Der Bürgerhof ist wieder einmal ins Gerede gekommen. Seine Tage seien gezählt, heißt es. Diesmal ganz akut. Aber noch sind nicht alle Fragen, die mit seinem Abriss und der Grundstücksverwertung zusammenhängen, eindeutig beantwortet .
Zur Nutzung: Der zukünftige Eigentümer des Bürgerhofes will an dessen Stelle zwei Supermärkte zusammenlegen. Den einen holt er aus einer inzwischen prekären Geschäftslage 1,3 km östlich der Innenstadt, nach rund 1 km westlich der Innenstadt; den andern, der schon jetzt im Einkaufszentrum neben zwei weiteren Lebensmittelmärkten liegt, verlegt er um knapp 100 m quer über den Parkplatz. Diese Neuordnung bedeutet eine erhebliche Stärkung des gesamten Standortes, aber wem außer dem Betreiber ist damit gedient? Den Innenstadt-Bewohnern mit Sicherheit nicht. Mit der angestrebten Ladengröße werden überdies Grenzen überschritten, die das Einzelhandelsgutachten für der Innenstadt schädliche Konzentrationen von Verkaufsflächen zieht. Warum soll dieses Gutachten hier nicht gelten?
Das Wohnen in der Altstadt wird mit allen Mitteln gefördert, aber eine verhängnisvolle Zentrifugalkraft schleudert seit Jahren immer mehr Einkaufsstätten für den täglichen Bedarf in autogerechte Positionen an den Stadtrand, so als kämen alle Kunden immer nur mit dem Auto und von auswärts; wer kein Fahrzeug betreibt, bleibt dabei buchstäblich auf der Strecke. Beim Projekt Bürgerhof ist nicht klar, warum die Argumente, die gegen ein großes Einzelhandelszentrum auf der Emsinsel sprachen, hier plötzlich nicht mehr gelten sollen; dort wurde seinerzeit ein erheblicher Schaden für das Geschäftsleben und die Bewohner der Innenstadt befürchtet. Diese Argumentation führte unter anderem zur Aufhebung des damaligen Emsinselprojektes. Das Bürgerhofprojekt ist in seiner längerfristigen Auswirkung nicht minder gefährlich für die Altstadt als das frühere Vorhaben.
Zum Umfeld: Der Bürgerhof selbst nimmt in seiner Umgebung eine relativ kleine Fläche in Anspruch. Kein Wunder, dass der zukünftige Eigentümer der intensiveren Nutzung wegen die Bäume auf seinem Grundstück beseitigen will. Nun sind die Bäume alt, groß, gesund und wertvoll und unterliegen immerhin der städtischen Baumsatzung, die für jeden Baum und jeden Bürger gilt. Sie stehen unmittelbar neben dem kleinen Schützenpark, der für die Verbesserung des Mikroklimas an dieser durch Abgase stark belasteten Stelle unentbehrlich ist. Hier wird einfach jeder Baum gebraucht. Die Beseitigung von fünfzehn Bäumen und die geplante Neubaumaßnahme würden dem stark verhunzten Bild des westlichen Stadteingangs weiteren Schaden zufügen. Eine Ersatzpflanzung brächte erst nach vielen Jahrzehnten und dann an anderer Stelle nicht mehr, als man jetzt hier schon hat. Es ist bisher nicht deutlich, warum die Baumsatzung an dieser Stelle ausgehebelt werden sollte. Vor allem bleibt unerfindlich, in welchen Fällen und mit welchen Argumenten man sie anschließend jemals wieder durchsetzen will.
Wie es bisher scheint, droht am Beispiel des
Bürgerhofs deutlich zu werden, dass gesetzte und bestehende Regelungen
eventuell je nach Beteiligten nur relativen Bestand haben oder einer
gewissen Beliebigkeit unterliegen. Das allerdings wäre für alle Bürger
in höchstem Maße zu bedauern.
Klaus
Günter Ring