Karl
Siebold, der Architekt der Christuskirche, vertrat immer die Ansicht,
seine Gotik müsse „modern“ und einfach sein. Dementsprechend wählte er
auch für Kirchenfenster die denkbar einfachste gotische Form, nämlich
ein Lanzettfenster mit einer schlanken Rechteckform unter gedrücktem
Spitzbogen und Verzicht auf jedes Maßwerk. Die gedrückte
Spitzbogenform
findet sich in der Christuskirche konsequent in allen Größen wieder,
nämlich am Triumphbogen, in der Turmöffnung über der Orgel und in den
elf Einzelfenstern in Langhaus, Chor und Querschiff. Dort findet sie
sich darüber inaus auch in der Einfassung der Gruppenfenster aus zwei
Lanzettfenstern und einem darüber liegenden großen Rundfenster
(„Oculus“). Diese Gruppenfenster sollen in besonderer Weise den
Gemeinderaum belichten. Sämtliche Spitzbogen, innen oder außen, sind mit
einfach oder doppelt gesetzten Rundstab-Formziegeln immer im Wechsel von
breitem und schmalem Ansatz eingefasst, so dass sich die Fenster optisch
mit der umgebenden Wand unlösbar verzahnen.
„Man versteht unter Glasmalerei die mosaikartige, aus verschieden gefärbten Gläsern zusammengesetzte Verglasung von Fenstern, die dekorativ oder bildhaft sein kann und zu ihrer Wirkung durchscheinendes Licht benötigt“ (Hans H. Hofstätter, Geschichte der Glasmalerei, München 1967, in: Xavier Barral I Atlet (Hg.), Heiliges Licht, Köln 2003, S. 11). Genau dieser Beschreibung entspricht die Verglasung der Christuskirche. Sie ist mosaikartig und noch in ihrer ursprünglichen Form aus der Erbauungszeit aus der Glasmalereianstalt Ferdinand Müller in Quedlinburg erhalten und hat ein klares Programm. So enthalten alle Fenster im Langhaus und Querschiff, da wo die Gemeinde sitzt, der Belichtung wegen nur rein weißes Tischkathedralglas. Nur die farbigen Bordüren und die Raster der Bleistege aus Diagonalen und Kreisen machen sie - außer der Lanzettform natürlich - zu echten Kirchenfenstern.
Der technische und malerische Aufwand der Verglasung steigert sich in den drei Chorfenstern, die das „alltägliche“ Tageslicht durch ein Leuchten besonderer Art ersetzen. Das Chorscheitelfenster ist dabei mit der Christusfigur der Höhepunkt des Innenraumes und des ganzen Fensterprogramms.
Verfolgen wir dieses Programm einmal rückwärts. Man gewinnt den Eindruck, als habe der Glasmaler im zentralen Christusfenster alles an gotischer Architektur und ihrem Zierrat nachgeholt, was sich der Architekt am Bau selbst versagen musste. Zwei leicht und zerbrechlich wirkende Pfeiler und Säulchen werden fünffach übereinander gestellt und dabei immer wieder durch Blattkapitelle, Dächlein und Giebelchen getrennt. Sie enden in krabbenbesetzten Fialen mit kleinen Kreuzblumen und flankieren vor leuchtend rotem sphärischem Mosaik einen Dreiecksgiebel („Wimperg“), der außen mit Krabben und Kreuzblume besetzt, innen von einem in fünf Achtel geteilten Spitzbogen gestützt wird. Die einzelnen Achtel werden ihrerseits wieder durch einspringende Nase gedrittelt. Das aus Maßwerk gebildete zentrale goldene Giebeldreieck zeigt in seiner Mitte einen Dreipass, der als Symbol für die Dreifaltigkeit gedeutet werden kann. Der Sockel unter diesem imaginären Tabernakel wird von vier kleinen und einem größeren Maßwerkbogen unter einer Leiste von goldenen Nasen gebildet, die vor eine mit Fenstern versehene Mauer gestellt sind. Prächtiger geht’s nicht und gotischer auch nicht. In diesem Rahmen steht der segnende und einladende Christus in weißer Tunika unter einem roten, mit Goldborden gesäumten und grün gefütterten Obergewand vor einem in Fransen auslaufenden Wandteppich barfuß auf dem durch Pflanzen und Steine angedeuteten bloßen Erdboden. Seine rechte Hand ist zum Segen erhoben, die linke ist einladend dem Betrachter zugewandt. Sein ebenmäßiges und in Schönheit idealisiertes Antlitz schaut jedem unverwandt in die Augen. Christi Haupt umgibt ein kreuzförmig hinterlegter Heiligenschein, der sich vom regelmäßig aufgeteilten und mit fünf Sternen besetzten königsblauen Himmel wirkungsvoll abhebt.
In diesem Fenster entwickelt sich eigenartiger Widerspruch zwischen
der Architektur und der Christusfigur. Während das ganze Fenster in
seiner Farbstellung, seinen formalen Details und seiner glasmalerischen
Technik bewusst aus gotischer Zeit entnommen ist, ist die Christusfigur
in Haltung und Gewand, vor allem in Antlitz, Händen und Füßen im
Nazarenerstil dargestellt und tritt aus dem flächigen Hintergrund
plastisch hervor.
Die
Kunst des Historismus wollte die Gotik nicht nur übernehmen, sondern
nach Möglichkeit vervollkommnen. Dieses Bild wirkt im Ganzen besonders
ansprechend und fügt sich der Harmonie des ganzen Kirchenraumes
lückenlos ein. Bei genauerem Hinsehen erkennt man überdies, dass sich
die imaginäre gläserne Architektur des Christusfensters in vielen
geschnitzten Säulchen, Details des Kanzelkorbs wiederholt. So wird mit
dem Willen zu einem Gesamtkunstwerk eine gestalterische Beziehung
zwischen den unterschiedlichen Teilen der Kirche hergestellt.
Die
beiden seitlichen Chorfenster erscheinen als Teppichfenster gegenüber
dem Christusfenster wesentlich zurückhaltender und farblich
bescheidener. Ihr durchgehendes Grundmotiv ist eine etwa im Maß der
Spitzbogen gekrümmte goldene Raute, die in den je drei übereinander
gestellten quadratischen Fensterscheiben unverändert – oben etwas
verkleinert – wiederkehrt; die Rauten werden durch grüne Ringe
miteinander und mit dem Rand verkettet. Blaugelbe Blüten und rote
Mittelpunkte bilden außer den blauen Bordüren die wenigen Farbakzente.
Der Hintergrund wird lückenlos durch grafische Ornamente aus Kreisen,
Palmetten und Akanthusblättern systematisch gegliedert.
Die Rundfenster der Querschiffe (Oculi) greifen die dekorativen Themen der Chorfenster und ihre Ornamentik noch einmal auf. Vierundzwanzig grüne Palmetten auf blauem Grund im äußersten der drei konzentrischen Kreise und acht Palmetten vor roten Zwickeln im Mittelkreis umgeben jeweils ein zentrales Medaillon. Im linken der beiden erscheinen auf blauem Grund Ähren, Trauben und der Kelch des Heils, im rechten vor der aufgeschlagenen Bibel mit Alpha und Omega das Kleeblattkreuz, genau wie das Altarkreuz.
Die Verglasung zeigt alles, was Müller „für den Preis von 1626 M. zu leisten“ vermochte (Ferd. Müller im Schreiben vom 2.10.1898, in: „Hundert Jahre Christuskirche“, Warendorf 1999, S. 103); der Etat war demnach wohl mit dem vorliegenden Fensterprogramm völlig ausgeschöpft.
Im Jahre 2005 wurde die gesamte Verglasung von den Glasmalwerkstätten Hein Derix aus Kevelaer überprüft und durch eine Schutzverglasung der Chorfenster und Okuli im Bestand dauerhaft gesichert. Frühere Reparaturstellen wurden dabei nicht getilgt, so dass die Geschichte der Fenster auch nach der Bearbeitung sichtbar bleibt.
Weil die Verglasung „zu ihrer Wirkung durchscheinendes Licht benötigt“ (s. Anm. 1), verändern sich die Fenster mit den Lichtverhältnissen im Tages- und Jahreslauf unaufhörlich. Das macht die besondere Stärke und den Zauber der Glasmalerei aus, der durch keins der sonstigen klassischen künstlerischen Medien zu ersetzen ist.
Die Hagelfeier-Prozession 1709
Die Madonna auf dem Marienkirchplatz
100 Jahre St. Marien
Ausstellung:
100 Jahre St. Marien
Franziskanerkloster-Geschichte
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Die barocke Krippe
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Besichtigung der Grablege am 19.5.10
2008 und 2010: Bilder des Franziskanerklosters
Besuch der Afhüppenkapelle am 2. 4. 11
Zukunft der Kapelle
Erste gemeinsame Fronleichnamsprozession 2010