An
seinem 90. Geburtstag ehrte Bürgermeister Peter Horstmann den ehemaligen
Vorsitzenden und heutigen Ehrenvorsitzenden des Heimatvereins Warendorf
mit dem Ehrensiegel der Stadt Warendorf. Im Rahmen einer Feierstunde im
historischen Tapetensaal würdigte Bürgermeister Horstmann in seiner
Laudatio die vielfältigen Verdienste Paul Leidingers. Viele Jahrzehnte
lang hat er neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit als Lehrer am
Gymnasium Laurentianum und als Professor an der Universität Münster sich
intensiv für die Erhaltung der historischen Altstadt eingesetzt – mit
Erfolg. Ohne ihn sähe Warendorf heute anders aus, ohne ihn wäre
Warendorf ärmer. Und ohne ihn wäre die Geschichte der Stadt Warendorf
nicht so umfassend beschrieben und in der dreibändigen „Geschichte der
Stadt Warendorf“ für die Nachwelt dokumentiert worden.
Eine besondere Freude war es für den Jubilar, dass Dr. Knut
Langewand ihm zum Abschluss des Festaktes das erste Exemplar des
gemeinsam herausgegeben Buches von Dr. Ekkehard Gühne über die
Geschichte der Synagogengemeinde Warendorf seit 1771 überreichte.
Die Stadt Warendorf und der Heimatverein Warendorf sind Paul
Leidinger sehr zu Dank verpflichtet und gratulieren ihm sehr herzlich zu
seinem Lebenswerk.
Die Laudatio des Bürgermeisters Peter Horstmann und die
Würdigung der Heimatvereinsvorsitzenden Mechtild Wolff verdeutlichen die
vielseitigen Verdienste von Dr. Paul Leidinger für seine Heimatstadt
Warendorf.
Verleihung des Ehrensiegels der Stadt Warendorf an
Prof. Dr. Paul Leidinger am 4. September 2022
Sehr geehrter Herr Professor, lieber Herr Leidinger,
Es müsste noch vieles mehr genannt werden! Dieses erstaunliche
Engagement wurde bereits 1997 mit dem Bundesverdienstkreuz und 2002 mit
gleich zwei Festschriften gewürdigt. Und es dauert seitdem
ununterbrochen und unverdrossen an.
Selten kommt es vor, dass eine Doktorarbeit nach fast 60 Jahren
immer noch ein Standardwerk ist, wie Ihre 1963 abgeschlossene zur
Geschichte der Grafen von Werl.
In „Wissenschaft als Beruf“ hat Max Weber 1917/1919 formuliert:
Der gute Wissenschaftler „soll qualifiziert sein als Gelehrter nicht
nur, sondern auch: als Lehrer.“ Ganz sicher trifft das auf Sie zu.
Hier ist der Ort, Ihre Verdienste für die Stadt Warendorf zu
würdigen. Und wenn ich Stadt sage, dann meine ich mehr als nur die
Warendorfer Stadtgeschichtsschreibung. Ich meine auch, und das ist mir
gerade als Bürgermeister besonders wichtig, Ihren Einsatz für ein
denkmalwertes und zugleich zukunftsorientiertes Stadtbild. Für ein
Stadtbild zwischen gebotener Bewahrung und nötiger Weiterentwicklung.
Wesentlich auf Sie geht die Neugründung des Heimatvereins am
Montag, den 30.11.1970 zurück. Die Satzung gibt für dessen Arbeit vor,
„in der jeweiligen Gegenwart Traditionen sinnvoll bewahren und zugleich
an den Aufgaben der Zukunft mitarbeiten“ zu wollen.
Bis 1983 waren Sie der Vorsitzende, der unter Ihrer Leitung in
kurzer Zeit auf über 1000 Mitglieder anwuchs.
1971 begründeten Sie die Reihe „Warendorfer Schriften“, deren
Schriftleitung Sie bis 2002 innehatten und deren Herausgeber Sie heute
noch sind. Sie entwickelten diese Reihe zu einem überregional beachteten
Publikationsorgan. Sie verstanden es, in klug abgewogener Mischung hier
örtliche Forschungsergebnisse mit regionalen wissenschaftlichen Arbeiten
renommierter Autoren zu verbinden. Inzwischen liegen 50 Bände vor.
1964 übernahmen Sie von Theodor Pröpper, Ihrem
Ausbildungslehrer und Mentor am Gymnasium Laurentianum die ehrenamtliche
Leitung des umfänglichen Stadtarchivs. 1976 gaben Sie diese an Dr.
Johannes Nowak ab. 12 Jahre betreuten und pflegten Sie das Gedächtnis
der Stadt.
Auch an der Gründung des „Beirats für Altstadterneuerung“, vor
allem aber an der Konstituierung der „Vereinigung für Denkmalpflege,
Stadterhaltung und Stadtbildpflege in Warendorf e.V.“ (kurz
Altstadtfreunde) waren Sie 1980 initiativ und führend beteiligt.
Ebenso wie 1974 an der Wiedereröffnung des Kreisheimatmuseums
im Warendorfer Rathaus.
Im Jahr des 800 jährigen Stadtjubiläums 2000 schufen Sie als
Herausgeber und Schriftleiter mit der dreibändigen Stadtgeschichte eine
profunde, wissenschaftliche Grundlage. Von Fachleuten habe ich mir
erläutern lassen, welche immense Arbeit das Entstehen eines solches
Werkes allein im organisatorischen, redaktionellen, vor allem aber im
konzeptionellen Bereich erfordert.
Aber es sind nicht nur die organisatorisch-lenkenden
Tätigkeiten, für die es zu danken gilt. Es muss auch Ihr eigenes
wissenschaftliches Wirken für Warendorf genannt werden.
Neben unzähligen Aufsätzen ist vor allem das 1980 erschienene
Blatt Warendorf im Westfälischen Städteatlas zu nennen. Neben einem
wissenschaftlicher Aktualität verpflichtetem Abrissstellt dieses Blatt
die grundlegenden historischen Karten bereit. Vor allem aber die Edition
des Urkatasters.
Ebenso grundlegend sind Ihre Ausführungen in der genannten
Stadtgeschichte, ebenso diejenigen zur Kirchgründung in Freckenhorst
usw..
Auf Ihre angekündigten, neuen Forschungen zur Geschichte der
Siedlung Warendorf im 8.Jh. dürfen wir gespannt sein.
Hinzu tritt Ihre Funktion als Anreger und kritischer Gutachter
vieler Arbeiten. Wenn Warendorfs Stadtgeschichtsschreibung heute über
eine profunde Grundlage verfügt, die es ermöglicht als überregional
nutzbarer Beispielsfall zu dienen, dann ist das ganz wesentlich Ihr
Verdienst.
Ihr fundiertes, zugleich entschiedenes und beharrliches
Eintreten für all diese genannten Belange traf aber nicht immer nur auf
offenes Verständnis. Manchmal führte es auch zu überscharfen Reaktionen,
die Sie aber nicht beirren konnten. In ihrer unbestechlichen
Gradlinigkeit waren Sie wichtiger Partner und mahnender Antreiber der
Politik. Eine Stimme, die die offene und öffentliche Auseinandersetzung
nicht scheute!
Und ich betone: Dies taten Sie in über 50 Jahren ehrenamtlicher
Tätigkeit. Ein Aspekt, der es verdient als Vorbild genannt und gewürdigt
zu werden
Das Vorgesagte macht, aller verkürzenden Prägnanz zum Trotz, deutlich, in welchem Maße Sie wirkungsmächtiger Nachfolger und Fortsetzer Wilhelm Zuhorns, des Begründers der wissenschaftlichen Warendorfer Geschichtsschreibung, geworden sind.
Ihnen kommt (neben anderen) das Verdienst zu,
in Warendorf den Denkmalschutzgedanken verbreitet zu haben,
das Verdienst, für die wissenschaftliche Erarbeitung der Warendorfer
Geschichte unverzichtbare Grundlagen geschaffen zu haben,
das Verdienst, das historische Gedächtnis der Stadtgemeinde unübergehbar
bereichert zu haben.
Und all das mit erstaunlicher Arbeitskraft und stupendem
Arbeitswillen. Möge meine und mögen künftige Generationen daraus reichen
Gewinn ziehen!
Vor dem Hintergrund all dessen hat der Rat der Stadt Warendorf
am 25.11.2021 einstimmig beschlossen, Ihnen als Anerkennung dieser
Verdienste das Ehrensiegel der Stadt Warendorf zu verleihen.
Im Namen von Rat und Stadtgemeinde danke ich und freue mich
Ihnen das Symbol dieses Dankes heute überreichen zu dürfen.
Verehrte Gäste,
lassen Sie mich an dem heutigen Festtag eines nicht unerwähnt
lassen. Hinter all diesen Leistungen und damit Verdiensten, die Prof.
Dr. Paul Leidinger in den vielen Jahren seiner hauptberuflichen und
ehrenamtlichen Tätigkeit erworben hat, stand und steht seine Frau Hedi.
Sie hat ihm, wie mir glaubhaft versichert wurde unerschütterlich den
Rücken frei gehalten, ihn stets unterstützt und sich über jeden Erfolg
aufrichtig mit ihm gefreut. Und das nicht selten unter Zurückstellung
der eigenen Bedürfnisse. Dafür gebührt auch Ihnen ein herzliches
Dankeschön.
Hochgeehrter Ehrensiegelträger Prof. Dr. Leidinger,
lieber Paul, verehrte Festgesellschaft!
Wir gut, dass es im Jahr 1962, als Du, lieber Paul, Lehrer am
Gymnasium Laurentianum wurdest, noch nicht die Regel war, dass Lehrer
die Schultür mittags zumachten und zu ihrem Wohnort nach Münster und
Umgebung fuhren. Du wähltest damals die historische Stadt Warendorf zur
Heimatstadt für Dich und Deine Familie. Welch ein Glücksfall für
Warendorf!
Hier wuchsen Dir schnell wichtige Aufgaben entgegen. 1964
übernahmst Du von Deinem Kollegen Theo Pröpper die Leitung des
Stadtarchivs und im folgenden Jahr wurdest Du zum Kreisheimat-pfleger
ernannt und so lag es nahe, dass auch der Warendorfer Heimatverein auf
Deine Hilfe setzte, um den Verein auf neue Beine zu stellen und zu
beleben. Und Deine liebe Frau wird nicht schlecht gestaunt haben, als Du
nach der Mitgliederversammlung 1970 als der neue Vorsitzende des
Heimatvereins nach Hause kamst – das war nicht geplant gewesen, aber der
vorgesehene Kandidat war urplötzlich abgesprungen und Du hast Dich „in
die Pflicht nehmen lassen“. Ich kann mir vorstellen, es war gut, dass Du
nicht wusstest, welche Stürme da auf Dich zukamen. Warendorf war in
einer Umbruchphase, das Wirtschaftswunder hatte auch hier seine Spuren –
ja, seine „Wunden“ hinterlassen. In der historischen Altstadt waren
prächtige Bürgerhäuser durch Geschäftshäuser in moderner
Beton-Architektur ersetzt worden und ein Ende dieser Entwicklung war
nicht abzusehen. Darum hat der Heimatverein damals der neuen
Vereins-Satzung das Zitat des spanischen Philosophen Ortega y
Gasset vorangestellt:
„Der Fortschritt besteht nicht darin, das Gestern zu zerstören,
sondern seine Essenz zu bewahren,
welche die Kraft hatte, das bessere Heute zu schaffen.“
Und schon bald musste das in die Tat umgesetzt werden. Heftige
Diskussionen gab es um die Erhaltung der historischen Werte in unserer
Stadt, beginnend mit dem Kampf um den Erhalt der „Villa Sophia“, der
prächtigen Gründerzeitvilla am Emstor. Es war ein Kampf gegen
Windmühlenflügel, denn die Mehrheit des Rates erkannte den Wert dieses
einzigartigen Denkmals aus der Glanzzeit der Textilindustrie nicht und
gab einem kurzfristigen wirtschaft-lichen Vorteil die Priorität. Noch
heute ist der Abriss des Sophienstiftes eine schmerzende Wunde in
unserer Stadt.
Es sollte damals aber noch schlimmer kommen. Eine grundlegende
Neugestaltung der Innenstadt wurde geplant – auch Warendorf sollte
autogerecht werden. Dass dadurch historische Straßenzüge komplett
abgerissen werden mussten, sollte als unvermeidlicher Kollateralschaden
in Kauf genommen werden. Wie gut, dass damals der auf über 1000
Mitglieder angewachsene Heimatverein mit seinem durchsetzungsstarken
Vorsitzenden Dr. Paul Leidinger dieses Unheil abwenden konnte und eine
Altstadtsanierung durchsetzte, die aus dem eher grauen Landstädtchen
eine farbenfrohe, liebenswerte Stadt machte, in der sogar verfallene
Gademe zu urigen Fachwerkhäuschen wurden. So konnte aus der unbekannten
Kleinstadt ein beliebter Wohnstandort, ja sogar ein Touristenziel
werden.
Ein gar nicht unwichtiges Puzzlestück war auch die Tatsache,
dass Du, lieber Paul, an die Universität Münster berufen wurdest und
hier mit historisch interessierten jungen Menschen arbeitetest und viele
Studenten motivieren konntest, sich mit der Geschichte der Stadt
Warendorf zu befassen und wenn ich mich richtig erinnere, hast Du damals
auch den jungen Studenten Stefan Baumeier gewonnen, der Anfang der
1970er Jahre für seine Dissertation die Bürgerhäuser der Stadt Warendorf
erforschte – eine unendlich wichtige Grundlage für die
Altstadtsanierung.
Ja, und Deine Arbeit mit den münsteraner Historikern hat auch
dem Heimatverein einen bedeutenden Zugewinn beschert. 1971 hast Du die
„Warendorfer Schriften“ als Publikationsorgan des Heimat-vereins ins
Leben gerufen. Diese Schriften erfreuen sich noch heute großer
Beliebtheit als Quelle von Geschichte und Geschichten und werden nicht
nur durch Deine eigenen Beiträge bereichert, sondern auch durch die
Deiner Studenten.
Untrennbar verbunden ist der Name Paul Leidinger mit der
dreibändigen Stadtgeschichte, die im Jubiläumsjahr 2000 der Bevölkerung
übergeben werden konnte. Solch ein umfassendes Werk hat es seit der
Kirchengeschichte von Wilhelm Zuhorn nicht mehr gegeben und wir sind
Dir, lieber Paul, sehr dankbar, dass Du dieses große Projekt angegangen
bist und über 100 Autoren aus dem wissenschaftlichen Bereich, aber auch
sachkundige Warendorfer zusammengeführt hast.
Dies ist nur ein kleiner Einblick in Dein vielseitiges
Engagement für den Heimatverein und Deine Heimatstadt Warendorf. Den
Kampf um den rechten Weg hast Du mit Gradlinigkeit und Zähigkeit
gekämpft. Man hat es Dir wahrlich nicht leicht gemacht, aber heute kann
man sagen: Es hat sich gelohnt! Ohne Dein Engagement sähe Warendorf
anders aus, ohne Dein Engagement wäre Warendorf heute ärmer.
Darum freut sich der Heimatverein sehr, dass die Stadt
Warendorf Dich heute mit dem Ehrensiegel auszeichnet – eine
wohlverdiente Ehrung, zu der wir Dir ganz herzlich gratulieren.
Auch der Heimatverein hätte Dich gerne zu Deinem 90. Geburtstag
in besonderer Weise geehrt, aber Du bist schon Inhaber aller Ehrungen,
die der Heimatverein zu vergeben hat. Du bist Ehrenvorsitzender und
wurdest mit der Wilhelm-Zuhorn-Plakette ausgezeichnet. Das hast Du aber
nie als krönenden Abschluss Deines Engagements gesehen, sondern bringst
Dich bis heute aktiv in die Heimatvereinsarbeit ein. Auch dafür danken
wir Dir sehr.
Dieses umfangreiche ehrenamtliche Engagement haben Sie, liebe
Frau Leidinger, über Jahrzehnte mitgetragen. Sie haben ihrem Mann den
notwendigen Freiraum gegeben, Sie haben seine Abwesenheit in der Familie
ausgefüllt, ja, Sie haben Ihrem Mann immer den Rücken frei gehalten,
damit er sich zum Wohle der Allgemeinheit einsetzen konnte. Dafür sei
Ihnen an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön gesagt.
Glück und Segen zu Deinem 90. Geburtstag und eine herzliche
Gratulation zur Verleihung des Ehrensiegels der Stadt Warendorf wünscht
Dir, lieber Paul, von ganzem Herzen der Heimatverein Warendorf, um den
Du Dich so sehr verdient gemacht hast.
Mechtild Wolff
für den Heimatverein Warendorf e.V.
Warendorf, den 4. September 2022