Der wohlhabende Textilkaufmann Eduard Wiemann (1817-1898) wurde 1847
von seinem Freund Hermann Josef Brinkhaus als Partner für sein
Textilunternehmen gewonnen. Das Unternehmen firmierte nun unter dem
Namen „ Brinkhaus und Wiemann“. Aus den freundschaftlichen Banden wurden
familiäre, als Eduard Wiemann 1851 Sophia Ostermann heiratete. Sie war
die jüngere Schwester von Hermann Josef Brinkhaus` Frau Johanna, geb.
Ostermann. Beide Mädchen waren in dem prächtigen Haus an der
Klosterstraße 7 bei ihren Großeltern aufgewachsen, dem preußischen
Hofrat Dr. med. Franz Josef Katzenberger (1767-1836) und seiner Gemahlin
Anna Elisabeth geb. Schmitz (1781-1849).
Die „Mechanische Weberei Brinkhaus und Wiemann“ entwickelte sich zu
einem erfolgreichen Unternehmen, was Eduard Wiemann in die Lage
versetzte, sich diese repräsentative Villa in der neoklassizistischen
Architektur der Gründerzeit zu errichten. Er verpflichtete bedeutende
Architekten, die die Villa innen und außen reich mit Stuck, Gemälden,
Schnitzereien, prachtvollen Kaminen und Plastiken verzierten.
Ein Haus mit so viel Pracht und Eleganz, eingebettet in einen klassischen englischen Garten, das war eine neue Dimension für Warendorf. Sophia Wiemann war eine begnadete Gastgeberin, glanzvolle Fest wurden gefeiert. Die „Villa Sophia“ wurde zum kulturellen Zentrum, in der besonders Musik und Literatur der Klassik und Romantik gepflegt wurden.
Die
Ehe der Wiemanns blieb leider kinderlos. In ihrem Testament vererbten
sie die Villa den Clemensschwestern aus Münster. Der Orden richtete
1903, nach dem Tod von Sophia Wiemann, in der „Villa Sophia“ ein
Pflegeheim für betagte Clemensschwestern ein, das „Sophienstift“ genannt
wurde. 70 Jahre lang gehörten diese Schwestern zum Stadtbild von
Warendorf und erfreuten sich hoher Beliebtheit. Die Auflagen des
Testamentes, die Villa in unverändertem Zustand zu erhalten, befolgten
die Schwestern strikt.
1972 zogen die Clemensschwestern zurück ins Mutterhaus nach Münster.
Die „Villa Sophia“ wurde für die symbolische eine Mark an die Stadt
Warendorf verkauft. Einen anderen Käufer gab es nicht. In der Villa war
in all den Jahren ein großer Sanierungsstau aufgelaufen. Die
elektrischen Leitungen waren noch über Putz verlegt, Wasserrohre mussten
saniert werden und vieles mehr. Die alte Pracht war aber unversehrt
erhalten. Die Stadt Warendorf sah sich nicht in der Lage, die
Sanierungskosten und spätere Unterhaltungskosten zu finanzieren. Eine so
prachtvolle Villa entsprach auch nicht dem Zeitgeist, Betonarchitektur
war angesagt. So kam es 1974 zu dem Ratsbeschluss, das „Sophienstift“
abzureißen. Von einigen Ratsmitgliedern und aus der Bürgerschaft kam
energischer Protest, der zwar gehört wurde, aber nichts ausrichten
konnte. Das Denkmalschutzgesetz trat erst ein Jahr später in Kraft, zu
spät für Warendorf, das ein unwiederbringliches Zeugnis der
Industrialisierung verloren hatte.
Ungläubig beobachteten viele Warendorfer Bürger den Abriss des
„Sophienstiftes“. Unverständnis und Zorn über diese Entscheidung ist bis
heute bei vielen alten Warendorfern vorhanden.
Nach diesem Desaster gründeten sich unter der Leitung von Wilhelm
Veltmann die Altstadtfreunde, die nun ein wachsames Auge auf die
historische Bausubstanz der Stadt hatten und mit viel Eigenarbeit einen
bedeutenden Anteil an dem heute so schönen Erscheinungsbild der Altstadt
haben.
Über die allegorischen Figuren im Sophienstift ... klicke hier
Bilder: Archiv der Altstadtfreunde
(C) Mechtild Wolff 2008