Erlebte Geschichte in Warendorf
Die Flussbadeanstalt
von Eugenie Haunhorst

 

 

„So läuft sie denn seit Jahrhunderten durch das weite Land, die gute alte Ems. Auch an der Stadt Warendorf fließt sie vorüber und hat immer regen Anteil am Leben der Stadt genommen. Ja, sie prägte unser Stadtbild.“ So schrieb Paula Telker, Tochter des ersten Bademeisters Josef Telker.

Die Ems bot früher den Bewohnern der Stadt Warendorf die einzige Möglichkeit, sich an heißen Tagen durch ein kühles Bad zu erfrischen. Baden oder sogar schwimmen im Fluss war jedoch sehr gefährlich, denn die Untiefen der Ems wechselten nach jedem Hochwasser.
Auch Kahnpartien waren sehr beliebt. So starteten 1882 einige junge Männer zu einer Bootsfahrt von Warendorf nach Telgte. Es ging um eine Wette. Nach 3,5 Stunden hatten sie Telgte erreicht und die Wette gewonnen. Beim Gang durch die Stadt erblickten sie ein Schild mit der Aufschrift:
„Aktion Badeanstalt Telgte“ Man war begeistert von der Idee. Was die Telgter können, müsste den Warendorfern auch gelingen. Es wurde viel diskutiert, dafür und dagegen. Ein ganz Altkluger meinte:

„ Jäe, jäe! Laot dat Water ut den Buuk un den Buuk ut dat Water“.
(Ja, ja, lass das Wasser aus dem Bauch und den Bauch aus dem Wasser.)

Heimatverein Warendorf: Die Warendorfer Flussbadeanstalt 1886Der wohlgemeinte Rat wurde nicht befolgt. In der Stadt wohnte der Rentner Oskar Eylardi. Er war ein aufgeschlossener Mann und hatte für gemeinnützige Angelegenheiten ein offenes Ohr. Es gelang ihm eine „Warendorfer Badeanstalt AG“ zu gründen. So kam die Sache in Schwung.

Die Badeanstalt sollte in die Ems gebaut werden, oberhalb der Stadt an der Klosterpromenade in der Nähe des Bentheimer Turms, wo heute das Marienheim steht. Es wurde eine Floßbadeanstalt geplant, ein auf Tonnen schwimmender Bretteraufbau. Die Firma Ahmerkamp wurde mit den Bauarbeiten betraut. Am 13.Juni 1886 konnte die Floßbadeanstalt feierlich eröffnet werden.
Trotz aller Unkenrufe hieß es nun:

Laot dat Water ut den Buuk
un den Buuk ut dat Water.
De Düwel hal dat aolle Gequater!
Water von innen un buten hölt jung.
Harin in de Iemse met frisken Sprung.
Doch miärk: Hier wet kien Undocht driewen,
süß wett ju dat Fell afriewen.

Lass das Wasser aus dem Bauch
und den Bauch aus dem Wasser.
Der Teufel hole das dumme Gerede.
Wasser von innen und außen hält jung.
Herein in die Ems mit frischem Sprung.
Doch merkt, hier wird kein Unsinn getrieben,
sonst wird Euch das Fell abgerieben.


So ging der Badebetrieb los. Josef Telker wurde erster Bademeister und sorgte für die nötige Ordnung und das Wohl seiner Badegäste. Seine Frau half ihm dabei. Herr Telker hatte während seiner Militärzeit bei den 13ern in Münster seine Schwimmmeister-Prüfung abgelegt. Vielen Warendorfern hat er die Schwimmkünste beigebracht.

Wie sah die Badeanstalt aus?
Sie schwamm auf Tonnen, die zwischen Balken festgehalten wurden. Das gesamte Floß war mit Ketten zu beiden Seiten am Ufer der Ems befestigt. Das Bassin war der Mittelpunkt der Anlage und wurde von den Ankleidezellen umgeben. Durch Holzgitter floss das Emswasser in das Bassin. Für die Freischwimmer öffnete sich an der Ostseite eine große Tür zur freien Ems. Rote Fähnchen am Ufer steckten die Grenzen für die Freischwimmer ab, wenn auch mancher Schwimmer in Versuchung kam, etwas weiter um die Ecke zu schwimmen.

Es gab neben dem großen Schwimmbecken noch einzelne kleine Badekabinen. Sie lagen am Ende des schwankenden Holzsteges. Da ein Badezimmer in der Wohnung noch eine große Seltenheit war, erfreuten sich die Badekabinen großer Beliebtheit. Meine Mutter hat mich als kleines Mädchen oft mitgenommen in dieses Reinigungs- und Erfrischungsbad. Der kleine Raum hatte bis zur Hälfte einen Bretterboden mit einer Sitzbank, auf der man auch die Kleider ablegte. Über eine steile Leiter stieg man in das Emswasser und stand auf einem Holzboden. Frisches Wasser floss ständig durch die Holzlatten. Beim ersten Mal rutschte ich auf dem glatten Holz aus und lernte das Wasser von unten kennen. Mutter zog mich schnell hoch. Der Schrecken war groß, konnte aber meine Freude am Plantschen im Wasser nicht trüben. Vergessen habe ich diesen Schreck nie.

Die Badezeiten waren streng geregelt. Herren- und Damenbaden wechselten sich ab.
Die Badefreudigkeit der Jugend war besonders groß. Die Mädchen durften von 2 bis 4 Uhr baden, von 4 bis 6 Uhr waren die Jungen an der Reihe. Schon lange vor 2 Uhr standen wir Mädchen vor dem verschlossenen Badeanstaltstor in der Promenade, bis der Bademeister mit dem Schlüssel kam. Wenn Vater Telker oder auch seine Frau in Sicht waren, teilte sich die Mädchenschar und bildete eine Gasse. Frau Telker war immer dunkel gekleidet, trug einen langen Rock und mit einer Schürze. In unseren Augen war sie eine sehr alte Frau. Am Arm hatte sie ein Körbchen mit der Kaffee-Mahlzeit.
Wie der Sturmwind sausten wir in die Umkleidekabinen und dann ins Wasser. Wir wollten keine Minute vergeuden. Zwei Stunden vergingen schnell.
Heimatverein Warendorf: Spielplatz der Warendorfer Flussbadeanstalt um 1920Die meisten Kinder lernten Schwimmen ohne offizielle Anleitung. Es gehörte einfach dazu wie das Radfahren. Unserem Vater - er war Lehrer an der Münsterwallschule - war es aber eine wichtige Aufgabe, den Schülern im dritten und vierten Schuljahr das Schwimmen beizubringen. Die Warendorfer Kinder spielten nämlich gern in der Nähe der Ems, und leider ertranken immer wieder Kinder in dem tückischen Fluss. Die wechselnden Tiefen der Ems waren eine große Gefahr für die Nichtschwimmer.
Im Sommer wurde die Sportstunde ins Freibad verlegt. Vater trug dann einen ganz modernen Badeanzug aus schwarzer Wolle, ähnlich wie ihn die Damen trugen, nur ein Träger wurde über die Schulter gelegt, der andere fiel locker herunter. So war es schick in den Zwanziger Jahren.
Der Aufbau der Floßbadeanstalt im Frühjahr und der Abbau im Herbst verursachten jedes Jahr große Kosten. Nach 40jährigem Betrieb der Floßbadeanstalt suchte man eine nicht so aufwändige Lösung.

Die neue Flussbadeanstalt
Am 14. April 1926 wurde die neue Flussbadeanstalt eröffnet. Bademeister Telker und seine Frau feierten gleichzeitig ihr 40-jähriges Dienstjubiläum. Ihnen war es zu verdanken, dass in all den Jahren kein Unglücksfall in der Emsbadeanstalt Heimatverein Warendorf: Warendorfer Flussbadeanstalt - Sprungbretter um 1926vorgekommen war.
In der neuen Badeanstalt waren die Ankleidezellen nun um eine Liege- und Spielwiese herum gebaut. Das Bassin wurde in das Ufer gemauert, nur die Emsseite hatte ein Holzgitter zum Einlass des Wassers. Mit einem dicken Seil war das Becken für Nichtschwimmer und Schwimmer geteilt, der Zementboden war entsprechend schräg gebaut.  Neben dem Becken führte eine Treppe in die freie Ems. Man musste einen Freischwimmschein vorweisen können, um in der „ freien Ems“ schwimmen zu dürfen. Die Freischwimmer durften auch die Sprungbretter benutzen und einen „ Köpper“ vom Ein-Meter-, Zwei-Meter- oder Drei-Meter-Brett machen. Mitten in der freien Ems lag ein langer, glatter Baumstamm verankert. Mit all diesen Möglichkeiten war das Baden ein großes Vergnügen für Jung und Alt.


Eine Neuerung sorgt für Unruhe in der Bevölkerung: Unsere Badeanstalt wurde zum Familienbad. Das Baden nach Geschlechtern getrennt hatte ein Ende. Jetzt konnten endlich die Familien gemeinsam zum Schwimmen gehen. An heißen Sommertagen gab es so Heimatverein Warendorf: Warendorfer Flussbadeanstalt 1926viele Badefreunde, dass auf der Liegewiese kaum ein freier Platz zu finden war. Sorgen machte die zunehmende Verschmutzung des Emswassers. In früheren Jahren konnten wir den Stein, nach dem wir tauchen wollten, auf dem Grund der Ems liegen sehen.
Bis 1933 sorgte das Ehepaar Telker für Ordnung in der Flussbadeanstalt, wegen des großen Andrangs mit Hilfe von Tom Schmillenkamp, der nach dem Tod von Josef Telker neuer Bademeister wurde.

In der Kriegs- und Nachkriegszeit wurde unser Freibad unter wechselnder Leitung geführt. Viele Warendorfer erinnern sich lebhaft an die Bademeister Bernhard Kieskemper, Lörchen und Otto Kamphans. Über 70 Jahre lang hat die Flussbadeanstalt vor allem der Warendorfer Jugend in den Sommermonaten viel Freizeitspaß gebracht. Die Ems lieferte unermüdlich und kostenlos frisches Wasser.

1956 war dann das Baden im Flusswasser nicht mehr zeitgemäß und die Flussbadeanstalt wurde geschlossen. Die Stadt Warendorf errichtete 1959 auf der anderen Emsseite ein modernes Freibad.

Den Mitgliedern der „Warendorfer Badeanstalt-Aktien-Gesellschaft“ ist es zu verdanken, dass Warendorf schon frühzeitig einen geregelten Badebetrieb hatte. Seit 1919 war Hermann Josef Brinkhaus ihr rühriger, langjähriger Vorsitzender.
Heimatverein Warendorf: Flussbadeanstalt - BadevergnügenErst 1936 übernahm die Stadt die Warendorfer Badeanstalt AG.
Die Warendorfer Bürger haben diesem tatkräftigen Vorstand auch die Einrichtung einer Warmwasser-Badeanstalt zu verdanken. Es gab damals in den Häusern nur wenige Badezimmer, darum war es wichtig, auch im Winter öffentliche Bademöglichkeiten anzubieten.

1909 wurde an das Wohnhaus der Familie Telker im Zuckertimpen 14 eine kleine Warmwasser - Badeanstalt angebaut. Die Anlage bot vier Wannenbäder und sechs Duschen an. Sie war ganzjährig geöffnet, außer im Hochsommer.
Mein Vater nahm oft ein Wannenbad, wir Kinder begnügten uns mit der Dusche, das war billiger.
Im Herbst 1936 wurde diese Einrichtung geschlossen. Die Stadt verlegte die Warmwasser-Badeanstalt in die Volksschule an der Klosterstraße. Bis in die 50er-Jahre wurde diese Einrichtung rege genutzt, gemeinsam mit der Jugendherberge, die auch im Keller der Schule untergebracht war.

  

Die Autorin Eugenie Haunhorst geb. Göcke wurde 1912 in Warendorf geboren und wuchs in einer Lehrerfamilie mit vier Geschwistern auf. Im Alter von 90 Jahren begann sie, Erinnerungen aus ihrem Leben im Warendorf der 1920er Jahre aufzuschreiben. Sie starb 2016 im Alter von 103 Jahren.

 

Bilder: Archiv der Altstadtfreunde Warendorf

Erlebte Geschichte in Warendorf
Vom Eisschrank zum Kühlschrank
von Eugenie Haunhorst

Eugenie als Schülerin 1921Wie stolz waren wir, als wir vor 50 Jahren unseren ersten Kühlschrank bekamen. Erfindergeist und die Elektrifizierung hatten den Schritt vom Eisschrank zum Kühlschrank gemacht. Der Eisschrank war etwa ab 1900 eine nützliche Einrichtung für Hotels und Großbetriebe. Heimatverein Warendorf: Eiskeller an der KolkstiegeDiese Kühlmöglichkeit wurde durch Eis, natürliches und später künstliches, möglich gemacht. Auch in einigen Privathaushalten gab es diese recht unförmigen Eisschränke, die sehr teuer waren. Der Nutzraum war klein, denn dieser Schrank wurde mit Eis gefüllt.

Aber woher kam das Eis? In Warendorf war das Wasser der Ems hier sehr nützlich. Ich gehe mit meiner Erzählung zurück in die 20er-Jahre. Die Winter waren damals sehr kalt, 20 Grad unter 0 waren damals keine Seltenheit. Die Ems war wochenlang zugefroren. 1927 und 1928 konnten wir über drei Wochen lang auf der zugefrorenen Ems Schlittschuh laufen. Natürlich oberhalb des Wehres, also liefen wir von der Emsbrücke bis zur Herrlichkeit oder bis zu Bauer Sechelmann in Vohren. Unterhalb der Stadt gab es den Emskamp, einen toten Emsarm am Münstertor, am Ende der Fischerstraße gelegen. Ein etwa drei Meter breiter Uferweg trennte diesen alten Emsarm von der nördlich vorbeifließenden Ems.

Heimatverein Warendorf: Ausssägen von EisblöckenBei jedem Hochwasser füllte sich der Emskamp bis zum Rand mit Wasser aus der Ems. Auf diesem stehenden Gewässer bildete sich bei Frost eine dicke Eisdecke..
Der Eiskellerbesitzer Ahlke heuerte Kötter und Landwirte an, die sogenannten Eisbauern, die in mühevoller Arbeit dieses Eis in seinen Eiskeller brachten. Die starken Männer sägten oder sprengten Löcher in die Eisdecke und zogen mit Eisharken die großen Eisstücke heraus und brachten sie oft mit schwerem Gerät an Land.

Große Kastenwagen wurden mit dem Eis beladen. Zwei dicke, schwere Belgier Pferde mussten harte Arbeit leisten, wenn sie den Wagen die hartgefrorene Böschung am Emskamp hochzogen. Mit anspornenden Zurufen und Peitschengeknall ratterte das Pferdefuhrwerk dann über die Brinkstraße, den Wilhelmsplatz, durchs Münstertor, über den Münsterwall, um die Neue Kirche herum und durch die Hohe Straße zu Ahlkes Eiskeller an der Kolkstiege. Diese mit Eis beladenen Wagen donnerten mehrmals am Tage über das gefrorene Steinpflaster an unserem Haus vorbei und erregten immer wieder das Interesse von uns Kindern. Wir liefen hinter dem Wagen her bis zum Emskolk und beobachteten voller Spannung, wie das Eis durch Fensterlöcher über Holzrutschen in die Tiefe des Kellers befördert wurde. Setzte Tauwetter ein, wurden die Fenster des Eiskellers schnell zugemauert. Heimatverein Warendorf: Eisbauern ziehen ausgesägte Eisblöcke aus den Teichen

Dieser Eiskeller war so kalt, dass die Eisblöcke bis zum nächsten Winter gefroren blieben.
Bis heute ist der fensterlose Bau des Eiskellers an der Kolkstiege zu sehen. Besonders im Sommerhalbjahr brachte die Nutzung des Eises Arbeit und Verdienst. Im Innenhof der Firma Ahlke an der Lüningerstraße wurde die schwere Eisentür zum Eiskeller geöffnet und das Eis nach Bedarf herausgeholt.

Eisschränke mussten regelmäßig mit neuem Eis befüllt werden. Die Versorgung klappte auf Bestellung. Ein starker Mann brachte den dicken Eisblock ins Haus. Als Schutz gegen die Kälte und das Tropfwasser hatte er über der linken Schulter einen Lederschurz. Darauf legte er das großes Stück Eis, später eine Eisstange, etwa 40-50 cm lang und 15 cm im Durchmesser. Sie wog bis zu 45 kg und wurde mit 2 Eisenharken hochgehievt.Hauptabnehmer waren Restaurants, Hotels und Fleischereien, aber auch Apotheken und Krankenhäuser. Lebensmittelvorräte und Medikamente hatten durch die Kühlung eine wesentlich längere Haltbarkeit. Getränke, vor allem das Bier, wurden schon damals gern gekühlt getrunken.

Diese so genannten Eiskisten baute jeder Betrieb nach Bedarf. Gut isoliert und immer mit Eis gefüllt waren sie die Vorstufen für die Kühlschränke. Diese Art der Kühlung war mit viel Arbeit verbunden, aber man war froh, eine Kühlmöglichkeit zu haben. Erst durch die Elektrifizierung im ganzen Land entwickelte die Industrie ein breites Angebot an Kühlschränken, Kühltruhen und großen Kühleinrichtungen.Man macht sich heute keinen Begriff mehr von der Mühe, die es noch vor 50 Jahren kostete, die täglichen Lebensmittel kühl und haltbar zu machen. Im Sommer gehörte es zu den täglichen Notwendigkeiten, nach jeder Mahlzeit die Lebensmittel in den Keller zu tragen. Im Winter stellte man sie draußen auf die Fensterbank.
 

Die Autorin Eugenie Haunhorst geb. Göcke wurde 1912 in Warendorf geboren und wuchs in einer Lehrerfamilie mit vier Geschwistern auf. Im Alter von 90 Jahren begann sie, Erinnerungen aus ihrem Leben im Warendorf der 1920er Jahre aufzuschreiben. Sie starb 2016 im Alter von 103 Jahren.


Bild: Archiv der Altstadtfreunde Warendorf
alle Rechte vorbehalten: Eugenie Haunhorst 2006

Die Warendorfer Bürgermeister in den turbulenten Nachkriegsjahren
von Mechtild Wolff (24. 4. 2025)

 

Heinrich Blum (1884-1964)         Bürgermeister 1945

Aloys Zurbonsen (1884-1950)    Bürgermeister 1945

Heinrich Temme (1879-1963)     Bürgermeister 1945

Theodor Lepper (1889-1979)      Bürgermeister 1945

Otto Freund (1889-1977)           Bürgermeister 1946-1948

 

Am 8. Mai 1945 brach mit der bedingungslosen Kapitulation das „Dritte Reich“ zusammen. In Warendorf war die Herrschaft der Nationalsozialisten aber schon seit Ostern beendet, die Befehlsgewalt lag seit dem 3. April bei den Siegermächten. Warendorf gehörte zur britischen Besatzungszone.

Obwohl die Stadt von Bombenschäden verschont geblieben war, hatte der Krieg viel Leid über die Bevölkerung gebracht. Über 500 Warendorfer hatten ihr Leben verloren und genauso viele wurden noch vermisst. Viele Soldaten waren noch in Kriegsgefangenschaft, die letzten kehrten erst 1955 heim. Es herrschte Mangel an Nahrungsmitteln, an Kleidung, an Möbeln und an Wohnraum, der mit Flüchtlingen und Evakuierten geteilt werden musste. Auch für die Besatzungsmacht mussten viele Häuser geräumt werden.

Direkt nach der Kapitulation sollte die politische Verantwortung wieder auf die deutschen Bürger übertragen werden. Vorher musste eine Entnazifizierung durchgeführt werden. Dabei überprüfte die Militärregierung - das waren zuerst die Amerikaner, dann die Kanadier und Engländer - die politische Vergangenheit aller Bürger, die ein öffentliches Amt anstrebten.

Heinrich Blum

Schon direkt nach der Übergabe der Stadt am 3. April ernannte die Besatzungsmacht Oberstudienrat Heinrich Blum zum Bürgermeister, denn an seiner Integrität gab es keinen Zweifel. Als Englischlehrer hatte er hatte er keine Probleme mit der englischen Sprache, das war sehr hilfreich für die Verständigung mit den Amerikanern. Heinrich Blum wollte aber auf keinen Fall Bürgermeister bleiben. Auf seine Bitte hin ernannte der amerikanische Ortskommandant am 5. April den Rechtsanwalt Aloys Zurbonsen zum Warendorfer Bürgermeister. Der musste nun schnell die vielfältigsten Probleme lösen. Am vordringlichsten war die Versorgung der Flüchtlinge, eine schier unlösbare Aufgabe, denn überall herrschte Mangel. Um Flüchtlinge und Evakuierte mit dem Notwendigsten zu versorgen, wurde von der einheimischen Bevölkerung Kleidung, Wäsche, Haushaltsgegenstände und Bettwäsche zwangsweise requiriert.

Auch wenn es viele Alltagsprobleme zu lösen galt, war es Bürgermeister Zurbonsen ein Herzensanliegen, das Heimatfest Mariä Himmelfahrt wieder in gewohnter Tradition zu feiern. Er überzeugte die Militärregierung, die Massenveranstaltungen lieber vermeiden wollte, dass „der mit dem Fest Mariä Himmelfahrt verbundene Heimatgedanke und die Pflege dieser Überlieferung gehütet werden müssen“. So konnte am 19. August 1945 die Mariä Himmelfahrtsprozession wieder stattfinden, die Häuser der Innenstadt waren mit den rot-weißen Kirchenfahnen und Blumen geschmückt und in den Schaufenstern standen wieder Marienbildnisse mit Kerzen und liebevollem Blumenschmuck. Die Aufstellung der Bögen und die Illumination der Stadt mussten allerdings bis zum nächsten Jahr warten. 1946 wurden die Bögen dann wieder aufgestellt und nach alter Tradition mit Kirchenfahnen geschmückt. Leider konnte Aloys Zurbonsen das Amt des Bürgermeisters nicht lange behalten, denn er wurde zum Landrat des Kreises Warendorf bestimmt. Unbelastete Führungskräfte wurden in allen Ämtern gesucht.

 


1945 Wiedereröffnung der Volksschule an der Dammschule – heute Overbergschule

 

Zum neuen Warendorfer Bürgermeister wurde nun der Sassenberger Amts-Bürgermeister Heinrich Temme berufen. Er konnte zusammen mit Schulrat Josef Pelster am 13. August 1945 die Öffnung der Volksschulen bei der britischen Militärregierung durchsetzen. Die beiden Gymnasien mussten bis zum 8. Dezember warten, denn viele Lehrer hatten noch keine Entnazifizierung und die Schulgebäude waren noch von den Militärbehörden beschlagnahmt. Am 1. Februar 1946 war auch Bürgermeister Temmes Amtszeit beendet, er hatte das Pensionsalter erreicht und schied aus dem Dienst.

Aloys Zurbonsen Theodor Lepper Heinrich Temme Otto Freund

Der Ortskommandant übertrug nun die Amtsgeschäfte kommissarisch dem langjährigen Warendorfer Stadtrentmeister Theodor Lepper, der schon in den letzten Kriegstagen, als Bürgermeister Haase sich aus dem Staub gemacht hatte, die Amtsgeschäfte übernommen und sich als sehr umsichtig erwiesen hatte. Diese ersten Bürgermeister nach dem Krieg waren noch hauptamtlich tätig, sie waren Leiter der Verwaltung und Repräsentanten der Stadt. Erst ab 1946, mit der Einführung des hauptamtlichen Stadtdirektors, übte der Bürgermeister sein Amt ehrenamtlich aus.

Requirierung von Kleidung unter Bürgermeister Zurbonsen

Am 29. April 1946 wurde das Beiratsmitglied Otto Freund zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt. Er war früher Stadtkassenrendant gewesen, war aber beim NS-Regime in Ungnade gefallen. Jetzt übernahm er neben dem Bürgermeisteramt auch die Aufgaben des noch zu wählenden Stadtdirektors. Das nach wie vor brennendste Problem war die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge. Es wurde ein „Flüchtlingsbeirat“ eingerichtet, der paritätisch von Einheimischen und Flüchtlingen besetzt war und die größte Not zu lindern versuchte. Außerdem gab es einen „Erfassungs- und Ernährungsausschuss“, der durch die Erfassung aller Lebensmittel beim Erzeuger und durch strikte Ablieferungsbestimmungen eine Hungersnot verhindern sollte. All das musste von der Verwaltung, die mit ganz geringen Finanzmitteln ausgestattet war, organisiert und kontrolliert werden.

Trotz der schwierigen Bedingungen lag Otto Freund die Verschönerung seiner Heimatstadt sehr am Herzen. Er setzte schon in seiner ersten Ratssitzung den Tagesordnungspunkt „Neugründung des Heimatvereins“ auf die Tagesordnung und schon im September 1947 gelang die Neugründung des „Ortsheimatvereins Warendorf“. Erster Vorsitzender wurde Bürgermeister Otto Freund selbst. Sein Ziel war es, eine Ortssatzung zur Pflege des Stadtbildes und zum Schutz gegen Verunstaltungen in der Stadt Warendorf zu schaffen.

Am 1. August 1946 wurde dann Dr. Paul Menne zum Stadtdirektor gewählt. Nun endlich kehrt Ruhe und Kontinuität in der Führungsspitze der Stadt ein, so dachten die Warendorfer. Aber weit gefehlt, im Januar 1947 wurde Stadtdirektor Dr. Menne beurlaubt und Otto Freund übernahm erneut seine Amtsgeschäfte, bis am 1. Juli 1947 der aus Berlin kommende Stadtdirektor Dr. Alfred Schmitz in das Amt eingeführt werden konnte.

Im Oktober 1948 fanden die ersten demokratischen Wahlen statt und es galt als sicher, dass Otto Freund zum Bürgermeister gewählt würde, denn er stand bei der gerade gegründeten CDU auf Platz 1 der Reserveliste. Die Christdemokraten gewannen aber wider alle Erwartungen bei dieser Ratswahl alle Direktmandate, die Reserveliste zog nicht und Otto Freund konnte nicht in den Rat einziehen und somit auch nicht zum Bürgermeister gewählt werden. Aus den Reihen der Ratsmitglieder wurde Josef Heinermann zum Bürgermeister gewählt. Nun trat Stabilität in das Bürgermeisteramt ein, denn der tüchtige und beliebte Bürgermeister Josef Heinermann blieb bis zu seinem allzu frühen Tode 1956 im Amt. In dieser Zeit wurden viele Probleme aus der Kriegszeit gelöst und neue Wege geebnet.

Quellen: Geschichte der Stadt Warendorf 2000

               Zeitzeugengespräche

Bilder:    Bildarchiv der Altstadtfreunde

               und Archiv der Firma Darpe

Text:     Mechtild Wolff

 

 

 

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