Walter Suwelack und Wolfgang Budde bei der Überreichung der Plaketten
Steine, so denkt man schlechthin, gehören zur leblosen Materie.
In vielen sprachlichen Bildern bringen wir dies zum Ausdruck:
Er hat ein Herz aus Stein
Es ist zum Steinerweichen
Doch diese düstere Metaphorik hat, wenn wir nicht allzu eng
denken und auch eine Wahrheit hinter den Dingen vermuten und sie suchen,
einen Gegenpol:
„Ein Haufen Steine hört in dem Augenblick auf, ein Haufen
Steine zu sein,
wenn wir beim Betrachten darin eine Kathedrale sehen.“ So
Saint-Exupéry.
Die Heiligen Schriften bringen eine Fülle bildhafter Ausdrücke,
die Steine aufwerten und erhöhen: „Ihr sollt lebendige Steine werden“,
so fordert Petrus uns auf. Und lebendig scheinen die steinernen
Kunstwerke der romanischen Portale und ihre Tympana zu sein, die dem
Betrachter von der Heilsgeschichte, von menschlichen Schwächen und
Stärken erzählen. Ihre Meister haben „den Stein zum Blühen gebracht“, so
ein Stadtführer vor der Kathedrale in Autun.
Inwieweit diese oder ähnliche Gedanken dem jungen Wolfgang
Budde 1955 durch den Kopf gegangen sind, als er die Lehre in einem
Marmor– und Granitwerk antrat, lässt sich nicht sagen, vielleicht weiß
er es auch selbst nicht mehr. Aber er wird geahnt, gespürt oder gewusst
haben, dass sich aus der scheinbar toten Materie Stein, salopp gesagt,
„etwas machen lässt“. Und er hat etwas daraus gemacht und auch jungen
Menschen den Anstoß gegeben, etwas daraus zu machen.
Wir ehren heute einen Warendorfer Bürger, der mit seinen
Steinskulpturen das Stadtbild belebt hat. Die Objekte haben dabei nicht
nur eine dekorative Funktion – schon das allein wäre erwähnens- und
lobenswert- sie wollen interpretiert werden.
Im Jahr 2000 schrieb Wolfgang Budde aus Anlass der
800-Jahr-Feier der Stadt einen Wettbewerb für junge Künstler aus. Er
stellte Material, Quartier, Verpflegung und die Preisgelder zur
Verfügung. Darüber hinaus, so darf man annehmen, hat er als Mentor die
jungen Menschen an seinen Erfahrungen teilhaben lassen und ihnen Impulse
gegeben, sodass die Objekte über das handwerklich Meisterhafte hinaus zu
einer künstlerischen Aussage gelangen.
Unter dem Stichwort Mäzenatentum gibt der Brockhaus zu
bedenken, dass die Künstler nicht selten von ihrem Gönner abhängig
werden und dass die geschaffenen Werke – Zitat – „bestehende Strukturen
verewigen wollen.
Nichts von dem trifft hier zu: Den jungen Künstlern hat der
Meister ein Forum für ihr Schaffen und ihre Werke geboten, sie begleitet
und sie mit einem Startkapital in die Unabhängigkeit entlassen. Und er
war weit davon entfernt, sie in eine Abhängigkeit zu bringen oder mit
den fünf prämierten Objekten „bestehende Verhältnisse zu zementieren“.
Das, was die Jury unter seinem Einfluss prämiiert hat, und die
Objekte, die er ermöglicht hat oder die nach eigenem Entwurf entstanden
sind, glorifizieren in keiner Weise Ereignisse oder Personen aus der
Stadtgeschichte . Die elf Skulpturen, über die Stadt verteilt mit dem
Schwerpunkt am Emssee, sind Kunstwerke, die ansprechen, die den
Betrachter nicht zu einem Kopfschütteln, sondern zu einem Dialog
bewegen, nachdenklich machen, aber nicht verschrecken wollen. Wir sind
im Emspark und nicht auf dem Freigelände der „dokumenta“!
„Wenn Steine reden könnten“ sagen wir leichthin und verbieten
ihnen damit - unbewusst - das Reden. Lassen wir sie doch einige einmal
zu Wort kommen und folgen in Gedanken der Spur der Steine in unserer
Stadt, der Spur, die wir dem zu Ehrenden zu verdanken haben.
Das Objekt „Tor im Wandel der Zeit“ an der Freckenhorster
Straße, ein aufrechtes, unbearbeitetes Tor aus glattem Dolomit, greift
in die Öffnung des liegenden Tores mit einer aus Rillen und Furchen
bearbeiteten Oberfläche, so, als hätte die Zeit ihre Spuren hinterlassen
und dem Stein ein Gesicht gegeben. Es mag symbolisch für die Stadt
stehen und kann tonangebend für die anderen vier von den jungen
Künstlern geschaffenen Werke stehen. Alle Objekte haben einen Bezug zu
Warendorf, erwähnen und werten die Vergangenheit und deuten auf die
Zukunft.
Ähnliche Gedanken sprechen aus einem Objekt am Wilhelmsplatz:
Was man liebt, bringt man als Bild in einen Rahmen. So kann man das
liebenswerte Warendorf in einem steinernen Rahmen betrachten und dieser
Rahmen ist kein Wechselrahmen, der ein anderes Bild duldet! Das, was zu
sehen ist, muss bleiben und gepflegt werden!
Die Skulpturen der „Hansekogge“ und der „Aufstrebenden
Stadt“, ebenfalls am Emssee und aus dem Wettbewerb hervorgegangen, sind
weitere prämiierte Objekte, die wieder andere Deutungen zulassen.
So einiges aus der jüngeren Stadtgeschichte hat Wolfgang Budde
den jungen Bildhauern im Vorfeld des Wettbewerbs wohl mit „auf den Weg
gegeben“. So zum Beispiel bei der Stele im Sophienpark. Da ist auf einer
Säule, die in ihrer Mitte einen gewollten Riss hat, eine engelgleiche
Putte zu sehen, bei der unter ihrem Gewand ein Pferdefuß hervorlugt. Was
liegt näher als anzunehmen, dass in der Pferdestadt auch manches seinen
Pferdefuß hat? Die Skulptur und der Standort gehören zusammen und
Kenner ahnen wohl, auf was hier hingewiesen wird.
Die Figur ist aus weichem Sandstein gearbeitet, die Zeit hat
schon ihre Arbeit begonnen: die Konturen weichen auf und irgendwann wird
wohl keiner mehr die Feinheiten erkennen und die Symbolik deuten können.
Manches darf man ruhigen Gewissens auch einmal vergessen.
In unvergänglichen Granit eingeschlagen aber ist der Text auf
der Stele vor der ehemaligen Synagoge: unverschlüsselt und eindeutig die
Mahnung, nicht zu vergessen, was in der Pogromnacht und in den folgenden
Jahren auch in unserer Stadt geschehen ist. Wolfgang Budde stiftete
diesen Stein und ließ ihn nach Entwürfen des Heimatvereins und der
Altstadtfreunde in seiner Werkstatt arbeiten.
Die von Nordosten kommenden Besucher unserer Stadt werden am
Kreisel der Sassenberger Straße durch einem mächtige, von einer
vergoldeten Hellebarde gekrönten Geschichtsstein begrüßt. Der Stein
scheint wie ein Wasserfall zu fließen, in Bewegung zu sein – oder kann
er als fließender Stoff gedeutet werden, der auf die textile
Vergangenheit Warendorfs hinweist?
Und die Waffe, die Hellebarde auf der Spitze? Droht sie
vielleicht den einfallenden Sassenbergern und sagt ihnen, dass sie eine
wehrhafte Stadt betreten und die Zeit vorbei ist, in der
Sassenberg die fürstbischöfliche Aufsicht über Warendorf hatte?
Auch Fehlinterpretationen haben ihren Reiz…
Wolfgang Budde ließ die Stele in der Werkstatt des
Freckenhorsters Künstlers Josef Recker, der sie auch entworfen hatte,
anfertigen. Das darf man wohl als vorbildliche Kollegialität bezeichnen!
Nach einer Idee Wolfgang Buddes wurde ein Poller an der
Emsbrücke gearbeitet, der an die 800jährige Stadtgeschichte erinnert.
Wie einen Baumstamm hat er den glatten Basalt schräg angeschnitten und
statt der Jahresringe erscheint die Zahl, deren Ziffern in Bewegung zu
sein scheinen, um die nächsten Jahre anzukündigen. Tempus fugit - Die
Zeit fliegt dahin - und in Sichtweite auf dem Kirchturm ist zu lesen:
Nutz die Zeit.
Die hat Wolfgang Budde wahrlich genutzt. Vor zwei Monaten wurde
das 50jährige Firmenjubiläum gefeiert. „Größtes Angebot von Grabmalen in
Deutschland“, so seine Eigenwerbung und wenn man durch das
Ausstellungsgelände geht, glaubt man ihm das auch. Geschäftliche Erfolge
und Mäzenatentum hängen zusammen, und man kann das eine nicht loben ohne
das andere zu erwähnen. Ohne die wirtschaftliche Leistung wäre die
kulturelle nicht möglich gewesen. Eine hervorzuhebende soziale Leistung
soll dabei nicht unerwähnt bleiben: von den 20 Mitarbeitern sind fünf
seit über 20 Jahren im Betrieb – auch das kann Wolfgang Budde als
Verdienst angerechnet werden!!
Heimat ist ein schwer zu fassender Begriff, die Fragen: Wo ist
Heimat? Was macht Heimat aus? sind schwer zu beantworten. Friedhöfe
aber, das lässt sich mit Bestimmtheit sagen, haben einen wichtigen Platz
in unserem Heimatgefühl. Von Friedhofskultur sprechen wir und wir ehren
heute einen Bürger, dem diese Kultur am Herzen liegt. Der Friedhof
unserer Stadt, das, was auf den Gräbern daran erinnert, was für uns
vielleicht das Wichtigste war, trägt seine Handschrift. Auch dafür dankt
der Heimatverein.
Bleibt die Frage:
Warum hat Wolfgang Budde unsere Stadt mit 13 Skulpturen
aufgewertet, ohne damit kommerzielle Ziele zu verfolgen? An keinem
Objekt findet sich ein Firmenlogo oder ein Hinweis auf den Spender. Er
selbst gibt die Antwort im Begleitheft zu den Objekten:
„Als Nachkomme einer über dreihundert Jahre alten Warendorfer
Handwerksfamilie bin ich meiner Heimatstadt sehr verbunden.“
In keiner Skulptur kommt diese Haltung deutlicher zum Ausdruck
als in der Schweine-Stele, von ihm entworfen und ausgeführt und mit
einem Spruch versehen, der westfälisches Sehnen im Stein verewigt hat:
„Koffs en Swien, Hass kiene Naut
Bi Schinken, Speck un Wuorstebraut.“
Und mancher Warendorfer bestätigt dies, indem er liebevoll
seine Hand über den Kopf des so wertvollen Tieres gleiten lässt.
Steine, die eine Kulturlandschaft geschaffen haben, sind auch
Bausteine unseres Heimatgefühls. Wolfgang Budde, wir danken Ihnen für
die Spur der Steine, die Sie uns hinterlassen haben.
1.
Begrüßung, Einführung und Verleihung
2. Laudatio
Norbert Funken für Wolfgang Budde
3. Laudation
Hermann Flothkötter für Walter Suwelack