Ergänzend
zu der Geschichte über Schuster Niemann möchte ich von dem einzigen
Holzschuhmacher erzählen, der in der Innenstadt Warendorfs lebte und arbeitete.
Theodor Wenner wohnte mit seiner Frau und seinen drei Kindern am Ende der Langen
Kesselstraße/Ecke Kurze Kesselstraße. Er hatte das Holzschuhmacher Handwerk
erlernt.
Vor seinem Haus lagen Pappelstämme,
denn das weiche Holz der Pappel oder der Weide war für die Herstellung von
Holzschuhen besonders geeignet. Die Stämme wurden in passend große Stücke
gesägt. Die Kinder konnten helfen, die etwa vierzig Zentimeter langen Stücke ins
Haus zu tragen. Das Holz musste bei der Verarbeitung gut abgelagert sein.
Nun machte Meister Wenner sich an die Arbeit. Er trug eine große
Schürze und begann die erste Formgebung. Auf einem Schemel sitzend klemmte er
sich das Holzstück zwischen die Knie und schnitzte mit einem der langen
Spezialmesser zur Holzschuhanfertigung die Holzschuhform aus dem Holzblock.
Wichtig war die elegante Spitze, die bei beiden Holsken gleich sein musste.
Das
Aushöhlen des Rohlings und seine Formgebung für den Fuß war die
schwierigste Arbeit. Mit einem Löffelbohrer wurde die Fußlänge ausgehöhlt. Der
geübte Holzschuhmacher kannte jeden Griff für ein glattes Fußbett.
Hatte ein Kunde einen besonderen Wunsch für seine verkrüppelten
oder krummen Zehen oder für einen Fußballen, dann passte Meister Wenner den
Holzschuh ganz individuell an. Auf den fertigen Holzschuh wurde eine Lederlasche
mit einer besonderen Klebepaste aufgeklebt. Eine weiche Randeinfassung sollte
den Druck beim Gehen abfedern. Die Lederlaschen oder Zungen kaufte Herr Wenner
an der holländischen Grenze ein. Es gab nur drei Größen: für Männer, Frauen oder
Kinder.
Für
den Winter
fertigte er auf Wunsch Holzschuhe mit Lederschaft an.
In der Werkstatt wurden die fertigen Holzschuhe auf einem Regal zum Verkauf
angeboten. Die abfallenden Späne brachten dem Holzschuhmacher einen kleinen
Nebenverdienst. Seine Tochter sammelte die Späne in einem Sack. Auf den
Bollerwagen gepackt brachte sie diesen wertvollen Brennstoff zu einem Kunden.
Dafür bekam sie fünfzig Pfennig, ihr Anteil war 5 Pfennige, über die sie sich
sehr freute.
Anfang der Dreißiger Jahre ließ der Bedarf an Holzschuhen nach.
Herr Wenner suchte sich ein zweites Standbein und arbeitete in dem größer
werdenden Betrieb des Schlachthofes.
Schon
immer wurden auf dem Lande bei den Bauern Holzschuhe getragen. Nach
dem ersten Weltkrieg kamen viele Kinder, vor allem die aus den Bauernschaften,
mit Holzschuhen zur Schule. Waren die Holsken auch innen nass geworden, wurden
sie im Klassenraum rund um den Kanonenofen gestellt, um während der Schulstunden
zu trocknen. In den Holzschuhen trug man handgestrickte Wollsocken, oft sogar
aus selbst gesponnener Wolle von eigenen Schafen.
Kenner trugen Haiensocken, die aus Hanf-Bindegarn gestrickt
wurden. Damit bekam man bestimmt keine kalten Füße. Bei Regen, Schneematsch oder
in Pfützen schützte der etwa drei Zentimeter hohe Rand vor nassen Füßen.
Schmutzige Klotschen wurden abgewaschen und zum Trocknen mit der Spitze nach
oben an die Wand gestellt.
Auch wir Stadtkinder trugen
im Winter bei Schnee und Matsch gern Holzschuhe. Mit den Holsken konnte man die
vereisten Straßen wunderbar zu einer spiegelglatten Eisbahn werden lassen. Ja,
es gab sogar getrennte Schlinderbahnen - für Holzschuhe und für Lederschuhe.
Das waren unsere kleinen Winterfreuden.
Eugenie
Haunhorst wurde als drittes von fünf Kindern am 12. 12. 1912 in Warendorf
geboren. Ihre Eltern waren Eugenie und Eduard Göcke, der als Lehrer an der
Münsterwallschule tätig war.
Die Autorin Eugenie Haunhorst geb. Göcke
wurde 1912 in Warendorf geboren und wuchs in
einer Lehrerfamilie mit vier Geschwistern auf.
Im Alter von 90 Jahren begann sie, Erinnerungen
aus ihrem Leben im Warendorf der 1920er Jahre
aufzuschreiben. Sie starb 2016 im Alter von 103
Jahren.
Bilder: Eugenie Haunhorst
alle Rechte vorbehalten: Eugenie Haunhorst 2006