Dr. h.c. Heinrich Windelen MdB 
*1921 in Bolkenhain/ Oberschlesien; +2016 in Warendorf
von Mechtild Wolff

Im Jahre 2021 beging die Stadt Warendorf den 100. Geburtstag von Heinrich Windelen mit einem Festakt - das gibt es höchst selten in unserer Stadt und ist ein schönes Zeichen, dass die Bedeutung des langjährigen Bundestags-abgeordneter Heinrich Windelens in seiner Heimatstadt Anerkennung findet.

Aber was hat den Schlesier Heinrich Windelen nach Warendorf verschlagen und wie kam er in die Politik, denn geboren wurde Windelen am 26. Juni 1921 in Bolkenhain im schlesischen Riesengebirge, als Sohn des Lederfabrikanten Engelbert Windelen und seiner Frau Anna. Engelbert Windelen war ein aktives Mitglied der Zentrumspartei und machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die NSDAP. Das hat auch seinen Sohn Heinrich geprägt. Dieser sollte später die Lederfabrik übernehmen, darum studierte er nach seinem Abitur Physik und Chemie in Breslau. Die schöne Studienzeit wurde aber 1941 abrupt beendet, als Heinrich Windelen in die Wehrmacht eingezogen wurde. Den grausamen Krieg musste er bis zum letzten Tag mitmachen und kam 1945 in Bayern in amerikanische Gefangenschaft. Weil er eine Adresse in Warendorf angeben konnte - damals noch zur amerikanischen Zone gehörend - und er behauptete, Student der Landwirtschaft zu sein, wurde er schon im Herbst 1945 entlassen, denn die Landwirtschaft brauchte dringend Erntehelfer!!! In seine schlesische Heimat hätte er nicht zurückgehen gekonnt, obwohl seine Eltern dort noch ausharrten. Sie durften erst 1947 Schlesien verlassen. So schlug sich Heinrich Windelen nach Warendorf durch, wo er seine Schwestern fand, die im Kolpinghaus mit vielen anderen Vertriebenen zusammen eine notdürftige Bleibe gefunden hatten. Der Saal des Kolpinghauses blieb als Versammlungsort erhalten, aber die Empore im Saal durften die Flüchtlinge als Abstellmöglichkeit nutzen. So bemerkte eine der Schwestern eines Abends, dass unten im Saal eine Versammlung stattfand, bei der heftig über die Situation der Flüchtlinge und die allgemeine politische Lage diskutiert wurde. Das interessiert doch unseren Heinrich! Er ging in den Saal und beteiligte sich engagiert an der Diskussion und man kam schnell zu dem Ergebnis, dass dringend ein Flüchtlingsbeirat gebildet werden müsse. Nur wer soll dieses schwierige Themenfeld in die Hand nehmen. „Der, der da eben gesprochen hat, soll für uns alle sprechen!“ So wurde der 24jährige Heinrich Windelen zum ersten Vorsitzenden des Flüchtlingsbeirates gewählt, Elisabeth Schwerbrock wurde seine Stellvertreterin, denn klugerweise war festgelegt worden, dass immer ein Flüchtling mit einem Einheimischen zusammenarbeiteten sollte. Es war wahrlich keine leichte Aufgabe, die diese beiden Engagierten zu bewältigen hatten. In guter Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsamt der Stadt mussten nun den mittellosen Flüchtlingen Möbel, Kleidung, Nahrung und vor allem eine Wohnung beschafft werden. Eine wahre Herkulesaufgabe! Aber Heinrich Windelen war geprägt durch ein immer aktives und politisch denkendes Elternhaus und hatte in Elisabeth Schwerbrock eine unermüdliche, energische und tatkräftige Mitstreiterin. Auch als 1946 die CDU begründet wurde, standen Heinrich Windelen und Elisabeth Schwerbrock in erster Reihe und kandidierten 1948 für den ersten demokratisch gewählten Stadtrat, der damals noch unter der Aufsicht der Besatzungsmacht stand. Beide haben die Geschicke unserer Stadt wesentlich mitbestimmten, Elisabeth Schwerbrock bis 1956 und Heinrich Windelen bis 1964.

Windelen gab schon 1947 der politisch interessierten Jugend durch die Gründung der „Jungen Union“ eine neue politische Heimat und im selben Jahr wurde er in den Kreistag gewählt. Auch hier konnte er sich für die Heimatver-triebenen einsetzen, denn die standen buchstäblich vor dem Nichts und waren in Warendorf gestrandet nur mit den Kleidern auf dem Leib und ein paar Habseligkeiten in einem Handköfferchen. Ihre geretteten Wertsachen waren ihnen fast immer auf der Flucht geraubt worden. Aber die Flüchtlinge  konnten arbeiten, waren vielfach tüchtige Handwerker oder Textilfachleute, denn Schlesien war für seine leistungsfähige Textilindustrie bekannt. So wurden sie auch in Warendorf schnell eine Bereicherung für Handwerk und Gewerbe.

Maßgeblich beteiligt war Heinrich Windelen an der Förderung der Errichtung von Eigenheimen, die damals immer einen großen Garten hatten, wo Obst und Gemüse angebaut und ein Schwein fett gefüttert werden konnte.

Als Mitte der 1950er Jahre die größte Not gelindert war, stellte die CDU Heinrich Windelen als Warendorfs Bundestagsabgeordneten auf. Von 1957-1990, also 33 Jahre lang, vertrat er die Interessen des Kreises Warendorf im Deutschen Bundestag. Er wurde immer direkt gewählt und hat viel Gutes für Stadt und Kreis bewirkt. Seine Biographie, die Heimat verloren zu haben, prägte auch seine politische Arbeit in Bonn. Er wurde 1969 zum Vertriebenenminister ernannt und von 1983-1987 war er unter Bundeskanzler Helmuth Kohl Minister für Innerdeutsche Beziehungen. Hier war er auch Ansprechpartner für viele DDR Bürger und hat so manche Familienzusammenführung ermöglicht.

Windelen hat sich aber nie verbiegen lassen, ja, er leistete sich den Luxus einer eigenen Meinung. So verweigerte er der Regierung Kohl 1990 seine Zustimmung zur Festlegung der Oder-Neiße-Linie als Deutsche Ostgrenze. Seine Erfahrun-gen von Diktatur, Krieg und Vertreibung hatten seine Überzeugung geprägt, dass die Deutschen Ostgebiete nicht aufgegeben werden dürfen. 1990, im Jahr der Deutschen Einheit beendete Heinrich Windelen seine politische Karriere im deutschen Bundestag in Bonn. Für die Einheit seines Vaterlandes hatte er all die Jahre gekämpft und das Bewusstsein für dieses zentrale Thema wachgehalten. Dass er die Wiedervereinigung noch miterleben würde - das hatte auch er nicht zu hoffen gewagt. Mit Heinrich Windelen verlor die CDU-Bundestagsfraktion aber auch ihren führenden Haushaltspolitiker. Er hat in seiner politischen Zeit viele hohe Partei- und Fraktionsämter ausgefüllt und sich insbesondere um die Führung der CDU in Nordrhein Westfalen verdient gemacht.


Bürgermeister Kluck empfängt eine Delegation aus Bonn mit Heinrich Windelen

  

Als er 1990 im Alter von 69 Jahren auf eine erneute Kandidatur für den Deutschen Bundestag verzichtete, engagierte sich als deutscher Co-Vorsitzender der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit für die Aussöhnung mit dem polnischen Nachbarn. Bis ins hohe Alter blieb er ein aufmerksamer Beobachter der deutschen und der europäischen Politik und meldete sich in Interviews und Leserbriefen zu Wort.

Rückblickend auf ein halbes Jahrhundert politischer Arbeit sagte Heinrich Windelen am Ende seines Lebens: „Als ich anfing hatten wir nichts, kein Geld, keine Gesetze und viele Probleme. Die Situation heute ist umgedreht: Früher hatten wir Notstandsprobleme, heute haben wir Wohlstandsprobleme.“

Heinrich Windelen hat seiner Wahlheimatstadt Warendorf immer die Treue gehalten. Hier wohnte er gerne, hier hatte er 1954 Ingeborg Kreutzer geheiratet, hier waren seine vier Kinder aufgewachsen, hier hatte er seine Freunde und viele politische Wegbegleiter. Hier hat er im Wahlkampf sich immer auf seine treuen Helfer verlassen können, insbesondere auf die Junge Union, die ihren „Heini Pampers“, wie sie ihn jugendgemäß despektierlich, aber liebevoll nannten, zu allen Wahlkampfeinsetzen begleiteten.                                 

Heinrich Windelens Engagement wurde vielfach geehrt. 1986, an seinem 65. Geburtstag, verlieh ihm Bundeskanzler Helmut Kohl im Palais Schaumburg das große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband – eine solch hohe Ehrung hatte es vorher noch nicht gegeben. Schon 1983 hatte er das Große Goldene Ehrenzeichen mit Stern der Republik Österreich überreicht bekommen. 1991 ernannte die Stadt Warendorf ihn zum Ehrenbürger, nicht zuletzt wegen seines bedeutsamen Engagements für die Stadt – ohne ihn hätte es die Ansiedlung der Bundeswehrsportschule, des DOKR und des Modernen Fünfkampfs in Warendorf.

  

Am 16. Februar 2016 verstarb Heinrich Windelen im gesegneten Alter von 93 Jahren in seinem Alterswohnsitz im Koster zum Hl. Kreuz in Freckenhorst. In seiner Gedenkrede in der Laurentiuskirche würdigte der Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert den ehemaligen CDU-Abgeordneten und Vize-Präsidenten des Deutschen Bundestages Dr. h.c. Heinrich Windelen als „Parlamentarier aus Leidenschaft“. „Wir sind Heinrich Windelen dankbar für alles, was er für den Aufbau einer stabilen parlamentarischen Demokratie in unserem Lande über viele Jahre hinweg geleistet hat. Heinrich Windelen war ein pflichtbewusster Politiker, der die anstehenden Probleme gründlich analysierte und mit preußischer Genauigkeit verfolgte. Er schielte nicht nach dem Erfolg der Welt, er hängte auch nicht sein Mäntelchen in den Wind und scheute sich nicht, Unpopuläres auszusprechen. Er war immer ein eher nüchterner, auf Ausgleich bedachter Politiker.“

Zu seinem 100. Geburtstag am 25.6.2021 lud der neue Bürgermeister Peter Horstmann zu einer Feierstunde in den Sophiensaal ein. Seine Familie, ehemalige Weggefährten, Vertreter aus der Politik und dem Rat der Stadt Warendorf erlebten einen beeindruckenden Rückblick auf das Leben des bedeutenden Politiker Heinrich Windelen.

 

Quellen:

Elke Seul: Biete Klo – suche Geige 1985

Geschichte der Stadt Warendorf 2000

Dr. Norbert Lammer: Gedenkrede in der Laurentiuskirche 2016

Presseberichte aus der Glocke und den Westfälischen Nachrichten

Text: Mechtild Wolff

 

Die Warendorfer Friedhöfe

Der Warendorf Friedhof:
Spiegel der Stadtgeschichte

Johanna Brinkhaus
Hermann Josef Brinkhaus
Laurenz Schmedding 
Franz Strumann 
Wilhelm Veltmann
Familie Miele
Familie Dr. Kaloff
Familie Hanewinkel

Die sogenannten "Paters-Gräber"
Heinrich Friederichs
Bürgermeisters Diederich
Familie Hagedorn
Familie Bispinck
Familie Kottrup Westhoff
Heinrich Windelen

 

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