Schon seit Jahren veranstaltet der Heimatverein Warendorf Vorträge
zur langen jüdischen Geschichte unserer Stadt. Sie haben mittlerweile
ein treues Publikum gefunden, so dass am Donnerstagabend die Zuhörer im
„Tapetensaal“ des Hauses Klosterstraße 7 schon etwas zusammenrücken
mussten. Dr. Ekkehard Gühne sprach über das Thema „Die Juden im
bürgerlichen Leben der Stadt Warendorf“.
Der Schatten des Massenmnords an Menschen jüdischen Glaubens oder
jüdischer Herkunft legt sich auch nach mehr als 70 Jahren über jede
Beschäftigung mit dem Judentum in Deutschland. Gleichwohl wollte der
Vortrag den Blick weiten, den Blick schärfen für das komplizierte
Miteinander, Nebeneinander und manchmal auch Gegeneinander von Juden und
Nichtjuden in einer Zeit, die vieles anders beurteilte, als es uns heute
vertraut ist.
So ging es zunächst um die besondere Rechtsstellung der Juden und das
dahinter stehende Denken, dann um die nach 1802 einsetzenden
Veränderungen in französischer und preußischer Zeit, die schließlich zur
rechtlichen Gleichstellung führten.Wie sich das alles fern der großen
Politik im Alltagsleben unserer Stadt niederschlug, war das Anliegen
dieses Abends, der gleichermaßen Amüsantes wie auch nachdenklich
Stimmendes bereithielt.
Thema waren zunächst die Vereine, in denen im 19. Jahrhundert
erstaunlich viele Juden ungehindert aktiv wurden, von der 1810
gegründeten „Gesellschaft Harmonie“ bis zu den Bürgerschützen, die mit
Levi Beer 1853 erstmals einen jüdischen Schützenkönig hatten. Gestreift
wurde christliches „Gesinde“ in jüdischen Häusern, aber auch z. B. die
Feuerwehr, in der Juden Pflichten übernahmen.
Weniger harmonisch ging es hin und wieder im Alltag einer eng
bevölkerten Stadt zu. An Zänkereien und Streitigkeiten mit und ohne
Beteiligung von Juden war kein Mangel, wie manches Beispiel zeigte. Es
gab aber auch einzelne Tätlichkeiten, die auch einen zumeist
unreflektierten judenfeindlichen Hintergrund hatten. Diesen
herauszuarbeiten und richtig zu gewichten war ein besonderes Anliegen
des Vortrags.
Und da es bis zur Stunde nirgendwo auf der Welt eine Gesellschaft
ohne Kriminalität gibt, wandte sich dieser der letzte Block des Abends
zu. Im Rücklick gab es da einiges zu schmunzeln, als es um die zumeist
kleinereien Betrügereien von Juden ging, von falschen Maßen und
Gewichten bis hin zu der Kunst, städtischen Gebühren auszuweichen.
Allerdings, Juden konnten auch Opfer werden, vom Diebstahl einer Kuh bis
hin zu Wohnungseinbrüchen.
Insgesamt aber gibt es in Warendorf bis zur Machtergreifung der
Nationalsozialisten keine Judenfeindlichkeit, welche die gute
Nachbarschaft hätte ins Wanken bringen können. Diese Wolken brauten sich
anderswo zusammen.
Und doch: In der sogenannten „Reichskristallnacht“ wurden auch in
Warendorf Juden von Warendorfern misshandelt, z. B. in der Oststraße 7
(Viehhändler Elsberg), wo die Namen der Täter bekannt sind. Erklären
konnte und wollte der Vortrag diese Wende nicht; er regte aber an, auch
darüber nachzudenken.
18.10.2018