Die Warendorfer Bevölkerung hat viele Jahrhunderte lang vom
Weben gelebt, zuerst von der Handweberei und später von der
Textilindustrie. Begonnen hat die Geschichte der Weberei schon
in vorchristlicher Zeit auf den Hofansiedlungen und in den
Wohnhütten. In Warendorf haben nachweislich schon um 600 nach
Chr. in der Sachsensiedlung am heutigen Kottrup-See Webhütten
gestanden. 1951 fanden die Archäologen bei den Ausgrabungen
Spinnwirtel, Scheren und Webgewichte. Und auch später klapperte
auf den Bauernhöfen den ganzen Tag der Webstuhl. Neben der
landwirtschaftlichen Arbeit wurde vor allem im Winter für den
Eigenbedarf gewebt. Man webte alles selber, die Kleidung, die
Wäsche, die Bett- und Tischwäsche, ja, auch die Dinge des
täglichen Gebrauchs vom Kartoffel-sack bis zum Bettvorleger.
Vieles hätte man auch damals schon kaufen können, aber dafür
brauchte man Bargeld, und das war ein sehr knappes Gut.
Die Leineweberei war in unserer Gegend schon seit Jahrhunderten von großer
Bedeutung. Die Böden hier eigneten sich gut zum Anbau von Flachs, den
man auch „Lein“ nannte. Aus diesem Flachs wurde die Leinenfaser
gewonnen. Jeder Bauer baute auf seinen Feldern Flachs an, einige im
großen Mengen, die meisten nur für den Eigenbedarf.
Die Gewinnung der bastartigen Leinenfasern allerdings war sehr aufwendig
und arbeitsintensiv. Die vielen Arbeitsschritte hören sich schon sehr
kompliziert an: Das Raufen (aus der Erde reißen) das Teichen, Röthen,
Brechen, Bocken, Schwingen und Riffeln und Hecheln. All das musste
gemacht werden, um die feste Rinde der Pflanze zu entfernen, damit die
innen liegende Leinenfaser freigelegt wurde. Über die Jahrhunderte hat
sich die länd-liche Bevölkerung hohe Fach-kenntnisse erworben. Das war
elementar wichtig, denn nur bei richtiger Handhabung konnte eine schöne,
glänzende Leinen-faser gewonnen werden, die dann auf dem Spinnrad zu
einem hochwertigen Leinenfaden versponnen wurde. Die Hauptspinnzeit war
der Winter, wenn die Feldarbeit ruhte.
Nicht nur auf den Bauernhöfen, auch in der Stadt wurde gesponnen und
gewebt. Immer mehr Flachs und auch fertiges Leinengarn wurde in die
Städte geliefert und in Warendorf stand in vielen Häusern ein Webstuhl,
insbesondere in den kleinen Häuschen, in den Gademen.
Gademe sind „Kleine-Leute-Häuser“, meistens in einer Seitenstraße, im
Hinterhof oder am Stadtrand gelegen, oft direkt an der Stadtmauer. Aus
dem Jahr 1662 ist uns bekannt, dass es 400 Gademe in Warendorf gab. Zu
dieser Zeit hatte die Altstadt 477 Bürgerhäuser, die Gademe stellten
also etwa die Hälfte der Gebäude in der Stadt dar. Heute hat unsere
Innenstadt noch etwa 60 Gademe, das sind weit mehr, als in
vergleichbaren Städten. Das ist einerseits der glücklichen Fügung zu
verdanken, dass Warendorf im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde und
andererseits kam in Warendorf alles etwas später, auch die
Stadtsanierung. Dadurch wurden viele Gademe erhalten, denn der
Kahlschlag der 1960er und 70er Jahre war an ihnen vorbei gegangen. Als
in den 1980er Jahren
auch in Warendorf die Sanierung der historischen Altstadt in Angriff
genommen wurde, hatte man den Wert der alten Häuser erkannt und auch die
Gademe wurden liebevoll restauriert. Heute erfreuen sie sich als
Stadtwohnung großer Beliebtheit und Warendorf hat das einzige
Gadem-Museum Deutschlands.
Die Gademe wurden früher von Kaufleuten, insbesondere von den
Leinentuchhändlern als Altenteil oder als Mietobjekt zur
Alters-versorgung erbaut. In einem Miet-Gadem wohnten oft 10-12
Personen, Handwerker, Tagelöhner und auch einfache städtische Beamte,
wie z.B. der Lampenanzünder, der Turmbläser oder der Nachtwächter, aber
auch Witwen und unverheiratete Frauen. Also, alles Menschen, die zur
Unterschicht gehörten. Interessant ist, dass damals auch Chirurgen und
Notare der Unterschicht angehörten und in Miet-Gademen wohnten. Viele
dieser Gademe waren Weber-häuschen, die ursprünglich nur über einen
einzigen Raum mit einem Kamin verfügten. In diesem Raum stand der
Webstuhl, der den ganzen Tag von einem der Familienmitglieder betrieben
wurde, auch von den Kindern. Oft stand der Webstuhl in einem tiefer
gelegenen Raum unter der Upkammer, der immer etwas feucht war, weil er
nur einen festgestampften Sandfußboden hatte. Die Feuchtigkeit
erleichterte das Weben, denn das Leinengarn blieb geschmeidiger. In den
meisten Fällen war der Webstuhl Eigentum eines Woll- und
Leinentuchhändlers, der auch das Leinengarn lieferte und die fertigen
Leinenballen den Webern abkaufte.
Textilindustrie in Warendorf
Kette und Schuss - von der Handwebei zur Textilindustrie
„Anton
Eickholt & Erben“ - feine Damast- und Gebildweberei
elegante Damenmode
„Villa Sophia“, später
„Sophienstift“ genannt
"Textilstadt Warendorf"
Geschichte der Firma Brinkhaus (I)
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