stolz die Kleinen ihre
Runden. Opa fuhr zur Sicherheit mit und stützte
den Rücken.
Schwerarbeit musste das Pferd leisten, das
den ganzen Tag um die Mittelachse des
Kinderkarussells trottete und es so zum Drehen
brachte. Nur beim Ein- und Aussteigen der
kleinen Gäste hatte das Tier eine kurze
Verschnaufpause. Erst Ende der Zwanziger Jahre
gab es elektrischen Antrieb für die Karussells.
Unser erstes Ziel war die „Kaffeemühle“. In
einer Trommel, etwa einen halben Meter hoch,
saßen zwei Kinder auf dem Rand und drehten im
Uhrzeigersinn das kleine Rad in der Mitte. Die
Trommel drehte sich in Gegenrichtung. Mit dem
Rad konnte man das Tempo bestimmen. Je
schneller, um so schöner! Später gab es den
„Teller“ auch die „Scheibe“ genannt. Das war ein
besonderes Gaudi und für junge Leute eine Art
Sport. In einem großen Zelt stand eine drehbare
Scheibe mit einem Durchmesser von 7-8 Metern.
Die Mitte war etwas erhöht. Rund um die Scheibe
herum war ein gepolsterter, ca. 50 cm hoher Rand
angebracht. Beim Startpfiff kletterten die
Jugendlichen über diesen Rand und suchten sich
einen Platz möglichst weit in der Mitte. Unter
lauter Musikbegleitung begann sich die Scheibe
zu drehen. Erst langsam, dann immer schneller.
Die außen Sitzenden wurden schnell an den Rand
geschleudert. Das Gejuchze wurde immer lauter,
die Platte drehte sich schneller und leerte sich
schneller. Erst wenn der Letzte aufgeben musste,
war das Spiel zu Ende und der Sieger wurde
lautstark gefeiert. Eine spannende Attraktion!
Dann gingen wir zur Schiffschaukel! Am
schnellsten brachte man die Schaukel zu Zweit in
Schwung. Wir schaukelten so lange, bis sie fast
waagerecht stand. Unsere Mutter sagte uns immer,
das sei ein Sport für Jungen! Ich glaube, sie
wollte nicht gern, dass unsere Röcke so flogen.
Hosen gab es damals für Mädchen noch gar nicht.
Und dann der Höhepunkt: Das Kettenkarussell! Wie
herrlich war es, fest in dem Kettensitz sitzend,
durch die Luft zu fliegen. Wir überblickten den
Kirmesplatz, konnten unser Haus und die
Marienkirche sehen - uns lag ganz Warendorf zu
Füßen. Darauf hatten wir uns so lange gefreut
und zahlten gern noch einmal 10 Pfennig für
dieses Vergnügen.
Eine unserer Freundinnen sagte einmal: „Ach wäre
ich doch ein Kettenkarussellkind, dann könnte
ich immerzu mit dem Kettenkarussell durch die
Luft fliegen.“ In der Schule hielt sie dann
Ausschau nach den „Kirmeskindern“, die während
ihres Aufenthaltes in Warendorf unsere Schule
besuchten. Vielleicht war ja ein
Kettenkarussellkind dabei!
Schade, bald war unser Kirmesgeld zu Ende. Also
gingen wir auf den eigentlichen „Fettmarkt“.
Hier verkauften die Bauern ihre fetten Tiere. In
Gehegen und Käfigen sahen wir eine reiche
Auswahl von Schweinen, Schafen, Hühnern und
Kaninchen. An Eisenstangen waren Pferde, Kühe,
Kälber und Ziegen angebunden. Es wurde gehandelt
und gefeilscht und jeder Kauf mit einem Schnaps
begossen. Zur Stärkung gab es zwischendurch eine
deftige Portion Töttchen mit einem Brötchen.
Mutter Hagemeyer hatte vor der Metzgerei am
Wilhelmsplatz einen Töttchen- und
Knackwurststand aufgebaut.
Für den Erlös des verkauften Viehs deckten sich
die Bauern sofort mit dem notwendigen Bedarf an
Hausrat und Winterbekleidung ein. Im Textilhaus
Hunkemöller an der Oststraße konnte man solide
Wintersachen für die ganze Familie und auch
Betten in guter Qualität einkaufen. Besonders
beliebt war die warme Bleyle-Unterwäsche in
unverwüstlicher Qualität. Kleine Jungen
verteilten überall in der Stadt Reklamezettel
und machten darauf aufmerksam, dass von der
Stadtmitte aus kostenlose Kutschfahrten zu
Hunkemöller am Osttor angeboten wurden.
Wir schoben uns mit viel Vergnügen und Drängeln
– das machte uns besonders viel Spaß - durch die
Menge auf der Münsterstraße. An der Ecke vor
Breuers Haus stand viele Jahre lang eine ältere,
wohlbeleibte Frau mit ihrer Drehorgel unter
einem Sonnenschirm. Sie sang mit kräftiger
Stimme moderne Schlager und altbekannte
Moritaten. Für 10 Pfennig verkaufte sie den Text
ihrer Lieder, damit die begeisterten Zuhörer
mitsingen konnten, was wir auch kräftig taten.
Daneben stand ein Entfesselungskünstler mit
seinem Eisenkäfig, in dem er sich anketten und
einsperren ließ. Zum Erstaunen der Zuschauer
konnte er sich jedes Mal wieder befreien.
Zu dieser Gruppe gehörten auch zwei Ringer, die
ihre Kräfte zeigten. An vielen Ständen in der
Münsterstraße blieben wir stehen, um die
lustigen Anpreisungen der Marktschreier hören.
Unsere letzte Station war der Marktplatz. Hier
trafen wir unsere Mutter, die gerade bei ihrem
Kartoffelbauern 20 Zentner Kartoffeln für den
Winter bestellte. Ihren Bollerwagen hatte sie
schon hoch beladen mit Kappes-Köppen, die sie
von dem großen Wagen vor der Apotheke gekauft
hatte. Nun wussten wir: In den nächsten Tagen
beginnt die Sauerkrautproduktion. Die Tontöpfe
standen schon frisch gereinigt bereit, die
kleinen Leinentüchlein waren fertig
zugeschnitten. Für zwei Stunden mieteten wir
dann bei Borgmann in der Königstraße die
Sauerkrautschabe. Alle Kinder mussten beim
Hobeln helfen und beim Stampfen des Krautes im
Tontopf. „Es muss sich so viel Krautsaft bilden,
dass die obere Schicht Kraut im eigenen Saft
steht,“ schärfte uns unsere Mutter ein. War das
geschafft, deckten wir alles mit dem
Leinentüchlein ab und beschwerten die Krautmasse
mit einem blitzblanken Marmorstein. Nach drei
Wochen konnten wir das erste Sauerkraut essen.
Das waren bei uns die Nachwirkungen vom
Fettmarkt.
Bilder: Archiv der Altstadtfreunde Warendorf und
Archiv Haunhorst
Aus Anlass des Denkmaltages am 8. 9. 2024:
Motto: "Wahrzeichen - Zeitzeugen der Geschichte"
Der Warendorfer Bürger-Schützenhof – eine
Erfolgsgeschichte mit traurigem Ende
Der erste große Stadtbrand von Warendorf aus dem Jahre 1404
Das Portrait: Joos Brandkamp, Kirchen- und Kunstmaler
(1905 - 1983)
von Mechtild Wolf
100 Jahre Frauenwahlrecht - Erinnerungen an Clara
Schmidt in Warendorf und die Frauenbewegung
Clara Schmidt und die Frauenliste
Fakten und Historie
Verleihung des Heimatpreises der Stadt Warendorf an den Heimatverein Warendorf
Dankesworte des Heimatvereins zur Verleihung des Heimatpreises 2023
Gurt vettig Lüe bin Krinknommdag
Das Gadem am Zuckertimpen 4 – ein „Kleine-Leute-Haus“ ein Leitfaden, nicht nur für Kinder
Waffelnbacken im Gadem
Westfälisch Platt:
von Franz Schulte Nahrup
Friedhofsrundgang des Heimatvereins mit Mechtild Wolff
Klönsonntag mit Mechtild Wolff
Zum Tag des offenen Denkmals:
Die Gesellschaft Harmonie in Warendorf
Heimatfest Mariä Himmelfahrt
Erlebte Geschichte: Mariä Himmelfahrt in den 1920er
Jahren von Eugenie Haunhorst
Unser engagiertes Ehrenmitglied Kurt Heinermann verstarb
im Alter von 91 Jahren
Anni Cohen und ihre Familie - von Warendorf nach Südafrika und Palästina
von Mechtild Wolff
Eduard Elsberg erbaute das erste große Kaufhaus in Warendorf
von Mechtild Wolff
Der
Elsbergplatz
von Dr. Bernward Fahlbusch
Das Fahrrad, ein wertvoller Besitz
von Eugenie Hauenhorst
Traditionelles Struwenessen an Karfreitag im Gadem am Zuckertimpen
Filmvorführung des Heimatvereins: "Als Warendorf sich wieder machte..."
Neujahrsgruß des Heimatvereins
Warendorfer Schriften Band 51/52 neu erschienen
Aus der Warendorfer Eisenbahngeschichte:
Der "Neue Bahnhof" in Warendorf von Mechtild Wolff
Aus der Warendorfer Eisenbahngeschichte:
Der "Alte Bahnhof" in Warendorf
Der Warendorfer Friedhof - Spiegel der Stadtgeschichte
Gebr. Hagedorn und Co, eine Landmaschinenfabrik mit Eisengießerei
Das Dezentrale
Stadtmuseum
ist in der Regel an Sonntagen von 15:00 - 17:00 Uhr geöffnet. Dazu
gehören das Rathaus, das Bürgerhaus Klosterstraße 7 mit den
handgedruckten Bildtapeten und das Gadem am Zuckertimpen 4
Der Eintritt ist frei.