Walter Suwelack und Wolfgang Budde bei der Überreichung der Plaketten
Es ist mir eine große Ehre und ich danke herzlich, die Laudatio
auf Walter Suwelack, einen der neuen Preisträger der
Wilhelm-Zuhorn-Plakette halten zu dürfen. Ich bin seit Jahrzehnten mit
Dir, lieber Walter, auf verschiedenen Ebenen verbunden und habe während
Deiner Kreisdechanten-Zeit konstruktiv und zielorientiert mit Dir
zusammengearbeitet. Es war ein Vergnügen.
Walter Suwelack bürgt für Qualität. Aufgewachsen inmitten der
Baumberge und des Baumberger Sandsteins, war es Dir schon in die Wiege
gelegt, Dich konsequent um Sandstein-Denkmäler zu kümmern. Baumberger
Sandstein war der Exportschlager im Mittelalter, so wurde zum Beispiel
der Dom in Münster damit erbaut, aber auch der gebürtiger Billerbecker
Suwelack wurde zu einem Exportschlager. Billerbeck, dass auch gerne als
Perle der Baumberge bezeichnet wird, verschenkte eine Perle an die Welt.
Er wurde 1962 zum Priester geweiht. Nach Deiner Zeit als Rektor der
Jugendburg Gemen, kamst Du 1975 nach Warendorf Sankt Laurentius, wo Du
auch nach Deiner Emeritierung als Pfarrer weiterhin lebst und wirkst. Er
fühlt sich den Menschen und der Stadt zutiefst verbunden. 2012 konntest
Du Dein goldenes Priesterjubiläum feiern. Neben Deinen vielfältigen
Aufgaben als Pfarrer und als großer Sanierer der Sankt Laurentiuskirche,
als Seelsorger, Motivator, Ideengeber, Kunstsachverständiger und als
Kreisdechant hast Du es verstanden, auch Deinem Hobby, der Fotografie
Raum und Zeit zu geben. Auch Deinen Umgang mit modernster Technik
bewundern viele Menschen und Du setzt unter Klerikern Maßstäbe.
Global vernetzt - lokal vor Ort handeln, lautet Deine Maxime.
Viele Menschen rasen durch die Zeit aber die Seele geht weiterhin zu
Fuß. Alles scheint immer hektischer, oberflächlicher, seichter, die Zeit
immer schneller zu werden und doch hat kaum jemand Zeit, alles
unterliegt einem schnellen Verfallsdatum. Wenn jemand heute Zeit hat,
ist es höchst verdächtig, man unterstellt ihm dann leicht, dass er
nichts zu tun hat und nichts mit seiner Zeit anzufangen weiß. Dabei
weisen viele Untersuchungen in den Naturwissenschaften und der
Gehirnforschung nach, dass der Ertrag geistiger Arbeit bei hoher
Geschwindigkeit verringert wird. Bewusste Langsamkeit dagegen zu setzen
erhöht den Gewinn. Wenn ich mich an etwas erinnern will, beschleunige
ich nicht den Schritt, sondern bleibe stehen. Ich brauche Zeit.
Konkretes Bewusstsein entsteht wie Kunst, Musik, Literatur, Religion
durch Innehalten, durch frei verfügbare Zeit, durch Pausen, durch Muße.
Lieber Walter, Du bist zwar kein begnadeter Wanderer, wohl aber
ein begeisterter Radfahrer und besitzt mittlerweile ein E-Bike, dass Du
häufig nutzt zur Erkundung, Erbauung und zur Entspannung. Du warst nie
nur Zuschauer, sondern immer wieder Akteur, der in der Globalisierung
den Lebensraum Land, die Heimat neu entdeckt, hegt und pflegt.
Ich kann hier nicht alle Verdienste im Einzelnen aufführen. Ich
konzentriere mich daher auf Deine ehrenamtliche Tätigkeit in den letzten
Jahren. Auf Deine Anregung wurde im Rotary Club Warendorf 2006 der
Arbeitskreis „Historische Bildstöcke und Wegekreuze“ gegründet. Nach Max
Horkheimer besteht die kürzeste Definition von Religion darin, sie mit
Unterbrechung zu charakterisieren. Du hast die alltäglichen
Lebensabläufe, die Routine, den Alltag unterbrochen mit dieser Gründung
und Dich der Zukunft zugewandt. Um aber in der Gegenwart leben und
Zukunft gestalten zu können, muss man sich seiner Wurzeln vergewissern,
einen Standort finden. Angesichts der politischen Situation, der
Rechtspopulisten, der Nationalisten, Fundamentalisten hat man den
Eindruck, dass viele wie das Kaninchen vor der Schlange in Starrheit
versunken sind. Wir aber wissen, das einzig Beständige ist der Wandel
und wir können diesen Wandel aktiv, verantwortungsvoll mitgestalten, um
somit zu einer lebenswerten Zukunft beizutragen. Verantwortliches
Zukunftshandeln ist immer konkret und von daher äußerst komplex. Bildung
heißt aber nichts anderes, als eben diese Komplexität in handlungsfähige
Schritte zu reduzieren. Reduktion von Komplexität - so könnte man heute
Bildung definieren. Du und die Mitglieder des Arbeitskreises haben mit
der 1. Ausstellung „Landmarken des Glaubens - Bildstöcke und Wegekreuze
in und um Warendorf“ den Startschuss gegeben, um unsere nähere Umgebung
neu kennen zu lernen.
Walter Suwelack und sein Arbeitskreis stellen sich den Fragen,
wie in diesen rasanten Umbruchszeiten aufbauend auf die vergangenen
Entwicklungslinien neue Konzeptionen, Traditionen weiter entwickelt
werden können. Wie können wir in unseren ländlichen Regionen weiterhin
Zukunft bilden, mit beeinflussen und Humanität pflegen? Unsere Zukunft
ist nicht zum Nulltarif zu haben. Zukunft ist nicht ohne Vergangenheit
zu denken, denn Zukunft braucht Herkunft. Erst in der Erinnerung an die
Vergangenheit schaffen wir uns Zukunft. Es gilt aus dem Gestern im Heute
das Morgen zu gestalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass
Vorhandenes erhalten und gepflegt wird. Aber es muss auch zugleich
transparent, öffentlich gemacht werden. So zeugen die zahlreichen
Bildstöcke und Wegekreuze von einer jahrhundertealten Kultur und
Tradition und prägen bis heute unseren Heimatraum. Gerade angesichts des
riesigen Bedeutungsverlustes von kirchlicher Religion und Tradition -
auf die Ursachen kann ich leider aus Zeitgründen nicht weiter eingehen -
und auch angesichts der fortschreitenden Ausdifferenzierung der Lebens
und Gesellschaftsbereiche, mangelnder Toleranz und mangelnder Diskurs-
und Dialog-Kultur ist es dringlicher denn je, Bildstöcke, Wegebilder,
Hofkreuze als kulturelle und religiöse Schätze unserer Heimat zu
erhalten.
Seit dem späten Mittelalter entstanden christliche
Wegeheiligtümer und dokumentieren private, spirituelle Frömmigkeit im
öffentlichen Raum. Trotz staatlicher Verordnungen ließen sich die
Westfalen nicht irritieren und hielten an ihren Glaubensvorstellungen
fest und pflegten ihre privaten Frömmigkeiten. Auch während des
Kulturkampfes wurden Wegemale, Heiligenbilder von der eigenen Konfession
gerade als Ausdruck und Bekenntnis, sozusagen als Zeugnis und vielleicht
auch als Widerstand gegen das protestantische Königreich, errichtet. Die
Motive und Gründe zur Errichtung eines Bildstockes oder Kreuzes sind
vielfältig. Besonders schwierige Zeiten, Notzeiten waren Anlass, mit
einem solchen Symbol für den christlichen Glauben um Gesundheit zu
bitten, aber vielfach auch als Ausdruck des Dankes für glücklich
überstandene Gefahren, wie zum Beispiel, dass der Bruder, der Sohn, der
Mann den Krieg überlebt hat. Auch erinnern etliche Wegebilder an die
Opfer der Kriege. Auch sind einige als bewusster öffentlicher Widerstand
anzusehen gegen die Ideologie des Nationalsozialismus. In der Mitte des
letzten Jahrhunderts nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sozusagen als
Neubeginn wieder etliche Wegemale errichtet. Immer wieder entstehen bis
heute neue Landmarken in ungebrochener Tradition und immer wieder stellt
man Haus und Hof unter den Schutz eines Heiligen oder eines christlichen
Symbols. Viele sind allerdings heute häufig schutzlos Umweltbedingungen
ausgeliefert, auch durch Stilllegungen von Höfen, Besitzerwechsel,
Vandalismus oder Diebstahl; zuweilen fehlt es auch an sorgfältiger
Pflege und an der Einsicht zur Notwendigkeit des Erhalts.
Du, lieber Walter, hast die Initiative ergriffen mit großem
Engagement und Herzblut, nicht lamentiert, resigniert und apathisch den
Dingen ihren Lauf gelassen, sondern praktisch und konkret die dauerhafte
Erhaltung der Bildstöcke zu Deinem Herzensanliegen gemacht. In Deiner
nunmehr 16-jährigen ehrenamtlichen Tätigkeit hast Du im Altkreis
Warendorf fast 700 Bildstöcke inventarisiert und gemeinsam mit vielen
anderen Akteuren, wie dem Kreis Warendorf, Banken, Denkmalbehörden,
vielen privaten Investoren, Vereinen, die Restaurierung vorangetrieben.
Durch Ausstellungen, Benefizkonzert, mit umfangreichen Publikationen,
zum Beispiel dem Radwanderführer zu den Bildstöcken, durch gezielte
Öffentlichkeitsarbeit habt Ihr immer wieder neu das Bewusstsein für
diese Tradition und ihrer Pflege erreicht. Ihr seid Gestalter unseres
Lebensraumes, unserer Heimat, ihr baut Brücken von Gestern zu Heute und
Morgen. Als Kontrast zur Globalisierung und Mobilität erfährt Heimat als
Lebensgefühl eine Neukonstitution. In unserem kosmopolitischen Alltag
haben wir Sehnsucht nach einer Identifikationsebene, Verortung,
Sicherheit, Schutz und Rückzugsmöglichkeit. Du, lieber Walter, trägst
dazu bei, uns in unserer Heimat wohl zu fühlen und uns daran zu
erfreuen. Heimat beinhaltet aber auch Erinnerung an die
Auseinandersetzung mit Vergangenem, als Basis und Potenzial für die
Zukunft. Heimat haben ist ein geistiges Wurzelgefühl. Heimat lässt sich
nicht konsumieren, als Event-Welt. Du hast Dir die Heimat mit dieser
Initiative kontinuierlich, dynamisch und handlungsorientiert angeeignet
und lässt uns teilhaben an Heimat als gelebtem und erlebtem Raum. Heimat
haben heißt, hier zu leben, heißt personale Kommunikation, und Dialoge
mit der Vergangenheit führen, innezuhalten und seinen Standort zu
bestimmen. Deine Arbeit ist keine Eintagsfliege, sondern Du trägst mit
dem Arbeitskreis dazu bei, unsere Heimat mit den Wegmarken des Glaubens
neu zu entdecken und als Lebensqualität wahrzunehmen. Die zu Beginn
meiner kleinen Laudatio erwähnten Hobbys Fotografieren Radfahren,
Beherrschen der modernen Technik sind zwar keine Voraussetzung für Dein
Engagement, aber erleichtern die Arbeit. Du und der Arbeitskreis seid
professionell, kompetent. Du hast als technisch versierter Pastor dafür
gesorgt, dass Eure Arbeit umfangreich, informativ und aktuell im
Internet dokumentiert ist. Du, lieber Walter, bist selber zu einer
besonderen Marke, zu einer Landmarke, vielleicht besser noch zu einer
authentischen Glaubensmarke geworden.
Auch persönlich danke ich Dir für Deinen unermüdlichen Einsatz,
gratuliere Dir herzlich zur Verleihung der Wilhelm-Zuhorn Plakette und
stelle fest, dass Du sie mehr als verdient hast. Auch danke ich dem
Heimatverein, dass er diesen herausragenden Priester ausgesucht hat und
damit deutlich macht, dass Heimat nur lebendig und attraktiv bleiben
kann, durch das Engagement, durch den Einsatz von Menschen, die über
ihre eigenen Bedürfnisse hinaus bereit sind, sich für das Gesamtwohl der
Menschen einzusetzen. Ich hoffe für uns alle, dass Du noch lange unseren
Lebensraum so nachhaltig mitgestalten kannst.
Ihnen allen danke ich herzlich fürs Zuhören.
1.
Begrüßung, Einführung und Verleihung
2. Laudatio
Norbert Funken für Wolfgang Budde
3. Laudation
Hermann Flothkötter für Walter Suwelack