Dr.
Franz Rohleder war in Warendorf tief verwurzelt, ja, man konnte meinten,
er sei ein eingefleischter Poalbürger. Dem war aber nicht so, er
entstammte einer alten Lehrerfamilie aus Coesfeld, wo er 1888 geboren
wurde. Nach dem Abitur studierte er Geographie, Geschichte und Deutsch
in Straßburg, Leipzig und Münster und promovierte mit einer
geographischen Arbeit über die Orometrie des Rothaargebirges.
Nach Warendorf kam Dr. Franz Rohleder 1919, weil er
eine Anstellung als Seminar-lehrer am Warendorfer Lehrerseminar bekam.
Hier war z.B. auch der später als Heimatdichter bekannte Hermann Homann
sein Schüler. Die Schüler dieses Nachkriegsjahres 1919 waren ehemalige
Soldaten aus dem 1. Weltkrieg, die in ihren grauen Röcken, jetzt
allerdings ohne Rang- und Ehrenabzeichen, als Seminaristen in den
Schulbänken saßen. Sie mussten und wollten ein neues Leben anfangen und
strebten den Beruf des Lehrers an.
So mancher Seminarlehrer tat sich mit dieser
Situation schwer. Nicht so der neue, junge Studienassessor Dr. Rohleder.
Er trat in seiner betont ruhigen Art vor die Klasse und überragte den
größten der Schüler um Haupteslänge. Dazu passte so gar nicht seine
merkwürdig leise Stimme, mit der Rohleder die jungen Seminaristen in
seinen Fächern Deutsch, Geschichte und Erdkunde an den spannend
dargebotenen Unterrichtsstoff fesselte. Er praktizierte eine ganz neue
Form des Unterrichts, den exemplarischen Unterricht. Eine wichtige
Erfahrung für die zukünftigen Lehrer.
Als das Lehrerseminar 1924 aufgelöst wurde und in
dem alt ehrwürdigen Gebäude an der Freckenhorster Straße ein
Aufbaugymnasium eingerichtet wurde, setzte sich Dr. Rohleder mit aller
Kraft für diese neue Schulgründung ein und es ist nicht zuletzt ihm zu
verdanken, dass das Aufbaugymnasium hier in Warendorf trotz vieler
Widerstände ein so großer Erfolg wurde.
Als die Aufbauschule mit dem Gymnasium Laurentianum
vereinigt wurde, wechselte auch Rohleder in das Kollegium dieser Schule
über, dem er bis zu seiner Pensionierung 1956 angehörte.
Dr. Franz Rohleder war ein Meister des Wortes, des gesprochenen und
geschriebenen. Wenn er sprach - im Unterricht oder als Redner oder auch
in der persönlichen Unterhaltung - immer hatten seine Worte die letzte
geschliffene Form und immer zeugten sie von seinem humanistischen Geist.
Schon 1916 gehörte Dr. Rohleder zu den
Mitbegründern des Westfälischen Heimat-bundes und war westfalenweit ein
gefragter Vortragsredner. Auch die Stadtverordnetenversammlung in
Warendorf, der er bis 1933 angehörte, hat davon sehr profitiert.
Über fünf Jahrzehnte hat Franz Rohleder das
kulturelle und bürgerschaftliche Leben unserer Stadt entscheidend
geprägt, ja, er wurde zu einer anerkannten Autorität in Kultur- und
Heimatfragen. Seine vielseitigen Kenntnisse und Begabungen stellte er
großzügig seiner Heimatstadt Warendorf und der Heimatpflege zur
Verfügung. Während der NS Zeit versuchte er die Kulturgüter unserer
Stadt zu retten und zu bewahren und wurde schon 1946 von der
Militär-regierung mit der Erstellung eines Kreishandbuches beauftragt.
1948 war er an der Einrichtung einer Volkshochschule beteiligt, die er
viele Jahre lang durch seine heimatkundlichen Arbeitsgemein-schaften und
Studienfahrten bereicherte.
1951 hatte Dr. Rohleder wesentlichen Anteil an der
Gestaltung des 750jährigen Stadtjubiläums der Stadt Warendorf. Die
damals von ihm zusammengestellte und herausgegebene Festschrift wurde
für Lehrer und Schüler ein wichtiger Leitfaden zur Erforschung der
Warendorfer Geschichte. Seine wissenschaftliche Auswertung des
Sachsendorfes am Hohen Ufer der Ems in Neuwarendorf war von
überregionaler Bedeutung.
1954 erschienen unter seiner Schriftleitung in der
Tageszeitung „Die Glocke“ die „Neuen Blätter für Orts- und Heimatkunde
im Kreis Warendorf“. Hier wurde nicht nur in der Vergangenheit
geforscht, sondern auch die zeitnahe Heimatpflege dargestellt. Auch die
Heimatvereine des Kreises hatten hier ein Forum, ihre Arbeit
vorzustellen.
Im Heimatverein Warendorf war Dr. Rohleder über
Jahrzehnte ein unverzichtbares Mitglied und wurde 1972 zum Ehrenmitglied
ernannt. In den Nachkriegsjahren war ihm die Integration der Flüchtlinge
und die Zusammenarbeit mit dem Tatenhausener Kreis ein wichtiges
Anliegen. Dafür wurde er mit der Ehrennadel des Bundes der Vertriebenen
geehrt und mit der Agnes-Miegel-Plakette.
1963 wurde Dr. Rohleder mit dem Bundesverdienstkreuz
ausgezeichnet. Die Stadt Warendorf verlieh ihm 1955 den Kulturpreis und
1968, zu seinem 80. Geburtstag, den Ehrenring der Stadt Warendorf. Es
war ihm eine besondere Freude, dass er im November 1974 die Eröffnung
des Heimathauses im Warendorfer Rathaus erleben durfte, denn die
Museumsarbeit war ihm immer ein zentrales Anliegen gewesen.
Am 17. März 1975 starb der bedeutende Heimatfreund
Dr. Franz Rohleder im Alter von 86 Jahren.
Der Warendorfer Heimatdichter Otto Nisch schrieb
anlässlich seines Ausscheidens aus dem aktiven Schuldienst ein Gedicht,
das wohl für sein Lebenswerk stehen darf:
„Der Heimat Bild gerecht zu prägen,
so wie es wurde, wie es ist,
der Jugend es ans Herz zu legen,
dass sie es liebend nie vergisst.
Dir war es Pflicht, Berufung,
Glaube.
Ein Gärtner, der den Weinstock
pflegt,
damit er fruchtend trägt die Traube,
die Gott schon in den Keim gelegt.“
Otto Nisch
Quellen:
Jürgen Gojny: Heimatgeschichtliches Engagement:
Dr. Franz Rohleder
im Jahrbuch des Kreises 51. Jg 2002 S 209-215
Hermann Homann: Dr. Rohleder und Warendorf
in WS 6/7 1977 S.178
Paul Leidinger: Dr. Franz Rohleder 85 Jahre
in WS 3 1973 S.85
Freckenhorster Hefte des HV Nr. 19 2009
Franz Rohleder war verheiratet mit Elisabeth Böller
(1895-1962), einer Tochter des angesehenen Kaufmanns und Drogisten
Heinrich Böller, der auch Großaktionär und Verwalter der früheren
Gasanstalt am Wilhelmsplatz war.
Franz und Elisabeth Rohleder bauten Anfang der
1930er Jahren ein schönes Haus an der Overbergstraße 6, die auf Wunsch
der hier wohnenden Seminarlehrer nach dem Begründer der Normalschule und
der Lehrerausbildung Bernard Overberg benannt worden war. Hier wuchsen
die vier Töchter Anneliese, Ursel, Mechtild und Monika auf. Ursel
heiratete später den Rechtsanwalt Bernhard Wolff, ein Bruder meines
Schwiegervaters Hubert Wolff aus Freckenhorst. Dadurch wurde Franz
Rohleder „unser Onkel Franz“, der auf allen Familienfesten ein gern
gesehener Gast und Unterhalter war und es sich nicht nehmen ließ, mit
einer Tischrede zu brillieren.
Tante Ursel erzählte immer gern, dass ihr Vater so
gerne einen Sohn gehabt hätte und ganz und gar nicht begeistert war,
wenn schon wieder „nur“ ein Mädchen geboren wurde. Bei der Geburt der
Jüngsten war er gerade mit seinen Skatbrüder in der Gaststätte „Niemer
Everding“. Als man ihm die Geburt seiner vierten Tochter Monika
verkündete, konnte er seine Enttäuschung nicht verhehlen und sagte: „All
wieer nen Röevenplücker!“ und setzte seine Skatrunde fort.
Ja, Franz Rohleder war ein Freund der direkten
Aussprache!
Mein Schwiegervater Hubert Wolff erzählte, dass
sein Lehrer Dr. Rohleder immer stolz darauf gewesen sein, einer der
wenigen Lehrer zu sein, die keinen Spitznamen hatte. Er hat wohl nie
erfahren, dass die Schüler ihn heimlich „Boef“ nannten. Wie das zu
interpretieren ist, ist mir nicht so ganz klar.
Beim „Kommers“, dem fröhlichen Trinkgelage der
Abiturienten, wurde ja nicht nur einfach Bier getrunken, nein jedes neue
Bier wurde mit einem „Tost“ versehen, meistens auf einen Lehrer, etwa
so: „Ein Tost auf unseren verehrten „Boef“, der uns viel beigebracht hat
und uns am eigenen Leib vorführte, wie sich ein Wespenstich anfühlt!“
Wie machte er das? Er schnappte sich einen Schüler und drehte kurz ein
kleines Stückchen Haut unter den Achselhöhlen - ja, genau so fühlte sich
ein Wespenstich an.
Der Kulturpreis der Stadt Warendorf wurde 1951 im
750. Jubiläumsjahr der Stadt Warendorf gestiftet und war mit 5000 DM
dotiert. Er wurde nur einmal verliehen und zwar im Jahr 1954 gemeinsam
an
Anton Aulke, den in Warendorf lebenden Studienrat
des Gymnasium Laurentianum, der sich als Dichter, insbesondere mit
plattdeutschen Werken einen Namen gemacht hat,
Elli Grützner, die seit 1926 in Warendorf lebende
Malerin, Dr. Rudolf Schulze aus Münster, der mit seiner „Geschichte der
Stadt Warendorf“ eine Stadtgeschichte veröffentlichte und
Dr. Franz Rohleder, dem langjährigen Forscher und
Pfleger der heimatkundlichen Belange der Stadt Warendorf.
Grabplatte Rohleder
Heinrich Blum, von allen "Mister Blum" genannt
Franz Joseph
Zumloh, der Begründer des Josephshospitals
Maria Anna
Katzenberger und Heinrich Ostermann
Hermann Josef
Brinkhaus,
Gründer der Firma Brinkhaus
Eduard
Wiemann und die Villa Sophia
Anna
Franziska Lüninghaus, Gründerin der Marienstiftung
Wilhelm
Zuhorn, Geheimer Justizrat und Geschichtsforscher
Bernard
Overberg, der Lehrer der Lehrer
Arthur
Rosenstengel, Seminarlehrer, Musikerzieher und Komponist
Pauline
Hentze, Begründerin der Höheren Töchterschule
Franz
Strumann, Pastor und Förderer der höheren Mädchenbildung
Dr. Maria
Moormann, die mutige Direktorin der Marienschule
Josef Pelster,
der Schulrat und Naturfreund
Wilhelm
Diederich, Bürgermeister von 1869-1904
Hugo
Ewringmann, Bürgermeister von 1904-1924
Theodor
Lepper, Stadtrendant und Retter in den letzten Kriegstagen
Clara Schmidt,
Kämpferin für die Frauenliste im Stadtparlament
Elisabeth
Schwerbrock, eine hochengagierte Stadtverordnete,
Eugenie
Haunhorst, die Kämpferin für ihre Heimatstadt
Paul Spiegel,
Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland
Paul
Schallück, der vergessene Nachkriegsschriftsteller
Heinrich
Friedrichs, ein Warendorfer Künstler
Theo
Sparenberg, Kinokönig und Tanz- und Anstandslehrer
Wilhelm
Veltman, Retter der historischen Altstadt
Rainer. A. Krewerth, ein schreibender Heimatfreund
Prof. Dr. Alfons
Egen
ein begnadeter Lehrer und Heimatfreund
Änneken Kuntze und ihre Schwester Lilli
Elisabeth Schwerbrock, Stadtverordnete in Warendorf
Anni Cohen und ihre Familie - von Warendorf nach Südafrika und Palästina
Eduard Elsberg erbaute das erste große Kaufhaus in Warendorf