Hermann
Josef Brinkhaus stammte aus einem alten, sehr geachteten
Textilhändlergeschlecht in Horstmar. Seine Vorfahren hatten dort über
Jahrhunderte viele öffentliche Ämter bekleidet und waren mehrmals
Bürgermeister gewesen. Ihren Wohlstand erwarben sie mit dem
Leinwandhandel. Die reichen holländischen Nachbarn waren dankbare
Abnehmer des guten westfälischen Leinens, sowohl für den eigenen Bedarf,
als auch für den Handel mit den Kolonien. Hermann Josef Brinkhaus wuchs
also mit den Erfolgen, aber auch den Sorgen und Nöten der Textilhändler
auf. Ein einschneidender Einschnitt in seinem Leben war der frühe Tod
seiner Mutter. Sie starb bei der Geburt des jüngsten Kindes, Hermann
Josef war gerade erst zwei Jahre alt. Seine Geschwister und er wuchsen
nun bei der Großmutter in Borghorst auf.
Der fünfzehnjährige Hermann Josef wollte die Textil-Tradition
der Familie fortsetzen. Darum ging er nach Barmen und machte dort eine
vierjährige Kaufmannslehre. Hier lernte er kaufmännisches Denken und
Rechnen und begegnete erstmalig dem technischen Fortschritt.
1838 kam er zurück nach Borghorst und dachte, die Welt steht
ihm offen. Das war aber ganz und gar nicht so. Sogar als Kaufmannssohn
musste er erfahren, wie schwer es war, den richtigen Platz für eine gute
Weiterbildung zu bekommen. Er war auch bereit, im ersten Jahr ohne
Salär, also nur für Kost und Logis zu arbeiten, aber auch auf dieser
Basis fand sich nichts Geeignetes. Darum begann er im Leinengeschäft
seines acht Jahre älteren Bruders in Borghorst zu arbeiten. Hier erlebte
er hautnah den Niedergang der Leinenweberei - die Geschäfte gingen
schlecht, in Borghorst wie überall im Münsterland. Als aussichtsreich
erlebte er die Kattun-Herstellung, also den Handel mit Baumwolle. In
einem Brief ist zu lesen, dass sie „schon 20 Centr. Twist von Manchester
erhalten haben, theils Ketting, theils Einschlag“. Nach dieser
Textstelle wurde später die Werkzeitung „Ketting und Einschlag“ der
Firma Brinkhaus benannt. Hier im Westmünsterland erlebte Brinkhaus die
Umstellung auf den modernen Faserstoff Baumwolle, er lernte die
Tätigkeit des Textilverlegers kennen und die neue fabrikmäßige
Organisation der Arbeitskräfte. All das wird ihm später sehr nützlich
sein.
In Borghorst begegnete Hermann Josef Brinkhaus der sympathischen und selbstbewussten Johanna Ostermann (1823-1911), die hier ihre Großtante Jeannette besuchte. Sie lebte bei ihren Großeltern, dem Hofrat Dr. Katzenberger und seiner Frau Anna Elisabeth in Warendorf. Hermann Josef verliebte sich in Johanna und folgte ihr 1843 nach Warendorf. Schon ein Jahr später erwarb er die Bürgerrechte der Stadt und heiratete Johanna Ostermann am 24. September 1844.
Verlobungstassen von Johanna Ostermann und Hermann Josef Brinkhaus
Die
Hochzeit wurde im hochherrschaftlichen Haus ihrer Großeltern an der
Ritterstraße 692, heute Klosterstraße 7, in dem schönen Saal mit den
historischen Bildtapeten gefeiert. Durch diese Heirat kam ein innovativ
denkender Unternehmer aus dem fortschrittlicheren Westmünsterland nach
Warendorf, der durch Tatkraft, Mut und Unternehmergeist wesentlichen
Fortschritt in unser kleines Landstädtchen brachte.
In Warendorf betätigte sich Hermann Josef Brinkhaus zuerst als Textilverleger und als Manufakturwarenhändler. Er hatte das Eckhaus Emsstraße/Mühlenkolk gekauft, dort verkaufte er Textilien aller Art.
1849 starb Johannas Großmutter Anna Elisabeth Katzenberger und
Hermann Josef Brinkhaus kauft aus der Erbmasse das Haus an der
Ritterstraße für 4000 Taler und wohnt dort fortan mit seiner immer
größer werdenden Familie. Eine Remise neben seinem Haus nutzte er als
Lager für die Leinenballen seines Textil-verlages und bald richtete er
hier die erste kleine Faktorei ein, in der Lohnweber für ihn arbeiteten.
Im Haus Klosterstraße 7 begann also die Geschichte der Firma
Brinkhaus.
Hermann Josef Brinkhaus sah aber, dass die Zeit des Leinens vorbei war.
Die Leinwand hatte Warendorf einst zu einer blühenden Handelsstadt
gemacht, die sogar in den Hansebund aufgenommen wurde. Jetzt war sie,
wie einer Bittschrift an den König von 1830 zu entnehmen ist, zu einer
armseligen Ackerstadt herabgesunken. Brinkhaus sah in der
Baumwollweberei das Gebot der Stunde. Die Zukunft lag in der
mechanischen Weberei - und diese Zukunft wollte er mitgestalten.
Dafür brauchte er Geld, mehr Geld, als er selbst besaß. Das
fand er bei seinem finanzstarken Jugendfreund, den Textilkaufmann Eduard
Wiemann (1817-1898). 1847 gründete er mit ihm zusammen die Firma
„Brinkhaus & Wiemann“. Die mutigen Unternehmer kauften das alte
Waisenhaus an der Kirchstraße und begründeten dort eine Faktorei,
allerdings immer noch auf der Basis der Leinen-Handweberei. Brinkhaus
und Wiemann aber wollten mehr - die mechanische Baumwollweberei war ihr
Ziel. Weil sie dafür ausgezeichnete Weber brauchten, richteten sie im
Haus Kirchstraße 6 eine Webschule ein, in der die Leineweber mit der
Baumwollweberei vertraut gemacht wurden.
1861
war es dann endlich so weit, die erste mechanische Weberei startete mit
einer 12 PS starken Dampfmaschine. Natürlich waren zuerst hohe Hürden in
der Verwaltung, aber auch in der Bevölkerung zu überwinden. Aber das
Geschäftskonzept funktionierte und Warendorf profitierte ganz
entscheidend davon. Die Weber konnten ihren Lebensunterhalt wieder
verdienen, endlich waren die Jahre des Niedergangs vorbei. Mit der
mechanischen Weberei machte Warendorf seinem Namen als bedeutende
Textilstadt wieder alle Ehre. Diese Entwicklung war Hermann Josef
Brinkhaus und Eduard Wiemann zu verdanken. Das Industrie-Zeitalter hatte
auch in Warendorf begonnen!
Die schlechte Verkehrsanbindung unseres kleinen Landstädtchens
stellte allerdings ein Problem dar. Hermann Josef Brinkhaus begann schon
früh, sich für einen Eisenbahnanschluss einzusetzen. Es dauerte aber
noch bis 1887, also über 25 Jahre, ehe eine Bahnstrecke durch Warendorf
verwirklicht wurde. Noch heute ist der alte Bahnhof an der B 64 ein
lebendiges Zeugnis.
Das Unternehmen „Brinkhaus und Wiemann“ wuchs und platzte an
der Kirchstraße bald aus allen Nähten. Brinkhaus wollte eine
entscheidende Erweiterung, Wiemann aber war zögerlich. So kam es 1879
zur Trennung. Eduard Wiemann erwarb für 200 000 Mark die
Firmengebäude und führte mit seinem neuen Kompagnon Christoph Bispinck
die mechanische Weberei unter dem Namen „Wiemann & Bispinck“ weiter.
Hermann Josef Brinkhaus gründete 1879 die Firma „H. Brinkhaus“.
Der Bau der neuen Weberei auf der anderen Seite der Ems ging in großer
Eile vonstatten, denn die Produktion durfte nicht unterbrochen werden.
Bei der Trennung war ein Teil der Webstühle und anderer
Produktionsmittel am Brinkhaus gefallen. Diese Maschinen wurden
behelfsmäßig in der Spinnerei der Firma Gebr. Rath in Sassenberg
aufgestellt wurden. So blieben die Weber der Firma Brinkhaus in Arbeit
und Lohn und die Produktion lief weiter.
Briefkopf der Firma Brinkhaus von 1879
Am 28. August 1879 legte die Schwiegertochter Hermine
Brinkhaus, die junge Frau von Hermann Brinkhaus, den Grundstein für die
neue Fabrik an der Ems. Schon am 30. Oktober, nach nur zwei Monaten,
hatte die Firma Carlé das neue Fabrikgebäude unter Dach gebracht, sogar
der 100 Fuß hohe Schornstein und die Sheddach-Hallen waren fertig. Es
ist unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit, Präzision und Schönheit
damals gebaut wurde.
Im Januar 1880 klapperten hier mehr als 130 Webstühle für über
50 verschiedene Baumwollgewebe. Die Belegschaft war auf über 100
Mitarbeiter angewachsen. Mehr und mehr übernahmen nun die beiden Söhne
Hermann und Bernhard Brinkhaus die Verantwortung in der Firma. Schon
fünf Jahre nach der Eröffnung der neuen Firma verstarb Hermann Josef
Brinkhaus am 24. Februar 1885 im Alter von nur 66 Jahren. Die Firma
Brinkhaus musste von ihrem Firmengründer Abschied nehmen, die Stadt
Warendorf verlor einen engagierten Bürger, der sich viele Jahre lang als
liberaler Stadtverordneter um die Fortentwicklung der Stadt verdient
gemacht hatte. Er hinterließ seine Frau Johanna geb. Ostermann und seine
Söhne Hermann, Hugo, Paul und Bernhard, sowie seine erst 16 Jahre alte
Tochter Sophie. Vier Kinder waren ihm schon im Tod vorausgegangen. Unter
großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde er auf dem Warendorf Friedhof
begraben.
Mechtild Wolff
Quellen:
Hermann Josef Brinkhaus und Dr. Paul Casser: Vom Werden und Wachsen der
Brinkhaus Inlett-Webereien Warendorf 1951
Dr. Paul Leidinger: Hermann Josef Brinkhaus (1819-1885) und die
Anfänge der Industrialisierung in Warendorf 1996
Ketting und Einschlag, Werkzeitungen der Inlettweberei H.
Brinkhaus 1950-63
Textilindustrie in Warendorf
Kette und Schuss - von der Handwebei zur Textilindustrie
„Anton
Eickholt & Erben“ - feine Damast- und Gebildweberei
elegante Damenmode
„Villa Sophia“, später
„Sophienstift“ genannt
"Textilstadt Warendorf"
Geschichte der Firma Brinkhaus (I)
Geschichte der Firma Brinkhaus (II)
Geschichte der Firma Brinkhaus (III)