„Hitler
erreichte seinen Aufstieg nicht nur durch Gewalt, sondern auch durch
Verführung.“ Das trifft in besonderer Weise auf Kurt Hachmann zu. Er
entstammte einer katholisch konservativ geprägten und dem Zentrum
verpflichteten Bürgermeisterdynastie. Sein Großvater Josef Hachmann
(1845-1919) war ein hochverdienter Bürgermeister in Rüthen und sein
Vater Peter Hachmann (1873-1949) war Bürgermeister in Bad Lippspringe
und Amtsdirektor in Altenbeken. Außerdem vertrat sein Vater den Kreis
Paderborn für das Zentrum im Provinzial-Landtag in Münster. Dieser
Tradition fühlte sich Kurt Hachmann verpflichtet. Sein Jurastudium hatte
er schon auf Kommunalpolitik ausgerichtet, darum bewarb er sich 1938 auf
die durch den Weggang von Bürgermeister Tewes frei gewordene
Bürgermeisterstelle in Warendorf. Die Bedingungen waren: „Der Bewerber
muss die Voraussetzungen für die Bekleidung eines gemeindlichen
Ehrenamtes erfüllen, die Gewähr dafür bieten, dass er jederzeit
rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintritt, arischer
Abstammung ist und im Falle seiner Verehelichung mit einer Person
arischer Abstammung verheiratet ist.“ All das erfüllte Kurt Hachmann,
denn er war 1930 schon Mitglied der NS-Partei geworden und bekannte sich
auch öffentlich zu ihr durch das Tragen der Partei-Uniform. Sein
kameradschaftliches und sportliches Auftreten, sein Idealismus und seine
unerschütterte Treue zum Führer brachte ihm eine weitreichende Akzeptanz
in der Partei ein und der 30jährige Kurt Hachmann wurde zum
Bürgermeister gewählt und am 30. April 1938 feierlich in sein Amt
eingeführt.
Hachmann fand ein kleines Landstädtchen vor, das in der
Weltwirtschaftskrise entgegen dem allgemeinen Trend eine prosperierende
Entwicklung genommen hatte, aber in den wenigen Jahren seit 1933 durch
einseitige NS-Politik zu einer Stadt des Niedergangs mit hoher
Arbeitslosigkeit und zurückgehender Bevölkerung durch Abwanderung
geworden war.
Der neue Bürgermeister ging mit viel Idealismus an die Arbeit.
Er wollte für alle Bürger gleichermaßen sorgen, stellte aber schnell
fest, dass die NSDAP dem enge Grenzen setzte. Seine Dienstanordnung
verlangte von ihm eine Anzeige gegen jüdische Mitbürger, die den
Hitlergruß vermieden und die Verweigerung von Lebensmittelkarten für
Juden. Auch die Ausschreitungen am 9. November 1938, der Pogromnacht,
konnte er offensichtlich nicht verhindern, ohne sein Amt zu gefährden.
Die Behandlung von verletzten Juden durch Warendorfer Ärzte duldete er
stillschweigend, während Landrat Gerdes diese entschieden rügte und zu
verhindern versuchte.
Im vom katholischen Milieu geprägten Warendorf waren die
kirchlichen Feste von hoher Bedeutung. Sich den Wünschen der Partei
widersetzend hatte er zum Hochfest Mariä Himmelfahrt die von seinem
Vorgänger erlassene Verordnung, keine christlichen Fahnen zu zeigen,
aufgehoben - für die NS-Zeit ein ungeheuerlicher Vorgang, der von der
Kreisleitung und der Gauführung übel vermerkt wurde. Das konnte er nur
ausmerzen, indem er sich in seinen Reden als treuer Anhänger des
Nazi-Regimes zeigte. Auch die Umbenennung der Marienschule in
„Justus-Möser-Schule“ setzte er im erbitterten Streit mit der Direktorin
Dr. Maria Moormann durch.
Ein angenehmeres Arbeitsfeld fand Bürgermeister Hachmann in der
Stadtbild- und Kulturpflege. Er entwickelte einen Baupflegeplan für die
schöne historische Innenstadt, der nach dem Krieg die erste Grundlage
für die Stadtbildpflege bildete. Schon 1938 begründete er ein
Stadtarchiv und organisierte mit dem neu begründeten Kreisheimatverein
Ausstellungen und Konzerte. Musik war seine Leidenschaft und ein
Gegenpol zu den vielen Problemen in seinem Arbeitsalltag. Er versuchte
das Amt mit Sachlichkeit und Toleranz auszuüben und auch für politisch
Andersdenkende ein Ohr zu haben. Das war mit der NS-Ideologie nicht
vereinbar und führte insbesondere mit seinem Vorgesetzten, dem
unerbittlichen NS-Kreisleiter und Landrat Gerdes zu erheblichen
Differenzen. Im Sommer 1941 sah er keine andere Möglichkeit, einem
Parteigerichtsverfahren zu entgehen,
als sich als einfacher Rekrut zur Wehrmacht zu melden, um weiterhin
seine Treue zum Deutschen Vaterland im Krieg unter Beweis zu stellen. Er
verzichtete damit auf das Privileg, als NS-Bürgermeister unabkömmlich zu
sein und nicht eingezogen zu werden. So entging er einer Absetzung vom
Amt des Bürgermeisters und einer Verurteilung wegen parteischädigender
Amtsführung. Eine offene Konfrontation hätte für ihn und auch für seine
Familie das KZ bedeutet. Kurt Hachmann wurde zunächst auf der Krim
eingesetzt und kam dann an die Ostfront zum kämpfenden Heer. Am 10. Juli
1943 fiel er in der Panzerschlacht von Kursk in Russland. Er wurde nur
34 Jahre alt. Eine Granitsäule auf dem 2008 eingeweihten
Soldatenfriedhof Besedenow bei Kursk verzeichnet seinen Namen.
Seine Frau Annie wohnte mit den drei kleinen Söhnen bis zum
Ende des Krieges in der Bürgermeister-Dienstwohnung an der Wallpromenade
6, denn Kurt Hachmann galt als vermisst und war offiziell noch
Bürgermeister von Warendorf. Der jungen Witwe halfen jetzt viele
Warendorfer, über die Bürgermeister Hachmann in der NS-Zeit seine Hand
gehalten hatte.
Mechtild Wolff
Quellen:
Eckart-Kurt Hachmann: Kurt Hachmann – Bürgermeister von
Warendorf von 1938-1941. Ein Lebensbild, in: Warendorfer Schriften
38-39, 2009, S. 99-122,
Dokumente zur Zeit- und NS-Geschichte Warendorfs, mit einem
Nachwort von Paul Leidinger, in: Warendorfer Schriften 41/42, 2012, S.
55-66.
Jürgen Gojny: Warendorf in der NS-Zeit 1933-45 in: Geschichte
der Stadt Warendorf Band II, 2000
Bilder: Familie Hachmann