In
der Diskussion um die Zukunft der Emsinsel wird immer wieder eine
Wohnbebauung empfohlen oder gefordert. Ihr stehen scheinbar nur die
vermuteten Altlasten auf dem Firmengelände entgegen, die aus einer
Kontamination durch Schadstoffe aus Färberei und Schlichterei bestehen
können. Wer sich jedoch intensiver mit dem Gelände befasst, stößt auf
die erheblich größeren Probleme, die in der Struktur des Baugrundes
selbst liegen und allen Neubauten grundsätzlich im Wege stehen.
Die Emsinsel ist im Firmenbereich vielfach durchzogen von alten
Flussgerinnen, die sich im Laufe der Jahrhunderte verlagert haben, wie
etwa der Gelbe Kolk unter der Wagenhalle, sowie städtische
Festungsgräben, die im letzten Jahrhundert zugeschüttet wurden. Dies
alles bildet bis heute einen gar nicht oder nur wenig tragfähigen
Baugrund aus Schwemmsand mit erheblichen Problemen für alle
betriebsbedingten Erweiterungen der Textilfabrik. Hierüber berichtet die
Firmenzeitschrift „Ketting und Einschlag“ (1950-62) in allen Jahrgängen
ausführlich, und dort gefundene Fakten bilden die Grundlage dieses
Textes.
Die durch den Boden bedingten Nachteile erzwangen seit den
Erweiterungen von 1923 die konsequente Gründung aller Betriebsgebäude –
einschließlich des 52 m hohen Schornsteins - auf 12 bis 13 m tiefen
Pfählen. Erst nach der Emsregulierung 1932/33 genehmigte die
Wasserbaubehörde die notwendigen Erweiterungen zur Alten Ems hin. In der
Folge wurden meistens Betonpfähle eingesetzt, gerammt oder gebohrt, die
grundsätzlich bis zur tragfähigen Mergelschicht in 12 bis 14 m Tiefe
niedergebracht werden mussten. Dieses sehr aufwändige Gründungsverfahren
betraf, wie gesagt, alle zwischen 1923 und 1978 errichteten Gebäude,
darunter die Wagenhalle, die große Färberhalle mit den anschließenden
Sheds, die Bettenfabrik, das Fertiglager und die Näherei mit Verwaltung.
Hierbei verband man die je nach Gebäude über hundert Pfahlköpfe durch
aufgelegte Rahmen miteinander zu stabilen Stahlbeton-Tragwerken, auf
denen Stahlbeton-Skelettbauten errichtet wurden.
Dieser hohe Gründungsaufwand war nur dadurch zu rechtfertigen
und zu kalkulieren, dass die alternative komplette Betriebsverlagerung –
etwa nach Sassenberg oder Freckenhorst zu den dortigen Zweigwerken -
unbezahlbar gewesen wäre. Diese Zweigwerke hatten ja ihre Existenz
allein dem Umstand verdankt, dass alle bis 1930 dringend notwendigen
Erweiterungen auf der heutigen Emsinsel technisch und rechtlich
ausgeschlossen waren.
Dieser geschichtliche Abriss war hier notwendig um eindeutig
klarzumachen, wie es zu dem heutigen Zustand auf der Emsinsel gekommen
ist.
Nun stehen die Hallen und Gebäude noch, und man könnte meinen,
sie seien auf gleicher Stelle einfach durch eine Wohnbebauung zu
ersetzen. Dabei wird vergessen, dass hier für die Industrieproduktion
und nicht für Freizeit und Wohnen gebaut worden war.
Der für die vorhandenen Betriebsgebäude unabdingbar notwendige
Stahlbeton-Trägerrost wird auch nach deren Abbruch im Boden verbleiben,
weil er aus Kostengründen nicht entfernt werden kann. Nach seinen
Umrissen und seinen inneren Abmessungen ist er allerdings für eine
Wohnbebauung zu groß und zu weitmaschig und deshalb ungeeignet. Von der
Statik her gesehen bindet er nämlich jeden neuen Aufbau punktgenau an
den bestehenden Grundriss der Halle oder des Fabrikgebäudes. Wenn er
dann die natürlich viel kleiner gegliederten Wohnbauten tragen sollte,
müsste er durch weitere Pfähle und Tragwerke ergänzt und erweitert
werden. Das muss dann für jeden Punkt genau nachgeprüft werden, würde
allerdings im Bau noch einmal so viel kosten wie die ursprüngliche
Gründung. Die Lage künftiger Wohnungen stünde durch die vorhandenen
Tragwerke natürlich von vornherein fest. Ein Umnutzung des Bestehenden
für private Wohnnutzung wäre demnach – sofern überhaupt
realisierbar - mit vielen Kompromissen behaftet und wenig attraktiv. Sie
kann daher ausgeschlossen werden.
Die Planerwerkstatt von 2008 präsentierte fünf
Entwurfsansätze, die sich von der Bindung an die vorhandenen Tragwerke
gelöst und das Gelände frei überplant hatten. Für solche Fälle käme wohl
nur eine schwebend oder schwimmend genannte Gründung in Betracht. Bei
dieser Bauart werden im Prinzip die vorhandenen Pfahlroste durch
stellenweise überkragende, flächige Konstruktionen aus Stahlbeton
erweitert, notfalls durch weitere Pfähle gestützt. Hier gäbe es
konstruktive Möglichkeiten, die jeweils für jedes Vorhaben einzeln
geplant und nachgeprüft werden müssten. Unter Verzicht auf ein
Kellergeschoss - was für die Emsinsel wegen des hohen Grundwasserstandes
übrigens zwingend ist – braucht man über einer solchen bewehrten
Konstruktion nur ein leichtes Streifenfundament daneben eine
Bodenauflage für die Freiflächen auf der gleichen Platte. Solche
Gründungen sind nach Erfahrungen an anderen Orten allerdings statisch
nur eingeschränkt durch ein, höchsten zwei Vollgeschosse – je nach
Bauweise - belastbar. Dies gilt immer, wenn der gewünschte Grundriss nur
zum Teil auf das alte Tragwerk trifft und zum übrigen Teil in dem oben
dargestellten Sinne neben oder zwischen Tragwerken schwebt. Im Falle der
Entwurfsansätze der Planerwerkstatt trifft das für die meisten dort
gezeigten Objekte zu. Je nach Stärke der Bodenauffüllung (in der Regel
wird man höchstens 1 m aufschütten können) verzichtet der jeweilige
Bauherr überdies künftig auf alle größeren Gartengehölze, auf Bäume
sowieso, und beschränkt sich auf Rasen und Blumen. Dafür dürften sich
die Kosten der gesamten Gründung gegenüber einer normalen Flachgründung
verdoppeln. Die von der Planerwerkstatt seinerzeit vorgeschlagenen
Entwurfsansätze mit Mehrfamilienhäusern hätten damit allein von den
statischen Vorbedingungen her hier keine begründete Aussicht auf
Verwirklichung.
Für die vielfach angesprochenen Stadtvillen gelten die gleichen
Einschränkungen in Bezug auf Standort oder Statik. Ausnahmen würden sich
über den Preis regeln und wären dann aus Kostengründen unattraktiv.
Als Alternative wird immer wieder eine investive Privatisierung
mit einem Großprojekt, die auf hohe Gestehungskosten keine Rücksicht
nehmen muss, in den Raum gestellt. Die würde sich ihren hohen Aufwand
anschließend von ihren vergleichsweise wenigen künftigen Nutzern, wer
auch immer das wäre, reichlich zurückholen, brächte jedoch weder der
Altstadt noch der Bürgerschaft insgesamt irgendeinen Vorteil, schlimmer
noch: eine Investitionsruine droht, sobald die Rendite für den Betreiber
nicht mehr stimmt, ein Rückkauf des Areals für die Kommune hingegen
nicht zu leisten ist. Das allerdings wäre bei dieser exzellenten Lage
für Warendorf eine Katastrophe. Es bleibt also den Entscheidungsträgern
anheim gestellt, solches zuzulassen, und damit die Planungshoheit der
Stadt von vornherein völlig preiszugeben, oder im Sinne ihrer Bürger zu
entscheiden, um beides zu verhindern. Der Bürgerantrag vom 22.08.2014 -
in seiner endgültigen Fassung vom 25.11.2014 - zielt in diese Richtung.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die
Firmengeschichte Brinkhaus von einem endlosen Kampf gegen die Tücken der
Ems und des Untergrundes gekennzeichnet ist. Diese Unwägbarkeiten
zwingen auch jetzige und künftige Entscheidungsträger zum Umdenken. Die
Emsinsel ist aufgrund ihrer Bodenstruktur absolut nicht in der Lage, die
immer wieder geforderten bezahlbaren und attraktiven Baugrundstücke für
junge Familien zu liefern. Man sollte sich überhaupt von dem Gedanken
verabschieden, den erhaltenswerten, vermutlich ältesten Teilen der
Fabrik noch irgendetwas Neues hinzufügen zu wollen, was bezahlbarem
Wohnen dienen könnte. Die Emsinsel ist weder dazu geeignet, die
bestehenden Wohnungsprobleme zu lösen, noch, potentiellen Großinvestoren
zu gesichertem Profit zu verhelfen.
Klaus Günter Ring, 10.02.15
(Laut Baudirektor Peter Pesch (UPV-Sitzung vom 26.02.2015) ist
das technische Problem nachrangig; es ist in erster Linie ein
kalkulatorisches Problem. Er strebt die Hochwasserfreiheit für die
Emsinsel an und wünscht sich Planungsfreiheit).