Mit den Bewohnern des Hauses Markt 17, in dem heute Geschäftsstelle und
Redaktion der Glocke untergebracht sind, befaßte sich ein Vortrag von
Dr. Ekkehard Gühne. Nach der Generaltabelle von 1763 wohnte in dem Haus
Nr. 582 des Brandkatasters der Tuchhändler Jacob Isac, der zugleich
Vorsteher der Warendorfer Judengemeinde war. Nach seinem Tod
übernahm der Sohn Hirsch Jacob das Geschäft, das nach den
Steuerunterlagen mit 7.000 Talern den höchsten Umsatz in der Stadt
besaß. Die einzige Tochter Rika heiratete den Warendorfer Kaufmann
Joseph Metz, der soweit in die Warendorfer Gesellschaft integriert war,
dass er sogar in die vornehme Gesellschaft Harmonie aufgenommen wurde.
Von seinen Kindern, die alle aus dem im 19.
Jahrhundert wirtschaftlich niedergehenden Warendorf wegzogen, streifte
der Referent noch den Sohn Philipp Metz. Dieser studierte nach dem
Abitur am Laurentianum Jura und war als Rechtsanwalt in verschiedenen
Orten Ostwestfalens tätig. Eine Tochter von ihm, Josefa Metz (1871 -
1943) schrieb Romane, Gedichte und Theaterstücke, aus denen Dr. Ekkehard
Gühne kurze Texte vorlas. Nach 1933 bekam sie als Jüdin Berufsverbot und
wurde schließlich ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie auch umkam.
Es schloß sich unter den 25 Zuhörern eine lebhafte
Diskussion an.
Im Jahre 1387 sind erstmals Juden in Warendorf nachweisbar; 1941 endete mit der Deportation der letzten sechs Juden grausam eine lange, komplizierte Geschichte. Etwa einhundert Jahre davon beleuchtete am Donnerstag in der Gaststätte Porten Leve ein Vortrag des Heimatvereins, hier zugespitzt auf die Bewohner eines einzigen Hauses: Markt 17.
Dr. Ekkehard Gühne, stellvertretender Vorsitzendes des Heimatvereins, begann seinen historischen Spaziergang mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges, 1763, als Jacob Isaac, Vorsteher der Judengemeinde, hier seinen Tuchhandel betrieb, Verbindungen bis in die Niederlande pflegte, alles natürlich nur mit einem „Geleit“ des Münsteraner Fürstbischofs, denn hier wie anderswo konnten Juden nicht das Bürgerrecht erwerben, mussten sich also einen Rechtsstatus anders verschaffen.
Jacob Isaac erlebte wohl noch die Blütezeit der jüdischen Gemeinde, damals die größte des Münsterlandes, als hier der Landrabbiner David Breslauer (+ 1789) residierte.
Sein Sohn Hirsch Jacob (+ 1821) erlebte dann das Ende der geistlichen Herrschaft, die Zeit Napoleons und der Franzosen. Den Juden brachte sie ein hohes Maß an rechtlicher Gleichstellung. So gelangte Hirsch Jacob sogar in den Stadtrat, hatte als Kaufmann mit 7.000 Talern den mit Abstand höchsten Umsatz der Stadt, hielt sich einen Hauslehrer aus Amsterdam und zahlreiche Bediente und Angestellte, hatte mit seiner Gattin Miriam aber nur eine Tochter Rika.
Die begehrte Partie sicherte sich 1816 der Warendorfer Kaufmann Joseph Elias, der sich nach mehreren Zwischenstationen endlich für den Namen Joseph Metz entschied (+ 1846). Denn mittlerweile regierten in Warendorf die Preußen mit ihrem Sinn für Ordnung; Juden mussten (wenn auch oft zähneknirschend) einen festen Familiennamen führen, hatten Geburten, Heiraten und Todesfälle dem Bürgermeister zu melden, unterstanden dem preußischen Landrecht, erhielten aber weitgehende bürgerliche Gleichberechtigung.
Joseph Metz verstand diesen Freiraum zu nutzen. In seinem Kontor tummelten sich bis zu 14 Handlungsgehilfen, Lehrlinge und Mägde. Die „höhere Gesellschaft“ akzeptierte den Juden, nahm ihn 1841 gar in die durchaus exklusive „Gesellschaft Harmonie“ auf. Er verleugnete seinen Glauben nicht, bedachte in seinem Testament reichlich die Synagogengemeinde, vergaß insbesondere die „israelitischen Armen“ nicht.
Die Jahre nach seinem Tode bedeuteten für Warendorf wirtschaftlichen Niedergang, der auch die jüdische Gemeinde traf. Seine Witwe blieb noch einige Jahre in der Stadt, seine insgesamt sechs Kinder verließen sie bald. Ihre Spuren verlieren sich zum großen Teil, nicht allerdings im Falle von Philipp Metz (1827-87). Er war Schüler des heutigen Laurentianums, studierte Jura in Bonn, Amsterdam und Berlin, heiratete seine Cousine Elvira Metz, wurde Rechtsanwalt und Notar in Petershagen, Minden und schließlich Bielefeld. Er engagierte sich für das Judentum, z. B. als langjähriger Kurator für das jüdische Lehrerseminar in Münster, stellte sich aber auch der „nichtjüdischen“ Welt. In Minden etwa wählten ihn seine Mitbürger zum Stadtverordneten.
Die schmerzliche Brücke zur Nacht des „Dritten Reiches“ schlug eins der sieben Kinder des Ehepaares: Josefa Metz, 1871 in Minden geboren, wo heute im Ortsteil Dankersen eine Straße ihren Namen trägt. Sie versuchte sich nicht ohne Erfolg als Schriftstellerin, schrieb Romane, Gedichte und kleinere Theaterstücke, nicht in der Absicht, unserer Literatur neue Wege zu erschließen. Es ging ihr um gute Gebrauchsliteratur. Einige Proben daraus beschlossen den Abend.
1933 lebten von ihren Geschwistern in Deutschland nur noch Pauline und Hans Arnim. Die Schwester starb noch 1941 vor Beginn der Deportationen; der Bruder fand im September 1943 in Theresienstadt den Tod. Einige Monate vorher hatte dieses Schicksal auch schon Josefa getroffen. Schon Jahre vorher hatten ihr die Nazis jede Arbeitsmöglichkeit genommen.
Warendorfs jüdische Vergangenheit kennt viele Facetten, die bislang erst zum Teil aufgearbeitet sind. Einen kleinen Beitrag dazu leistete dieser Abend.
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