Es
war zu der Zeit, als Warendorf noch eine bedeutende Leineweberstadt war.
Das Warendorfer Linnen war wegen seiner hohen Qualität in ganz Europa
beliebt. Sogar der Preußische König und Königin Victoria von England
kauften das Warendorfer Leinen. Auf fast allen Bauernhöfen und in vielen
Stadthäusern surrte das Spinnrad den ganzen Tag und der Webstuhl
klapperte. Jedes Familienmitglied musste beim Weben helfen. Für das
tägliche Brot hatte fast jede Warendorfer Bürgerfamilie ihren Garten, in
dem Obst und Gemüse und Blumen gepflanzt wurden und auf dem Kamp wuchsen
Kartoffeln und Roggen, Gerste und Buchweizen. Besonders gut gediehen in
unserer Gegend Flachs und Hanf für die Leineweberei. Das Weben war ein
willkommenes Zubrot für die Bevölkerung, denn wenn man mehr Leinen
webte, als für den Eigenverbrauch nötig war, wurden die Ballen auf dem
Markt verkauft. Weil es in Warendorf aber so viele gute Weber gab,
nahmen kluge Weber den
Leinenballen auf die Schulter und gingen zu Fuß nach Münster
zum Markt, wo bessere Preise zu erzielen waren. Das kostete aber viel
Zeit - und Zeit war Geld. So entstand der Beruf des Leinenhändlers, der
sich „Verleger“ nannte.
Solch ein Leinenhändler war auch Heinrich Kleine, der 1630 hier
in Warendorf geboren wurde. Er war der Sohn eines „geringen
Leinentuchmachers“, der zwar immer fleißig gewebt hatte, aber doch arm
geblieben war. Heinrich Kleine aber wollte aus der Armut heraus, darum
heiratete er Gertrud Zurstraßen, die Tochter des wohlhabenden
Komißbäckers. Durch sein Monopol für die Heeresbelieferung war der
reich, aber nicht beliebt geworden. Mit Gertruds Mitgift konnte Heinrich
Kleine seinen Leinenhandel begründen. Jetzt verkaufte er für die Weber
die Leinenballen dort, wo er das meiste Geld dafür bekam. Mit Pferd und
Wagen fuhr bis nach Holland und Belgien, an die Nord- und
Ostseeküste
und ins Ruhrgebiet. Hier bekam er gute Preise für das feine Warendorfer
Linnen und konnte den Webern einen besseren Lohn zahlen und ihnen neues
Leinengarn liefern. Er selbst verdiente so gut, dass er sich an der
Oststraße, dort, wo lange die Buchhandlung Leopold war, ein stattliches
Bürgerhaus bauen konnte, in dem er mit seiner Frau Gertrud und seinen
Kindern wohnte. Hier betrieb er auch seinen Leinenhandel und lagerte auf
dem Dachboden seine Vorräte. Kleine besaß sogar so viel Geld, dass er
dem Bischof von Münster Geld leihen konnte. Dafür bekam er den Titel
eines fürstbischöflichen Hoffaktors. 1678 sorgte er dafür, dass auch
Mitglieder des Leinentuchmacheramtes im Rat der Stadt vertreten
waren und er wurde Ratsherr und wurde zweimal zum Bürgermeister gewählt.
Das war damals eine hohe Ehre und nur reiche Kaufleute wurden dafür
ausgewählt. Bürgermeister Heinrich Kleine wirkte sehr segensreich für
die Bewohner, vor allem für die armen Weber, deren Mühsal er ja genau
kannte. Er war sehr durchsetzungsstark und seine Umgangs-formen waren
nicht gerade zimperlich. So ist überliefert, dass er den Rat einmal so
gröblich beleidigte, das er dazu verurteilt wurde, die sieben steinernen
Kreuzwegstationen auf dem Prozessionsweg von Telgte nach Münster auf
seine Kosten zu errichten.
Ferner
ist überliefert, dass er am Ende einer Handelsreise seine „Geldkatze“
mit vielen Gold- und Silberstücken kurz vor seiner Heimkehr nach
Warendorf verlor. Damit wäre nicht nur sein eigener Verdienst dahin
gewesen, nein, er hätte auch seine Weber nicht bezahlen können und so
manche Familie ins Elend gestürzt. In seiner Not machte er das Gelübde,
eine Kapelle zu stiften, wenn er sein Geld wiederfände. Kleine ritt
seinen Weg über den Osnabrücker Landweg, damals der wichtigste
Fernhandelsweg von Nord nach Süd, zurück und fand die unversehrte
„Geldkatze“ in Gröblingen. Genau an jener Stelle ließ er – im 33. Jahr
seiner Ehe – eine kleine Rundkapelle im barocken Stil „zu Ehren der
schmerzhaften Muttergottes Maria“ errichten. Auf den Altar stellte
Heinrich Kleine das kleine Kruzifix, das er bei den Umbauarbeiten hinter
seinem Haus an der Oststraße in der Erde gefunden hatte. Am Morgen des
Mariä Himmelfahrtsfestes, dem 15. August 1688, weihte Pfarrer Neuhaus
von St. Laurentius die Kapelle feierlich ein. Nun konnten die Gröblinger
an Sonn- und Feiertagen der Hl. Messe beiwohnen, ohne den langen und
mühsamen Weg zur Laurentiuskirche in Warendorf auf sich nehmen zu
müssen. Heinrich Kleine starb am 21. August 1700 und wurde – wie schon
seine Ehefrau zehn Jahre zuvor – in der Gröblinger Kapelle begraben.
Noch heute ist die kleine Kapelle das Zentrum der Bauernschaft
Gröblingen.