Es gibt kein richtiges Leben im falschen! (Adorno)

Der NS-Bürgermeister Kurt Hachmann 1908-1943
Bürgermeister in Warendorf 1938-1941
Vorgänger:   Lorenz Tewes 1934-1938
Nachfolger: Wilhelm Haase 1941-1945
von Mechtild Wolff

„Hitler erreichte seinen Aufstieg nicht nur durch Gewalt, sondern auch durch Verführung.“ Das trifft in besonderer Weise auf Kurt Hachmann zu. Er entstammte einer katholisch konservativ geprägten und dem Zentrum verpflichteten Bürgermeisterdynastie. Sein Großvater Josef Hachmann (1845-1919) war ein hochverdienter Bürgermeister in Rüthen und sein Vater Peter Hachmann (1873-1949) war Bürgermeister in Bad Lippspringe und Amtsdirektor in Altenbeken. Außerdem vertrat sein Vater den Kreis Paderborn für das Zentrum im Provinzial-Landtag in Münster. Dieser Tradition fühlte sich Kurt Hachmann verpflichtet. Sein Jurastudium hatte er schon auf Kommunalpolitik ausgerichtet, darum bewarb er sich 1938 auf die durch den Weggang von Bürgermeister Tewes frei gewordene Bürgermeisterstelle in Warendorf. Die Bedingungen waren: „Der Bewerber muss die Voraussetzungen für die Bekleidung eines gemeindlichen Ehrenamtes erfüllen, die Gewähr dafür bieten, dass er jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintritt, arischer Abstammung ist und im Falle seiner Verehelichung mit einer Person arischer Abstammung verheiratet ist.“ All das erfüllte Kurt Hachmann, denn er war 1930 schon Mitglied der NS-Partei geworden und bekannte sich auch öffentlich zu ihr durch das Tragen der Partei-Uniform. Sein kameradschaftliches und sportliches Auftreten, sein Idealismus und seine unerschütterte Treue zum Führer brachte ihm eine weitreichende Akzeptanz in der Partei ein und der 30jährige Kurt Hachmann wurde zum Bürgermeister gewählt und am 30. April 1938 feierlich in sein Amt eingeführt.

Hachmann fand ein kleines Landstädtchen vor, das in der Weltwirtschaftskrise entgegen dem allgemeinen Trend eine prosperierende Entwicklung genommen hatte, aber in den wenigen Jahren seit 1933 durch einseitige NS-Politik zu einer Stadt des Niedergangs mit hoher Arbeitslosigkeit und zurückgehender Bevölkerung durch Abwanderung geworden war.

Der neue Bürgermeister ging mit viel Idealismus an die Arbeit. Er wollte für alle Bürger gleichermaßen sorgen, stellte aber schnell fest, dass die NSDAP dem enge Grenzen setzte. Seine Dienstanordnung verlangte von ihm eine Anzeige gegen jüdische Mitbürger, die den Hitlergruß vermieden und die Verweigerung von Lebensmittelkarten für Juden. Auch die Ausschreitungen am 9. November 1938, der Pogromnacht, konnte er offensichtlich nicht verhindern, ohne sein Amt zu gefährden. Die Behandlung von verletzten Juden durch Warendorfer Ärzte duldete er stillschweigend, während Landrat Gerdes diese entschieden rügte und zu verhindern versuchte.

Im vom katholischen Milieu geprägten Warendorf waren die kirchlichen Feste von hoher Bedeutung. Sich den Wünschen der Partei widersetzend hatte er zum Hochfest Mariä Himmelfahrt die von seinem Vorgänger erlassene Verordnung, keine christlichen Fahnen zu zeigen, aufgehoben - für die NS-Zeit ein ungeheuerlicher Vorgang, der von der Kreisleitung und der Gauführung übel vermerkt wurde. Das konnte er nur ausmerzen, indem er sich in seinen Reden als treuer Anhänger des Nazi-Regimes zeigte. Auch die Umbenennung der Marienschule in „Justus-Möser-Schule“ setzte er im erbitterten Streit mit der Direktorin Dr. Maria Moormann durch.

Ein angenehmeres Arbeitsfeld fand Bürgermeister Hachmann in der Stadtbild- und Kulturpflege. Er entwickelte einen Baupflegeplan für die schöne historische Innenstadt, der nach dem Krieg die erste Grundlage für die Stadtbildpflege bildete. Schon 1938 begründete er ein Stadtarchiv und organisierte mit dem neu begründeten Kreisheimatverein Ausstellungen und Konzerte. Musik war seine Leidenschaft und ein Gegenpol zu den vielen Problemen in seinem Arbeitsalltag. Er versuchte das Amt mit Sachlichkeit und Toleranz auszuüben und auch für politisch Andersdenkende ein Ohr zu haben. Das war mit der NS-Ideologie nicht vereinbar und führte insbesondere mit seinem Vorgesetzten, dem unerbittlichen NS-Kreisleiter und Landrat Gerdes zu erheblichen Differenzen. Im Sommer 1941 sah er keine andere Möglichkeit, einem Parteigerichtsverfahren zu entgehen,

Textfeld: der letzte Heimaturlaub im März 1943  
als sich als einfacher Rekrut zur Wehrmacht zu melden, um weiterhin seine Treue zum Deutschen Vaterland im Krieg unter Beweis zu stellen. Er verzichtete damit auf das Privileg, als NS-Bürgermeister unabkömmlich zu sein und nicht eingezogen zu werden. So entging er einer Absetzung vom Amt des Bürgermeisters und einer Verurteilung wegen parteischädigender Amtsführung. Eine offene Konfrontation hätte für ihn und auch für seine Familie das KZ bedeutet. Kurt Hachmann wurde zunächst auf der Krim eingesetzt und kam dann an die Ostfront zum kämpfenden Heer. Am 10. Juli 1943 fiel er in der Panzerschlacht von Kursk in Russland. Er wurde nur 34 Jahre alt. Eine Granitsäule auf dem 2008 eingeweihten Soldatenfriedhof Besedenow bei Kursk verzeichnet seinen Namen.

Seine Frau Annie wohnte mit den drei kleinen Söhnen bis zum Ende des Krieges in der Bürgermeister-Dienstwohnung an der Wallpromenade 6, denn Kurt Hachmann galt als vermisst und war offiziell noch Bürgermeister von Warendorf. Der jungen Witwe halfen jetzt viele Warendorfer, über die Bürgermeister Hachmann in der NS-Zeit seine Hand gehalten hatte.

 

 

Mechtild Wolff

 

 


 

Quellen:

Eckart-Kurt Hachmann: Kurt Hachmann – Bürgermeister von Warendorf von 1938-1941. Ein Lebensbild, in: Warendorfer Schriften 38-39, 2009, S. 99-122,

Dokumente zur Zeit- und NS-Geschichte Warendorfs, mit einem Nachwort von Paul Leidinger, in: Warendorfer Schriften 41/42, 2012, S. 55-66.

Jürgen Gojny: Warendorf in der NS-Zeit 1933-45 in: Geschichte der Stadt Warendorf Band II, 2000

Bilder: Familie Hachmann

 

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