Am 23. März 2021 wäre unser ehemaliger Bürgermeister Dr. Hans
Kluck 100 Jahre alt geworden. Er war ein bedeutender Bürgermeister, der
in guter Zusammenarbeit mit den beiden Stadtdirektoren Dr. Kurt Mertens
und Hellmuth Schmeichel das kleine Landstädtchen Warendorf zu einer
international beachtete Touristenstadt weiterentwickelte.
sein Vorgänger: Hermann Menge 1961-1964
sein Nachfolger: Dr. Günther Drescher 1980-1994
Stadtdirektor: Dr. Kurt Mertens 1955-1967
Stadtdirektor: Hellmuth Schmeichel 1967-1991
Dr.
Hans Kluck wurde durch sein politisches Engagement zu einem überzeugten
Warendorfer. Eigentlich war er Münsteraner, dort war er geboren und
aufgewachsen, hatte am Ratsgymnasium sein Abitur gemacht und wollte in
Münster Philologie und Kunst studieren. Doch der Beginn des Zweiten
Weltkriegs machte ihm einen Strich durch diese Pläne. Er
wurde sehr früh eingezogen und brachte es als Marineflieger zum
Offizier, wurde viermal verwundet, überstand aber das Inferno des
Krieges. Ende des Krieges heiratete er Irmgard, die schon fertig
ausgebildete Zahnärztin war. Jetzt entschloss sich auch Hans Kluck,
Zahnmedizin zu studieren und nach Abschluss seines Studiums 1951
eröffnete das Ehepaar Drs. Kluck in Warendorf am Marktplatz eine
gemeinsame Zahnarztpraxis. Bald engagierte sich Hans Kluck in der CDU
und gewann 1961 ein Ratsmandat. Schon vier Jahre später wurde er zum
ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt.
Diese Jahre waren geprägt von dem Gedanken der Versöhnung zwischen den Völkern. Tiefe Wunden hatte der Zweite Weltkrieg geschlagen. Erst Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle hatten den Mut und die Weitsicht, das Ruder in Richtung Annäherung umzulegen und unterzeichneten am 22. Januar 1963 den Elysée-Vertrag. Die Ziele des Vertrags wollte man auch in Warendorf mit Inhalten füllen. So wurde bereits am 16. März 1963 in der Emsstadt die Deutsch-Französische Gesellschaft (DFG) aus der Taufe gehoben, die den Kontakt zu der kleinen Stadt Barentin in der Haute-Normandie herstellte.
1965 im Warendorfer Rathaus bei der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde |
André Marie (1897–1974) war dort schon seit 1945 der engagierte Bürgermeister, außerdem war er in der Französischen Zentralregierung mehrfach Minister gewesen und sogar französischer Ministerpräsident. Mit seinem Warendorfer Amtskollegen Dr. Hans Kluck fand er schon beim ersten Besuch guten Kontakt, ja sie selbst sagten, als ehemalige Kriegsteilnehmer seien sie „Seelenverwandte“ gewesen. Beide Städte waren an einer „Jumelage“ sehr interessiert und Dank des intensiven Engagements der DFG mit seinem unermüdlich tätigen Vorsitzenden Dr. Clemens Freiburg-Rüter kam es schon am 11. April 1965 im Warendorfer Rathaus zur Unterzeichnung der Partnerschaftserklärung. Damit hatten die Bürgermeister André Marie und Dr. Hans Kluck die Städtefreundschaft zwischen Barentin und Warendorf besiegelt. „Als ehemalige Kriegsteilnehmer und vehemente Verfechter einer deutsch-französischen Aussöhnung unterzeichneten sie in einer beeindruckenden Zeremonie im April 1965 die Partnerschaftsurkunden im Warendorfer Rathaus“, heißt es in einer Warendorfer Chronik. Schnell füllten die Bürger die Partnerschaft mit Leben und schon nach kurzer Zeit hatten viele Familien, Vereine und mehrere hundert Schüler, insbesondere Sportler, die von Theo Busse organisiert wurden, durch Ferienaufenthalte in den Familien die Gastfreundschaft unserer Nachbarn kennen und lieben gelernt. Vertrauen und Freundschaft wuchs auf beiden Seiten. Schon am 26. Mai 1965 kam es zu einem deutsch-französischen Fernseh-Großereignis, als bei der ersten Eurovisionssendung „Spiel ohne Grenzen“ Warendorf gegen das französische Dax antrat und sogar gewann und ein Millionenpublikum amüsierte.
Bürgermeister Dr. Hans Kluck mit dem Fünfkampfpräsidenten Thofel aus Schweden |
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Ja,
Warendorf bekam in dieser Zeit ganz neue Perspektiven. 1961 war es unter
Federführung des engagierten und durchsetzungsstarken Stadtdirektors Dr.
Kurt Mertens gelungen, dass sich in Warendorf der „Deutsche Verband für
Modernen Fünfkampf“ gründete (DVMF). Die lange Reitertradition
Warendorfs machte es möglich. Die Deutsche Reitschule stellte Pferde für
die Fünfkämpfer zur Verfügung, unser schönes Freibad und der neu
errichtete Schießstand sowie die Sportanlagen der Bundeswehr boten
ideale Trainingsbedingungen für die Sportler, die hohe Leistungen
bringen mussten im Springreiten, Schwimmen, Pistolenschießen,
Degenfechten und im Geländelauf. Mit finanzieller und ideeller
Unterstützung der Stadt entwickelte sich Warendorf zum Zentrum des
Modernen Fünfkampfs und war bis 1985 Standort des
Bundesleistungszentrums. Die Stadt Warendorf gewann an Bedeutung, hier
tagten der Sportausschuss des Deutschen Bundestages und der
Sportausschuss des Landtages Nordrhein-Westfalen. Wirtschaftsführer, der
Regierungspräsident, Staatssekretäre, Minister und Bundespräsidenten
besuchten die Ausbildungsstätten der so erfolgreichen Fünfkämpfer und
wurden von Bürgermeister Kluck im Rathaus empfangen und mit einem guten
Schluck aus den Silberpokalen geehrt.
Reg. Präsident Möcklinghoff mit Bürgermeister Dr. Kluck und
Stadtdirektor Hellmuth Schmeichel
Im
Zentrum des Sportgeschehens fühlten sich die Warendorfer, als 1970 die
Weltmeisterschaft im Modernen Fünfkampf in Warendorf abgehalten wurde
oder 1975 die Weltmeisterschaft im Fallschirmspringen. Welch ein Fest
für alle!
Im Jahr 1968 hatte man mit dem Bau eines
Bundesleistungszentrums mit Hallenbad begonnen. Dieses wurde 1972
fertiggestellt und schon 1977 fand hier der Internationale
Deutschlandpokal der DLRG mit Teilnehmern aus der ganzen Welt in
Warendorf statt.
Der 15. November 1974 war ein historischer Tag für Warendorf:
Bundesverteidigungsminister Georg Leber legte den Grundstein für die
Bundeswehrsportschule. Bürgermeister Dr. Kluck betonte in seiner
Glückwunschansprache die herausragende Bedeutung dieser einmaligen
Sporteinrichtung für die Stadt Warendorf. Tausende von Berufs- und
Zeitsoldaten lernten Warendorf als besonders gastfreundliche und
sehenswerte Stadt kennen, zahlreiche sportliche Großveranstaltungen mit
internationaler Ausstrahlung fanden hier statt und nicht zuletzt
profitierte der heimische Vereinssport von den modernen Anlagen der
Sportschule.
Verteidigungsminister Leber und das goldene Buch | Richtfest beim Bundesleistungszentrum |
Für die historische Altstadt in Warendorf entstanden in den 1970er
Jahren ganz neue Probleme, der Spagat zwischen Tradition und Moderne
musste gelöst werden. Die historischen Bürgerhäuser hatten den Krieg
unbeschadet über-standen, nicht aber die Aufbaujahre nach dem Krieg.
Schöne Bürgerhäuser an der Freckenhorsterstraße und der Münsterstraße
wurden abgerissen, um modernen Geschäfts- und Wohnhäusern Platz zu
machen. Nun sollte auch das klassizistische Gebäude des Clubs Harmonie
und das Geschäftshaus Jülkenbeck der Betonarchitektur weichen, was Gott
Dank verhindert wurde. Die Münsterwallschule mit dem Schlachthof wurde
allerdings abgerissen und durch ein modernes Volksbankgebäude ersetzt.
Man wollte der Sparkasse nicht nachstehen, die die prächtige
Fabrikantenvilla Bispinck abgerissen und ein Bankgebäude mit
Waschbetonfassaden erstellt hatte. Die Bürger von Warendorf waren ganz
und gar nicht begeistert. Das „Pöttken zum Überlaufen“ brachte der
Abriss der „Villa Sophia“ am Sassenberger Tor. Die um 1875 erbaute
Jugendstil-Villa des Textilfabrikanten Eduard Wiemann und seiner Frau
Sophia war in einem unversehrten Zustand in den Besitz der Stadt
gekommen, war aber sehr sanierungsbedürftig. Diese Kosten scheuten
Verwaltung und Politik und auch Bürgermeister Kluck sprach sich für eine
Verbreiterung der Straße an dieser Stelle aus. Trotz massiver Proteste
des Heimatvereins, des Denkmalschutzes und vieler Bürger wurde die
Villa abgerissen und Warendorf verlor ein unersetzliches Kleinod. Diesen
Sündenfall haben die Warendorfer bis heute nicht vergessen. Auch der
alte Wasserturm an der Beelener Straße sollte abgerissen werden, um die
hohen Instandsetzungskosten zu vermeiden. Protesten des Heimatvereins
und vieler engagierter Bürgern ist es zu verdanken, dass Warendorf
dieses Wahrzeichen erhalten geblieben ist.
Damit aber nicht genug: Nun sollte die Altstadt autogerecht
gemacht werden, denn die Entscheidungsträger glaubten daran, dass die
Probleme der Einkaufsstadt Warendorf durch bessere Anfahrbarkeit und
mehr Parkplätze gelöst werden könnten. Eine breite Autobrücke sollte
neben der alten Emsbrücke über den Mühlenkolk geführt werden und eine
breite Autostraße durch die Innenstadt gebaut werden. Die westliche
Altstadt wäre zerstört worden. Vehemente Proteste verhinderten diese
Pläne und gemeinsam mit dem Heimatverein und den neu gegründeten
Altstadtfreunden wurde die Schlaufenlösung erarbeitet und die Altstadt
durch den späteren Bau der Innerstädtischen Umgehungsstraßen weit-gehend
autofrei gestaltet - eine Lösung, die zwar nicht konfliktfrei, aber doch
erfolgreich war.
Um das Hochwasserproblem in Warendorf zu lösen wurde Anfang der
1970er Jahre der Emssee gebaut. Er wurde mit dem Emspark zu einer
wichtigen und von den Bürgern sehr geliebten Freizeitanlage, ein
Eldorado für Spaziergänger, Wassersportler und Erholungssuchende.
Ein vieldiskutiertes Thema der 1970er Jahre war die kommunale
Neugliederung. Die beiden Kreise Warendorf und Beckum sollten zu einem
Großkreis zusammengeführt werden. Wie soll der Kreis heißen? Welche
Stadt wird den Verwaltungssitz bekommen? Warendorf sah sich als Favorit,
nicht nur durch seine geographische Mittelpunktlage im neuen Großkreis,
sondern auch wegen seiner langen und erfolgreichen Geschichte als
kulturelles und wirtschaftliches Zentrum und seiner Ausstrahlung als
Schul- und Sportstadt. Um dieses Ziel zu erreichen, musste Warendorf
wachsen! Die Eingemeindungen von Milte und Einen verliefen reibungslos,
die Bewohner waren immer schon nach Warendorf orientiert gewesen.
Schwieriger gestalteten sich die Verhandlungen mit Freckenhorst, das
stolz auf eine lange Geschichte als eigenständige „Titularstadt“
zurückblickte. Erst durch einen Beschluss des NRW-Landtags wurde die
Eingemeindung der Stadt Freckenhorst, einschließlich der Gemeinde
Hoetmar, gesetzlich festgelegt - sehr zum Missfallen vieler
Freckenhorster Bürger. Das Zusammenwachsen dieser beiden Städte sollte
Jahrzehnte dauern.
Am 1. Januar 1975 entstand nun die neue Stadt Warendorf mit
jetzt 32 687 Einwohnern und wurde vom Gesetzgeber auch zum Kreissitz
ernannt - eine Entscheidung von weitreichender Bedeutung für unsere
Stadt. Die schwierigen Verhandlungen waren von Stadtdirektor Hellmuth
Schmeichel zielstrebig und geschickt geführt worden. Bürgermeister Dr.
Kluck hatte manch angespannte Situation durch seine versöhnliche und oft
auch humorvolle Art auf den rechten Weg bringen können. Er ging auf
seine Gesprächspartner und ihre Argumente ein, sie fühlten sich von ihm
ernst genommen. Von großer Wichtigkeit war auch die gute Zusammenarbeit
mit dem Bundestagsabgeordneten Heinrich Windelen und dem
Landtagsabgeordneten Richard Winkels.
All diese Kämpfe waren bei Bürgermeister Dr. Hans Kluck „nicht
in den Kleidern hängen geblieben“. Beim Neujahrsempfang 1980 brach er
zusammen. Welch ein Glück, dass Dr. Kluck den Internisten Dr. Reinhard
Kahlert spontan zum Empfang eingeladen hatte, der rettete ihm durch
schnelle Hilfe das Leben. Eine glückliche Fügung!
Sein Bürgermeisteramt gab Dr. Kluck
jetzt ab - schweren Herzens, denn er war mit Leib und Seele Politiker.
Das würdigte auch die Stadt Warendorf und zeichnete ihn am 23. März 1981
mit der Ehrenbürgerschaft aus. Nun war er der Geehrte, dem eine Seite im
Goldenen Buch der Stadt gewidmet wurde. Schon 1966 war er Ehrenbürger
der französischen Partnerstadt Barentin geworden und 1977 zeichnete ihn
die Bundesrepublik Deutschland für sein erfolgreiches Wirken als
Kommunalpolitiker mit dem Bundesverdienstkreuz aus. Für seine Partei war
er immer auf der Suche gewesen nach Männern und Frauen mit gesundem
Menschenverstand, die sich mit ihrer Lebens- und Berufserfahrung „vor
Ort“ für eine lebenswerte Gestaltung unserer Heimat einsetzen wollten.
Der Heimatverein würdigte seine vielen Verdienste und sein unermüdliches
Engagement trotz mancher inhaltlicher Differenzen mit der
Ehrenmitgliedschaft und die Feuerwehr machte ihn zum Ehrenbrandmeister.
Ehrenbürger Dr. Hans Kluck
Dass Warendorf eine moderne Schul-, Sport- und Verwaltungsstadt
geworden ist und dadurch sehr an Bedeutung gewonnen hat, ist
zweifelsohne auch Bürgermeister Dr. Klucks Verdienst. Trotz vieler
Klippen ist es gelungen, dass sich heute die Bürger und die vielen
Besucher an der gut erhaltenen Warendorfer Altstadt erfreuen, die mit
ihrem mittelalterlichen Straßen- und Stadtbild zu den schönsten Städten
im Münsterland zählt.
Dr. Hans Kluck verfolgte auch in seiner nachpolitischen Zeit
das politische Leben in Warendorf mit großem Interesse und hielt engen
Kontakt zu seinem Nachfolger Dr. Günther Drescher. 1990 wollte er seine
Tochter in Australien besuchen. Wegen seiner Herzprobleme vermied er die
lange Flugreise und buchte mit seiner Frau Irmgard eine erholsame
Seereise. In Havanna auf Kuba erlitt er erneut einen Herzinfarkt und
verstarb dort am 14. Januar 1990 im Alter von fast 69 Jahren. Zur
gleichen Stunde versammelten sich im Warendorfer Rathaus Rat und
Verwaltung, viele Bürger und Vertreter der Behörden und Vereine zum
jährlichen Neujahrsempfang, zu dem er so oft geladen hatte und wo er vor
genau 10 Jahren bei seiner Neujahrsansprache zusammengebrochen war. Nun
verbreitete sich die Nachricht vom tragischen Tod des ehemaligen
Bürgermeisters wie ein Lauffeuer und ganz Warendorf trauerte um Dr. Hans
Kluck, der sich um unsere Stadt und seine Menschen verdient gemacht hat.
Ehrenbürger Hans Günter Winkler bei einem Empfang | BM Dr. Kluck und der Oberkreisdirektor Winfried Schulte |
In der Nähe der Dr.-Rau-Allee findet man die „Dr.-Hans-Kluck-Straße“,
in Erinnerung an den Bürgermeister, der wesentlich dazu beigetragen hat,
dass aus dem kleinen Landstädtchen Warendorf ein weltoffenes
Mittelzentrum und ein liebenswerter Wohn- und Touristenort wurde.