1941
wurde der linientreue Nationalsozialist Wilhelm Haase in Vertretung für
den Soldat gewordenen Kurt Hachmann kommissarischer Bürgermeister von
Warendorf. Haase war schon 1930 in die NSDAP eingetreten und hatte eine
steile Parteikarriere gemacht. Seit 1938 war er Amtsbürgermeister in
Ostbevern und nun konnte er auch in Warendorf ein strikteres NS-Regime
durchsetzen. Er versetzte die Warendorfer Bevölkerung in Angst und
Schrecken. Im Dezember 1941 sorgte dafür, dass die letzten sechs in
Warendorf lebenden Juden Arnold, Ella, Frieda, Hugo und Walter Spiegel
und Berta Samuel deportiert wurden. Sie kehrten nie wieder. Obwohl
Warendorf jetzt „judenfrei“ war, setzte Haase die antisemitische Hetze
fort.
Um den NS-Einfluss auf die Warendorfer Gymnasien zu verstärken,
verfolgte Bürgermeister Haase schon seit 1942 die Absetzung von Frau Dr.
Maria Moormann. Sie war die christlich orientierte Direktorin der
Marienschule - seit 1941 in „Justus-Möser-Schule“ umbenannt.
Erst
Ende 1944 gelang es Bürgermeister Haase, die Direktorin Dr. Moormann
ihres Amtes zu entheben und der linientreue Direktor des Gymnasium
Laurentianum, Herr Dr. Donnermann, übernahm die Leitung. Alle Kinder
sollten in die NS-Propaganda einbezogen werden, sogar die
Kindergartenkinder schwenkten beim Kinderfest fröhlich ihre
Hakenkreuz-Fähnchen.
Auch in Warendorf kamen Kriegsgefangene zum Arbeitseinsatz,
ohne sie hätte die Kriegswirtschaft nicht aufrechterhalten werden
können. Ab Herbst 1939 wurden Polen eingesetzt, ab 1940 Franzosen,
Holländer und Belgier und ab 1942 Russen. Diese ausländischen
Zwangsarbeiter waren am Stadtrand in mehreren Gefangenenlagern
untergebracht und kamen in der Landwirtschaft, in der Industrie und im
Handwerk zum Einsatz. Je kleiner die Betriebe waren, desto menschlicher
war die Behandlung der Gefangenen, was der NS-Obrigkeit ein Dorn im Auge
war und bestraft wurde. NS-Bürgermeister Haase war ein besonders
strikter Kontrolleur beim Umgang mit Kriegsgefangenen und
Zwangsarbeitern, der jegliche Missachtung der strengen Vorschriften
unnachgiebig ahndete. Trauriger Höhepunkt war im März 1945 die Ermordung
von 13 Zwangsarbeitern in Lippermanns Knäppen. Erst mit der
Machtübernahme der Alliierten hatte das Leid der Zwangsarbeiter ein
Ende, sie wurden befreit und in Sammellagern in der Reit-und Fahrschule
und im Gestüt untergebracht, um dann in ihre Heimatländer entlassen zu
werden. Erstaunlich ist, dass viele Bürger diese Zwangsarbeiterlager gar
nicht wahrnahmen. Erst nach Kriegsende gerieten die Kriegsgefangenen und
Zwangsarbeiter, jetzt „Displaced Persons“ genannt, wegen der
Plünderungen und Überfälle in das Blickfeld der Normalbürger.
In den letzten Kriegstagen, am 31. März 1945, es war
Karsamstag, verließ Bürgermeister Haase zusammen mit Landrat Gerdes in
Sanitäter-Uniformen fluchtartig die Stadt. Die Siegermächte waren im
Anmarsch, das bedeutete für diese beiden fanatischen NSDAP-Bediensteten
nichts Gutes. Bürgermeister Haase übergab die Verantwortung für die
Stadt Warendorf dem Stadtrendanten Theodor Lepper. Er war der
dienstälteste Beamte der Stadtverwaltung: „Das Schicksal der Stadt liegt
jetzt in ihrer Hand. Bei einem Angriff auf Warendorf werden Sie jetzt
entscheiden müssen. Bedenken Sie dabei aber, dass eine evtl. Besetzung
der Stadt nur kurze Zeit dauern wird, denn vom Teutoburger Wald aus, wo
erhebliche Truppenverbände bereit stehen, erfolgt der Rückschlag.“ Mit
diesen Worten verließ Bürgermeister Haase die Stadt und ließ den
Stadtrendanten Lepper und den Standortältesten Oberst Winkel mit den
Problemen des Kriegsendes allein. Für ihre Flucht benutzten
Bürgermeister Haase und Landrat Gerdes ihre Dienstfahrzeuge und das
extra dafür gehortete Fluchtbenzin.
Die beiden NS-Beamten wurden bald von den US-Truppen gefangen
genommen und Wilhelm Haase starb noch 1945 im Alter von 51 Jahren im
Internierungslager bei Ostende/Belgien.
Mechtild Wolff
Quellen:
Jürgen Goyny: Warendorf in der NS-Zeit (1933-1945)
in: Geschichte der Stadt Warendorf Band II
Bilder:
Archiv Hans Rennemeier und Bildarchiv der Altstadtfreunde