1946 die große Flut - Land unter bei der Firma Brinkhaus
Gemälde von Wilhelm Götting
Auch über Hochwasserprobleme wurde in „Ketting und Einschlag“
ausführlich berichtet. Im Februar 1946 wurde Warendorf von einem noch
höheren Hochwasser heimgesucht, als es 1891 gewesen war. Die
Rahmenbedingungen waren ungünstig, der Boden war gefroren und konnte
kein Wasser aufnehmen. Zu dem tagelangen Regen kam noch das
Schmelzwasser. Das Hochwasser setzte den Betrieb Brinkhaus vollständig
unter Wasser, das gesamte Werksgelände war ein großer See. In der
Weberei stand das Wasser 80 cm hoch. Die drei Flüchtlingsfamilien in den
Baracken vor der Firma mussten ihre Bleibe Hals über Kopf verlassen und
fanden Zuflucht bei den Nachbarn, die tatkräftig halfen, die
lebensnotwendige Habe aus den Fluten zu retten.
Im Sommer 1956 versetzte wieder ein ungewöhnlich lang
andauerndes Sommerhochwasser die Stadt und die Firma Brinkhaus in Angst
und Schrecken. Durch die langen und heftigen Regenfälle hatte die Ems
einen ständig hohen Wasserstand und Hochwasserstände, wie sie sonst nur
im Winter zu verzeichnen sind. Es fehlten nur wenige Zentimeter und die
Firma hätte wieder „Land unter“ melden müssen. Die Eingänge zum Websaal
wurden mit Sandsäcken verbarrikadiert, um die wertvollen Maschinen vor
Wasserschaden zu schützen. Wasser in der Weberei hätte einen langen
Produktionsausfall zur Folge gehabt. Gott Dank hörte es dann auf zu
regnen und der Wasserspiegel sank. Es war noch einmal gut gegangen.
Hermann Gustav Brinkhaus konnte sein Zuhause allerdings nur noch mit dem
Boot erreichen, Haus Bleiche war eine Wasserburg geworden.
Nun drängte die Geschäftsleitung der Firma Brinkhaus darauf,
dass die Regulierung der Ems oberhalb der Stadt fortgeführt werden
sollte. Sie war während des Krieges liegen geblieben. Das geschah dann
auch in den Folgejahren.
Wie wichtig ein wirksamer Schutz ist zeigte die Dezemberflut
von 1960. Wieder bedrohten die Wassermassen die Firmengebäude.
Freiwillige Helfer errichteten bei strömendem Regen einen Schutzwall aus
Sandsäcken entlang der Ems. In den Büros wurden wichtige Akten gesichert
und die hochempfindlichen, kostspieligen IBM Maschinen, die mehr als 25
Zentner wogen, wurden unter Aufsicht von IBM Technikern hochgehievt. Für
dieses Mal hat der Sandsackwall den Betrieb vor den Emsfluten gerettet,
aber dieser Gefahr durfte sich die Firma nicht noch einmal aussetzen.
Im Frühjahr 1961 begann die innerstädtische Regulierung der
Ems. Im Bereich der Firma Brinkhaus sollte eine Spundwand vor erneuten
Überschwemmungen schützen. Dafür mussten die alten Linden am Emsufer
gefällt werden, die Hermann Josef Brinkhaus vor 80 Jahren bei der
Gründung der Firma gepflanzt hatte. Viele „Brinkhäusern“ beobachten die
Fällung mit Wehmut. Wie oft waren sie auf diesem lindenumsäumten Weg
entlang der Ems zu ihrem Arbeitsplatz gegangen!
Nun konnten die neun Meter langen Stahlspunde in die Erde
gerammt werden. Sie waren an den Seiten mit Führungsnuten versehen, um
ineinandergreifen zu können. Auf ihr wurde eine „freundliche Mauer“
errichtet. So entstand eine massive Wand „ein Zwangspanzer für die Ems,
unsere mitunter allzu widerspenstige und mutwillige Nachbarin“, so
berichtete Hermann Dieter Brinkhaus in „Ketting und Einschlag“. Die
hohen Mehrkosten für die Spundwand trug die Firma Brinkhaus. Sechs
Wochen lang dauerte das Einrammen der Spundwand, sechs Wochen lang bebte
so mancher Schreibtisch in den Büros der Firma Brinkhaus, dann war der
gesamte Uferabschnitt bis zur Straße gesichert - ein entscheidender
Beitrag zu „der Widerspenstigen Zähmung“.
Natürlich hat es immer wieder Hochwasser in Warendorf gegeben,
aber die Schutzmaßnahmen für den Betrieb Brinkhaus haben sich bewährt -
sogar 1984 bei einer der folgenreichsten Überschwemmungen, als die
Wirtschaftsschau auf dem Lohwall in den Emsfluten versank. Allerdings
darf man nicht vergessen, dass die Ausstellung im Überschwemmungsgebiet
der Ems aufgebaut worden war. Die für den Hochwasserschutz entscheidende
Maßnahme war der Bau des Emssees im Jahr 1974, der im Zusammenspiel mit
der Überlaufschwelle und dem gefluteten Lohwall die Wassermassen an der
Altstadt vorbeileitet. Bis heute gewährleistet dieses System einen
wirksamen Hochwasserschutz für Warendorf.
Mechtild Wolff