Bürgerantrag auf Erstellung eines Stadtentwicklungs-planes vom 14. 2. 10
Stellungnahme des
Heimatvereins vom
5. 1. 10
Bürgerversammlung am 3. 8. 09a>
Warum ist eine
hochwertige Gestaltung der Emsinsel so wichtig für Warendorf?
Der Ausschuss für Umwelt, Planung und Verkehr hat in
seiner jüngsten Sitzung per Beschluss die Wagenhalle und das damit
verbundene Pförtnerhaus der Firma Brinkhaus zum Abriss freigegeben. In den
Erläuterungen zu diesem Beschluss heißt es, dass diese Häuserzeile weder
historisch noch Stadtbild prägend sei und auch nicht als typisches Gesicht
der Firma Brinkhaus wahrgenommen werden könne. In diesem Zusammenhang mag
ein kurzer Blick auf den Planverfasser dieser Gebäude interessant sein.
(Vgl. freie Enzyklopädie Wikipedia sowie Gutschow/Stiemer, Dokumentation
Wiederaufbau Münster, Münster 1982, S.43).
Der Architekt der Anlage aus dem Jahre 1950 war
Heinrich Bartmann (1898-1982), der von 1945 bis 1948 Stadtbaurat von Münster
war und hier die Stadtentwicklung und den Wiederaufbau in der besonders
wichtigen Anfangszeit maßgeblich und nachhaltig prägte. Er konnte es
durchsetzen, den „Charakter der Stadt zu wahren, ohne neuzeitliche
Entwicklungen aus den Augen zu verlieren.“ Das heutige Bild der Stadt
Münster ist also letzten Endes Heinrich Bartmann zu verdanken. Er forderte
für den Wiederaufbau der Stadt Sparsamkeit, Gesundheit und Schönheit und für
die Gestaltung unter anderem Maßstab, Proportion, Gefüge, Einheit. Als diese
Ziele formuliert, die Richtlinien beschlossen und grundlegende Planungen
fertig waren, zog sich Bartmann 1948 wieder in die Privatpraxis zurück. In
dieser Zeit arbeitete er außer an einigen für das Stadtbild und die
Baukultur Münsters prägenden Bauten an einer Reihe von Industriebauten und
Werksiedlungen, baute aber auch Kirchen und bis 1950 für die Firma
H.Brinkhaus in Warendorf. Sein Weg führte ihn schon 1949 zur Technischen
Hochschule Darmstadt, deren Rektor er 1959/60 war.
Die Prominenz des Architekten allein könnte
weniger wichtig sein, aber kann man von ihr her die Sorgfalt ablesen, mit
der Bartmann 1950 den Warendorfer Auftrag bearbeitete. Die Wagenhalle und
das Pförtnerhaus markieren die straßenseitige Eingangsfront der Firma,
prägen also gegenüber dem weit zurückliegenden Verwaltungsbau durchaus seit
1950 das Gesicht der Weberei. Der Eindruck ist nur scheinbar so bescheiden,
weil Baukörper und Dachform auf die Grundformen reduziert und mit Backstein
und Einfassungen aus Sandstein an Fenstern und Türen zwar zwei
verschiedene Wandmaterialien, aber keine Bauzier zugelassen wurden. Anderes
wäre in der damaligen Zeit nicht im Sinne des Architekten gewesen. Die
beiden vorspringenden Treppenhäuser in Verbindung mit der Symmetrie des
gesamten Baus und den sorgfältig bemessenen Achsen erfüllen seinen hohen
architektonischen Anspruch. Der Bau der Wagenhalle war meiner Erinnerung
nach besonders schwierig, denn ihre Errichtung mitten im Gelben Kolk, dem
dritten Emsarm, machte eine umfangreiche Pfahlgründung erforderlich. Das
einzige weitere Gebäude in Warendorf aus dieser Zeit mit einem
vergleichbaren Architekturwert ist das Theater am Wall. Beide Gebäude sind
bei völlig unterschiedlicher Funktion im besten Sinne ihrer Zeit gemäß
entstanden und deshalb wichtige Zeitzeugen. Das Theater am Wall wurde aus
diesem Grund ja auch unter Schutz gestellt, während die Wagenhalle bisher
lediglich als erhaltenswert eingestuft wurde. Das dritte namhafte Bauwerk
Warendorfs aus jener Zeit ist die Marktbrücke, die mit der benachbarten
Wagenhalle und dem Pförtnerhaus nahezu als ein städtebauliches Ensemble
angesehen werden kann.
Das bisher Gesagte wird sicher einen eventuellen
Abriss von Wagenhalle und Pförtnerhaus nicht zwingend verhindern können, es
sei denn, es fänden sich weitere triftige Gründe gegen den Abbruch.
Ihre harmonische Einbindung in das Stadtbild hat die
Wagenhalle seit nunmehr fast sechzig Jahren einwandfrei nachgewiesen. Sie
und das Pförtnerhaus bilden nach dem Abbruch der angrenzenden
Betriebsgebäude ein wichtiges Identität stiftendes Ensemble mit dem
historischen Verwaltungsgebäude. Sie kann mit ihrer Gestaltqualität und
ihrem Maßstab nahtlos auf das Neubaugebiet dahinter überleiten. Wenn man die
störende Hecke beseitigt, wird die Fassade zur der gedachten Allee hin
wieder zu einem Teil des attraktiven Stadteingangs. Das ist wichtig, zumal
der größte Teil der Warendorfer
Gäste
hier seinen ersten Eindruck von der Stadt gewinnt. Genau in diesem
Zusammenhang kann die Wagenhalle eine neue öffentliche Bedeutung bekommen,
denn sie ist dank ihrer offenen Rückseite bei einer Fläche von nahezu
300 Quadratmetern und einer Raumhöhe von 3,62 in Verbindung mit ihren
Anbauten vielfältig gastronomisch und kommerziell nutzbar, ob mit oder ohne
eine räumliche Erweiterung. So bringt sie Nutzungen ins Plangebiet, die hier
sowieso gefordert sind. Mit einer Toilettenanlage im Zwischentrakt kann sie,
mit Verlaub gesagt, für alle auswärtigen Gäste zum ersten Anlaufpunkt
werden.
Das alles ist im Vergleich mit andererseits zu
erwartenden Baukosten besonders preiswert zu bewerkstelligen. Wenn hier
einmal unvoreingenommen geplant, aber mit spitzem Bleistift gerechnet wird,
könnte das dazu führen, dass Eigentümer, Planer, Investoren und
Entscheidungsträger von der hier vorgebrachten Lösung überzeugt werden;
andernfalls sind triftige Gründe gefragt.
Claus G. Ring 10.12.2009