Die Kirche und der um sie herum liegende Kirchhof bildeten der Mittelpunkt der Pfarrgemeinde. Rund um die Pfarrkirchen wurde dicht an dicht und nach einer Ruhezeit auch übereinander beerdigt. Der Kirchhof war viele Jahrhunderte lang die Ruhestätte der Toten.
Ab 1810 galt in Warendorf die Verordnung, nur auf dem neuen Friedhof am Osttor zu beerdigen – vor den Toren der Stadt. Dieser stadtnahe Friedhof hatte nach fast 100 Jahren seine Kapazitätsgrenzen erreicht. Viele schöne, alte Gedenksteine sind leider in den dreißiger Jahren entfernt worden. Nur den Obelisken hat man als zentralen Punkt des Platzes erhalten. Dieser Obelisk ist das Grabmal von Franz Joseph Zumloh und trägt die Inschrift:
“Franz Joseph Zumloh, geboren zu Warendorf am 16. März.1764, starb ebenda am
7. Mai 1854. Durch Frömmigkeit, Güte und Freigiebigkeit hat er sich ein Denkmal errichtet, dauernder als Erz.“
Nach ihm wurde das ehemalige Friedhofsgelände „Zumloh-Platz“ benannt. Franz Joseph Zumloh war ein angesehener Bürger unserer Stadt. Er hat durch eine Stiftung das Warendorfer Krankenhaus begründet, das ihm zu Ehren „Josephs-Hospital“ genannt wurde.
Der Friedhof an der Breiten Straße ist um 1890 angelegt worden und wurde mehrmals dem Bedarf entsprechend erweitert. Er strahlt eine wohltuende Ruhe aus und lädt zum Spazieren gehen und zum Verweilen ein.
In der ersten Reihe auf diesem neuen Friedhof wurde 1897 Elisabeth Haunhorst, die Großmutter meines Mannes, beigesetzt. Der alte Grabstein ist erhalten und wurde vor einigen Jahren restauriert.
Ein großes, gut erhaltenes Denkmal ist für den 1885 verstorbenen Fabrikanten Hermann Brinkhaus errichtet worden. Typisch für die Zeit ist das separat liegende, liebevoll verzierte weiße Marmorkreuz.
Einige weitere alte Denkmäler sind erhalten gebleiben, z. B. von den Familien Franz Schwerbrock-Diepenbrock, B. Niemer, Johannes Ahmerkamp, den Familien Schwienhorst und Menge, Gerichtsrat Brockhausen, Carl und Franziska Lünninghaus, Apotheker Jodocus Veltman.
Sie alle wurden um 1900 errichtet.
Die Mitte unseres Friedhofs bildet ein gepflegtes Rundbeet mit einem großen Kreuz, das von alten Bäumen beschattet wird. Die verstorbenen Geistlichen unserer Stadt finden hier ihre letzte Ruhe.
Bei einem besinnlichen Gang über den Friedhof sieht man Grabsteine aus den verschiedensten Zeitepochen.
Heute ist die Mehrzahl der Gedenksteine modern.
Durch Verwitterung oder Besitzwechsel sind leider viele alte Grabsteine verschwunden.
Aus der Beschriftung der Grabsteine der Familien Anton und Georg
Hagedorn kann man die Familiengeschichte einer kinderreichen Familie
ablesen.
Traurige Nachrichten sind vielen Grabtafeln zu entnehmen. An die
Opfer aus beiden Weltkriegen, deren Grab in der Fremde ist, wird
durch Inschriften erinnert.
Die beiden Söhne der Familie Dr. Kaloff fielen im ersten Weltkrieg im Alter von 19 und 22 Jahren. Viele andere Familien haben dieses Schicksal geteilt.
Einige Meter vom großen Kreuz entfernt befindet sich am Hauptweg eine der größten Grabanlagen des Friedhofs, die Ruhestätte der Familie des tüchtigen Goldschmiedes Miele. Weil die Särge der Verstorbenen in einer unterirdischen Kammer beigesetzt wurden, spricht man von einem Kammergrab. Auf den Grabtafeln sind die Namen und die Lebensdaten der 11 Familienmitglieder zu lesen, die hier ihre letzte Ruhe fanden.
Die Grabanlage dokumentiert die Geschichte einer bedeutenden Warendorfer Familie, die heute ausgestorben ist.
Heinrich Miele gab l929 die Errichtung der Gruft bei der Warendorfer Firma Hanewinkel an der Wallpromenade in Auftrag. Nach heute noch erhaltenen Bauzeichnungen wurde die Grabkammer gemauert. Die darüber errichtete Grabstätte besteht aus schwarzem schwedischen Granit und einer Einfassung aus hellerem Granit. Kleine Säulen tragen eine schwere Bronzekette. Die in das große Grabmonument eingelassene Kreuzigungsgruppe aus italienischem Marmor ist sehr beeindruckend. Sie wurde von Steinbildhauern der Firma Fratelli Tonetti aus Pietrasanta in Italien gearbeitet.
Der Erbauer dieser Grabanlage, Heinrich Miele, wurde 1860 in Warendorf geboren. Durch Fleiß und Tüchtigkeit gelangte er in Holland, Belgien und Frankreich zu großem Reichtum. Heinrich Miele fühlte sich seiner Geburtsstadt stets sehr verbunden und kam oft nach Warendorf zu seinem Bruder und seinen Freunden. Er übergab dem Bürgermeister manche Spende für Bedürftige und Arme. Heinrich Miele verlebte seine letzten Lebensjahre in Wiesbaden und Amsterdam und starb 1940 in Haarlem. Sein einziger Sohn starb 1942 in Amsterdam. Kriegsbedingt konnten beide nicht in der Familiengruft ihre letzte Ruhe finden. Das war eigentlich Heinrich Mieles großer Wunsch gewesen.
Schräg gegenüber liegt die Grabstätte der Familie Hanewinkel, dem Baumeister des Miele Kammergrabes. Ich erinnere mich noch gut an die traurige Beerdigung des hoffnungsvollen Sohnes der Familie, des Sekundaners Heinz Hanewinkel. Geboren 1908, starb er am 16.8.1924. Er war ein Mitschüler meines Bruders Otto. Seine traurigen Klassenkameraden gaben ihm das letzte Geleit; nur niemand wollte die Schulfahne vorantragen.
Es hielt sich schon seit langer Zeit der furchtbare Verdacht, dass derjenige, der bei einer Beerdigung die Schulfahne trägt, als nächster zu Grabe getragen wird. Heinz Hanewinkel hatte vor gar nicht langer Zeit die Schulfahne bei einer Beerdigung getragen. Nun gab man ihm das letzte Geleit.
Das Tragen der Schulfahne bei einer
Beerdigung hatte nun ein Ende.
Sterbefälle in jugendlichem Alter waren damals allerdings keine
Seltenheit. Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg war sehr
entbehrungsreich, die Ernährung war schlecht, Armut weit verbreitet.
Gegen viele Krankheiten war noch kein Kraut gewachsen.
Demontage der schmiedeeisernen Gitter einer Familiengruft 1943
Früher waren viele Familiengräber mit schmiedeeisernen Gittern umrandet. Auf diese eisernen Gitter hatte man es im Zweiten Weltkrieg abgesehen, da der Bedarf an Eisen für Kriegszwecke sehr groß war. Das Foto zeigt die Demontage der Eisengitter, die für die Herstellung von Kanonenkugeln eingeschmolzen wurden. Eine traurige Tatsache!
Eine Grabstätte mit einem schönen schmiedeeisernen Gitter ist erhalten geblieben: die des früheren Bürgermeisters Wilhelm Diederich. Bei seinem Tode 1910 schenkte die Stadt ihrem verdienten Bürgermeister diese Gruft in ehrendem Andenken. Als tüchtiger Bürgermeister war Wilhelm Diederich 35 Jahre lang in Warendorf tätig gewesen. Auch seine Frau und seine Tochter wurden hier bestattet. Später übernahm Familie Lepper diese Gruft. Der Stadtrentmeister Theodor Lepper, ein verdienter Bürger unserer Stadt, und seine Frau fanden hier ihre letzte Ruhe. Die Grabstätte steht unter Denkmalschutz und muss im jetzigen Zustand erhalten bleiben.
An den Städtischen Friedhof schließt sich übergangslos der Bauernfriedhof an, der schon 1821 von der katholischen Landbevölkerung angelegt wurde. Beim Betrachten der schönen Gedenksteine und ihrer Inschriften findet man die Namen der Bauern und Bewohner aus den Bauernschaften rund um Warendorf. Auch der Bauernfriedhof strahlt eine gepflegte, wohltuende Ruhe aus.
Die Autorin Eugenie Haunhorst geb. Göcke wurde 1912 in Warendorf
geboren und wuchs in einer Lehrerfamilie mit vier Geschwistern auf. Im
Alter von 90 Jahren begann sie, Erinnerungen aus ihrem Leben im
Warendorf der 1920er Jahre aufzuschreiben. Sie starb 2016 im Alter von
103 Jahren.