Am
27. Juni 1932 wurde Dr. Heinz Kreuzer als Warendorfer Bürgermeister in
sein Amt eingeführt. Er wurde von der Zentrumsmehrheit gewählt. Dass
Deutschland in einem halben Jahr ganz anders aussehen würde, damit hatte
er sicher nicht gerechnet.
Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30.1.1933
begann der Weg in die NS-Diktatur. In Warendorf erreichte die NSDAP bei
den Reichstagswahlen am 5.3.1933 nur eine marginale Bedeutung. Am
Wahltag mussten sich die lokalen NS-Anhänger mit dem Hissen der Fahne im
Elektrizitätswerk am Mühlenkolk begnügen, dessen Betriebsleiter mit der
Partei sympathisierte. Das änderte sich aber schnell, als der dem
Zentrum angehörende Oberpräsident Gronowski in Münster abgesetzt wurde,
die Parteiversammlungen der SPD verboten wurden und der Landrat den
Warendorfer Bürgermeister Dr. Kreuzer anwies, alle Plakate, Zeitungen
und Schriften der SPD zu beschlagnahmen. Jeder merkte, die
Nationalsozialisten verloren keine Zeit. Schon am 24. März 1933 setzte
das Ermächtigungsgesetz, das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und
Reich“, auch in der Emsstadt alle Grundrechte außer Kraft. Schnell
wurden SA-Leute als Hilfspolizisten „zum Schutz der öffentlichen
Sicherheit vor kommunistischen Kräften“ rekrutiert. Allein in Warendorf
waren 40 SA-Angehörige im Dienst, obwohl es hier kaum Kommunisten gab.
Bald wurde klar, dass nicht nur die Kommunisten, sondern jeder, der sich
gegen das NS-Regime aussprach, gefährdet war.
27. Juni 1932
Wahl von Bürgermeister Dr. Heinz Kreuzer, Stadtverordnetenvorsteher
Franz Bernhard und
Stadtverordneter Hausmann,
Aber die Warendorfer ließen sich nicht so schnell
einschüchtern. Bei den Gemeinderatswahlen am 12. März 1933 wurden nur
vier Abgeordnete der NSDAP gewählt, während das Zentrum elf
Mandatsträger bekam, zu denen auch die Zentrumsabgeordneten Clara
Schmidt, Josef Heinermann und Elisabeth Schwerbrock, sowie die
Arbeiterzentrums-Abgeordneten Heinrich Schallück und August vor der
Landwehr gehörten. Die SPD war gar nicht mehr vertreten, weil durch die
erstmalige Kandidatur der KPD das linke Lager zersplittert war.
Nun begannen schwere Zeiten für Bürgermeister Dr. Kreuzer, denn
er war ein überzeugter Zentrumsmann. Als Erstes setzten die lokalen
Nationalsozialisten durch, dass ein NSDAP-Getreuer zum Beigeordneten
bestimmt wurde. Das entsprach überhaupt nicht dem Wählerwillen, aber das
spielte schon keine Rolle mehr. Dem Zentrum wurde immer mehr der Boden
unter den Füßen weggezogen, nicht zuletzt durch das Ermächtigungsgesetz,
dem das Zentrum auf Reichsebene zugestimmt hatte. Am 5. Juli 1933 löste
sich die Zentrums-Partei dann auf. Die gewählten Abgeordneten hätten in
der Gemeindeversammlung bleiben können, aber nur noch mit beratender
Funktion. Das wollten die Warendorfer Zentrumsabgeordneten nicht, darum
legten sie ihr Mandat nieder. Sie wollten nicht zu „Nickköppern“ der
NSDAP werden.
Bürgermeister Kreuzer entschied sich für den anderen Weg, er versuchte sich zu arrangieren. Darum wurde er vorerst nicht durch einen linientreuen Funktionär ersetzt. Er hielt flammende Reden, die sich den völkischen Zielen der Nationalsozilisten anschlossen. War es Selbsterhaltungstrieb, war es Überzeugung? Das ist heute schwer zu sagen. Richtig ist, dass alle, die sich nicht von ihrer Überzeugung abbringen ließen, schwere Diffamierung ertragen mussten, wie z.B. der Ortsvorsitzende der SPD, der Zigarrenmacher Gerhard Hansen. Er wurde unter Polizeiaufsicht gestellt und musste sich jeden Tag auf der Wache melden. Hätten mehr Bürger solch eine eindeutige Position bezogen, wohl wissend, welchen Repressalien sie dann ausgesetzt werden, hätte sich die Diktatur nicht so schnell etablieren können. Aber die wenigsten Menschen sind zu Helden geboren. Wie definierte es der große George Orwell: Am schwierigsten ist es, just das zu erkennen, was sich unmittelbar vor der eigenen Nasenspitze befindet!
Bürgermeister Dr. Kreuzer sah sich als Bürgermeister nach der
damaligen Gemeindeordnung erstrangig dem Staat verpflichtet. So rief er
schon am 1. Mai 1933 mit markigen Worten zur Maikundgebung als
Bekenntnis zum Führer auf. In SA-Uniform hatte er das Kommando, obwohl
dies traditionell der Feiertag der Arbeiterbewegung war. Am Rathaus
hingen neben der Stadtfahne die roten Hakenkreuzfahnen, an den Häusern
dominierten aber noch die rot/weißen Kirchenfahnen. Die Entwicklung ging
aber rasch voran, es dauerte nur bis 1935, bis auch zu Mariä Himmelfahrt
Hakenkreuzfahnen aufgehängt wurden. Das ist nicht verwunderlich,
denn nur, wer sich dem NS-Regime bedingungslos unterordnete, hatte eine
Chance auf berufliches Fortkommen, das galt für Lehrer, Schulleiter,
Kaufleute und genauso für Beamte und für den Bürgermeister. Dr. Kreuzer ließ nichts unversucht, verlieh sogar dem
Nationalsozialisten Hermann Göring die Ehrenbürgerschaft der Stadt
Warendorf, aber all das reichte nicht, um ihn im Amt zu halten. Er war
eben doch nur ein Zentrumsmann, der sich mit dem NS-Regime zu
arrangieren versuchte. Der Versuch Kreuzers, sich dem sich etablierenden
NS-Regime anzupassen ist rückblickend betrachtet gescheitert. Im
Gegensatz zu seinen Zielen war er als Zentrumsmann für die NSDAP in
Warendorf ein Türöffner in bürgerliche Kreise. Ende Mai 1934 wurde Dr. Kreuzer seines Amtes enthoben und als
Trostpflaster ernannte man ihn zum Amtsbürgermeister des kleinen Amtes
Bork im Kreis Lüdinghausen, eine eindeutige Degradierung. In das
Bürgermeisterhaus an der Wallpromenade 6 (heute Ostwall 7) zog nun sein
Nachfolger Bürgermeister Lorenz Tewes (1934 bis 1938), der schon seit
1932 NSDAP-Mitglied war. Quellen: Jürgen Goyny: Warendorf in der NS-Zeit (1933-1945)
in: Geschichte der Stadt Warendorf Band II Bilder: Bildarchiv der Stadt Warendorf
Bildarchiv der Altstadtfreunde Mechtild Wolff 2019