Die „Villa Sophia“, später „Sophienstift“ genannt
von Mechtild Wolff

 

 Villa Sophie in Warendorf (abgerissen 1974)

Aufsehen erregte der Bau der Wiemannschen „Villa Sophia“ in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts. Solch ein repräsentatives Haus war seit der Errichtung der Katzenbergerschen Villa an der Klosterstraße 7 (1812) nicht mehr gebaut worden. Neu war auch, dass Eduard Wiemann diesen Wohnsitz für sich und seine Gemahlin Sophia außerhalb der Innenstadt, also vor den Toren der Stadt erbauen ließ. Er legte den Grundstein für die zukünftige Bebauung des ausgedehnten Gartengeländes im nördlichen Stadtfeld.

Der wohlhabende Textilkaufmann Eduard Wiemann (1817-1898) wurde 1847 von seinem Freund Hermann Josef Brinkhaus als Partner für sein Textilunternehmen gewonnen. Das Unternehmen firmierte nun unter dem Namen „ Brinkhaus und Wiemann“. Aus den freundschaftlichen Banden wurden familiäre, als Eduard Wiemann 1851 Sophia Ostermann heiratete. Sie war die jüngere Schwester von Hermann Josef Brinkhaus` Frau Johanna, geb. Ostermann. Beide Mädchen waren in dem prächtigen Haus an der Klosterstraße 7 bei ihren Großeltern aufgewachsen, dem preußischen Hofrat Dr. med. Franz Josef Katzenberger (1767-1836) und seiner Gemahlin Anna Elisabeth geb. Schmitz (1781-1849).

 

Die „Mechanische Weberei Brinkhaus und Wiemann“ entwickelte sich zu einem erfolgreichen Unternehmen, was Eduard Wiemann in die Lage versetzte, sich diese repräsentative Villa in der neoklassizistischen Architektur der Gründerzeit zu errichten. Er verpflichtete bedeutende Architekten, die die Villa innen und außen reich mit Stuck, Gemälden, Schnitzereien, prachtvollen Kaminen und Plastiken verzierten.

Ein Haus mit so viel Pracht und Eleganz, eingebettet in einen klassischen englischen Garten, das war eine neue Dimension für Warendorf. Sophia Wiemann war eine begnadete Gastgeberin, glanzvolle Fest wurden gefeiert. Die „Villa Sophia“ wurde zum kulturellen Zentrum, in der besonders Musik und Literatur der Klassik und Romantik gepflegt wurden.

Mausoleum der Villa SophieDie Ehe der Wiemanns blieb leider kinderlos. In ihrem Testament vererbten sie die Villa den Clemensschwestern aus Münster. Der Orden richtete 1903, nach dem Tod von Sophia Wiemann,  in der „Villa Sophia“ ein Pflegeheim für betagte Clemensschwestern ein, das „Sophienstift“ genannt wurde. 70 Jahre lang gehörten diese Schwestern zum Stadtbild von Warendorf und erfreuten sich hoher Beliebtheit. Die Auflagen des Testamentes, die Villa in unverändertem Zustand zu erhalten, befolgten die Schwestern strikt.

1972 zogen die Clemensschwestern zurück ins Mutterhaus nach Münster. Die „Villa Sophia“ wurde für die symbolische eine Mark an die Stadt Warendorf verkauft. Einen anderen Käufer gab es nicht. In der Villa war in all den Jahren ein großer Sanierungsstau aufgelaufen. Die elektrischen Leitungen waren noch über Putz verlegt, Wasserrohre mussten saniert werden und vieles mehr. Die alte Pracht war aber unversehrt erhalten. Die Stadt Warendorf sah sich nicht in der Lage, die Sanierungskosten und spätere Unterhaltungskosten zu finanzieren. Eine so prachtvolle Villa entsprach auch nicht dem Zeitgeist, Betonarchitektur war angesagt. So kam es 1974 zu dem Ratsbeschluss, das „Sophienstift“ abzureißen. Von einigen Ratsmitgliedern und aus der Bürgerschaft kam energischer Protest, der zwar gehört wurde, aber nichts ausrichten konnte. Das Denkmalschutzgesetz trat erst ein Jahr später in Kraft, zu spät für Warendorf, das ein unwiederbringliches Zeugnis der Industrialisierung verloren hatte.

Ungläubig beobachteten viele Warendorfer Bürger den Abriss des „Sophienstiftes“. Unverständnis und Zorn über diese Entscheidung ist bis heute bei vielen alten Warendorfern vorhanden.

Nach diesem Desaster gründeten sich unter der Leitung von Wilhelm Veltmann die Altstadtfreunde, die nun ein wachsames Auge auf die historische Bausubstanz der Stadt hatten und mit viel Eigenarbeit einen bedeutenden Anteil an dem heute so schönen Erscheinungsbild der Altstadt haben.

 

Über die allegorischen Figuren im Sophienstift ... klicke hier

Bilder: Archiv der Altstadtfreunde
(C) Mechtild Wolff 2008

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