„Der Fortschritt besteht nicht darin, das Gestern zu zerstören,
sondern seine Essenz zu bewahren,
welche die Kraft hat, das bessere Heute zu schaffen.“
Ortega y Gasset
1902 gründete der Geheime Justizrat Wilhelm Zuhorn, wohlbekannt durch seine intensive Geschichtsforschung in der Stadt Warendorf, den „Verein für Orts- und Heimatskunde im Kreis Warendorf“. Das sind die Wurzeln des heutigen Heimatvereins Warendorf. Seine Ziele sind die „Förderung der Kultur- und Heimatpflege in den Bereichen Geschichte, Denkmalpflege und Ortsgestaltung, Landschafts- und Naturschutz sowie Mundart und Brauchtum“. Der Heimatverein ist eine große Bürgerbewegung, die Traditionen der Vergangenheit und der Gegenwart sinnvoll bewahren und Perspektiven für die Zukunft erarbeiten will.
Mit
viel Elan ging der Verein 1902 an die Arbeit. Durch die Publikationen
der „Warendorfer Blätter für Orts- und Heimatskunde“, die als Beilage
des Neuen Emsboten veröffentlicht wurden, ist uns ein breites Spektrum
der Heimatgeschichte Warendorfs und seines Umlandes erhalten geblieben.
Die Arbeiten waren breit angelegt und sollten alle Volksschichten
erfassen. Diese Blütejahre ebbten 1930 mit der Weltwirtschaftskrise und
der wachsenden Arbeitslosigkeit ab und kamen nach 1933 mit der
Gleichschaltung der Vereine durch das Hitlerregime ganz zum Erliegen.
Der Heimatverein löste sich auf und ging in dem 1938 gegründeten und
nach dem Führerprinzip ausgerichteten „Heimatverein für den Kreis
Warendorf“ auf.
In den schweren Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bekam der
Heimatvereinsgedanke wieder Rückenwind. Der erste frei gewählte
Bürgermeister Otto Freund setzte in seiner ersten Ratssitzung am
23.9.1946 einen besonderen Tagesordnungspunkt an: „Neugründung des
Heimatvereins“. So ist es dem Bürgersinn und der Umsicht des
Bürgermeisters zu verdanken, dass im September 1947 der
„Ortsheimatverein Warendorf“ neu gegründet werden konnte. Erster
Vorsitzender wurde Bürgermeister Freund selbst. Sein Ziel war es, eine
Ortssatzung zur Pflege des Stadtbildes und zum Schutz gegen
Verunstaltungen in der Stadt Warendorf zu schaffen.
Die Denkmalpflege zählte zu einer der Hauptaktivitäten des
Heimatvereins. schon 1959 kam es zu einem ersten Kampf mit einer
Mehrzahl der Stadtväter, die die 1823 errichtete barocke Säulenanlage
des Münstertors einer Straßenverbreiterung opfern wollten. Dieser Kampf
wurde gewonnen und noch heute sind wir stolz auf den schönen
Stadteingang am Münstertor.
Die
Stadtsanierung der 1960er und 70er Jahre brachten neue Konfrontationen
mit sich. Der Flächenabriss an der Hohen Straße, die Beseitigung
markanter Bürgerhaus-Ensembles aus dem 17. und 18. Jahrhundert an der
Freckenhorsterstraße und der Abriss der Unterschichtenhäuser, der
Gademe, am Ostwall und an der Molkenstraße fügten Warendorf großen
Schaden zu. Erst der Abriss des Sophienstiftes 1974, für dessen Erhalt
sich der Heimatverein vehement, aber leider erfolglos eingesetzt hatte,
ließ die Bevölkerung aufschrecken.
Nun formierte sich bürgerlicher Widerstand gegen die Pläne der
autogerechten Stadt. Wichtige Teile der Altstadt sollten abgerissen
werden, um einer breiten Autoschneise Platz zu machen. Erbitterte Kämpfe
mussten vom Heimatverein und vielen Bürgern ausgefochten werden, ehe
diese Pläne zum Altpapier kamen. Der Heimatverein vergab sogar einen
Planungsauftrag an einen Verkehrsplaner, um Alternativen zu entwickeln.
Auf Druck des Heimatvereins wurde ein Altstadtbeirat eingerichtet, der
von dem früheren Stadtplaner der Stadt Münster, Dr. Gerhard Rabeler,
geleitet wurde. Schließlich kam mit der Schlaufenlösung eine zwar nicht
immer perfekte, aber doch verträgliche Verkehrsgestaltung in der
Altstadt zu Tragen.
Um
die Rettung der historische Bausubstanz unserer Stadt zu unterstützen,
gründeten Mitglieder des Heimatvereins 1980 den Verein der
„Altstadtfreunde Warendorf“. Mit dem Pickhammer gingen sie unverzüglich
an die Arbeit und verwandelten als erstes Objekt das baufällige Haus
Kolkstiege 1 in ein schmuckes Fachwerkhaus. Das war der Start für eine
lange Liste erfolgreicher Rettungen von Bürgerhäusern und Gademen in
Warendorf. Beide Vereine arbeiteten bei allen Projekten eng zusammen.
Auch heute müssen wir sehr wachsam sein ! Die historische
Bausubstanz wird jetzt – wie in den 1970er Jahren - leider von den
Entscheidungsträgern eher als Belastung denn als Chance angesehen.
2009 sollte im Sophienpark, dort, wo einst die klassizistische
Villa Sophia gestanden hatte, ein Feuerwehrgerätehaus gebaut werden. In
mehreren Mahnwachen forderten der Heimatverein und sehr viele Bürger den
Erhalt des alten Parks. Glücklicherweise hatte die Politik ein Einsehen
und der Park ist noch heute eines der Schmuckstücke der Stadt.
Leider
konnte der Abriss des Bürgerhofs nicht gestoppt konnte, obwohl sich sehr
viele Bürger mit dem Heimatverein für den Erhalt des historischen
Gebäudes am westlichen Stadteingang eingesetzt haben.
Und welch ein Schandfleck wäre die Eventgastronomie im Emspark
geworden, gegen die der Heimatverein engagiert und erfolgreich gekämpft
hat.
Ja, nicht nur historische Gebäude sind heute höchst gefährdet,
auch der Emspark wird immer mehr zum Ziel der Begierde von Investoren.
Warum setzen sich unsere Politiker nicht intensiver für den Erhalt der
Schätze unserer Stadt ein? In unserer Stadt entsteht leider oft der
Eindruck, dass der Bürgerwille die eine Seite der Medaille ist, die
Inhaber der Entscheidungshoheit aber eine ganz andere Sichtweise haben.
Warendorf
steht heute an einer wichtigen Schnittstelle. Wenn bei der Bebauung der
Emsinsel, der Industriebrache der in Konkurs gegangenen Inlettweberei
Brinkhaus, planerische Fehlentscheidungen getroffen werden, dann kann
das die Lebensfähigkeit der Innenstadt gefährden. Unsere historische
Altstadt ist das Pfund, mit dem wir wuchern müssen, nur so unterscheiden
wir uns von der Beliebigkeit vieler anderer Städte.
Warendorf hat jahrhundertelang von der Weberei gelebt. Hier auf der
Emsinsel müssen die historischen Firmengebäude der Weberei Brinkhaus mit
dem ortseingangs-prägenden Garagenhaus und dem Pförtnerhäuschen erhalten
bleiben und eine moderne Nutzung finden.
Die Altstadt wird im Norden von der Ems und der Emsaue
begrenzt. Das ist für eine Stadt besonders reizvoll, weil sich dadurch
das Erholungsgebiet für Jung und Alt direkt an die Stadt anschließt. Der
hier entstandene Emspark ist ein wichtiger Faktor für Warendorf als
attraktive Wohnstadt, der nicht durch Investorenwünsche gefährdet werden
darf.
Ein anderer Bereich unserer Arbeit ist die Aufarbeitung und
Vermittlung der örtlichen Geschichte. Seit 1971 gibt der Heimatverein
die „Warendorfer Schriften“ heraus. Zusammen mit dem jährlichen
Mitteilungsblatt „Kiepenkerl“ sind diese Publikationen eine wahre
Fundgrube für Geschichte und Geschichten aus unserer Region. Ergänzt
wird diese Geschichtssammlung durch historische und volkskundliche
Vorträge und Stadtrundgänge, zu der die gesamte Bürgerschaft eingeladen
wird.
Spannende Einblicke in das Alltagsleben der Warendorfer
Bürgerschaft sind in den insgesamt 12 Bänden der „Ratsprotokolle und
Kämmereirechnungen“ nachzulesen, die der frühere Kreisarchivar Siegfried
Schmieder seit 1993 in mühsamer Kleinarbeit aus den niederdeutsch
abgefassten Originalen übersetzt hat.
In den letzten Jahren haben wir uns auch intensiv mit der
textilen Vergangenheit Warendorfs befasst und in der
„Geschichtswerkstatt Textil“ und in Arbeitskreisen „Alltagswissen“ der
Textiler gesammelt. Die sehr erfolgreiche Ausstellung „Kette und Schuss“
- von der Handweberei zur Textilindustrie“ im historischen Rathaus ließ
das mit vielen Exponaten lebendig werden.
Ein anderes Schwergewicht der Heimatvereinsarbeit ist die
Finanzierung und der Unterhaltung des Dezentralen Stadtmuseums zusammen
mit den Altstadtfreunden. Jeden Sonntagnachmittag von 15 – 17 Uhr ist
das Gadem am Zuckertimpen, das Torschreiberhaus, das Haus Klosterstraße
7 mit den historischen Bildtapeten und das Haus Bispinck an der
Münsterstraße geöffnet. Ehrenamtliche Helfer des Heimatvereins und
der Altstadtfreunde zeigen den Besuchern gern diese Sehenswürdigkeiten.
Beliebt
sind auch die naturkundlichen Exkursionen. Schon in den 1950er fand sich
eine Gruppe von Heimatfreunden im „Trampelclub“ zusammen. Zu Fuß oder
mit dem Fahrrad wurden Ausflüge ins gesamte Stadt- und Kreisgebiet
unternommen. Zum 750-jährigen Stadtjubiläum, stellten die Wanderfreunde
eine Wanderkarte mit 42 Wanderwegen in und um Warendorf vor. Diese
Tradition wird bis heute weitergeführt. Zurzeit wird ein neuer Wanderweg
rund um Warendorf ausgearbeitet. Naturkundliche Radtouren gehören
ebenfalls zu diesem Bereich.
Großer Beliebtheit erfreuen sich die jährlichen
Friedhofsrundgänge, bei denen an den Gräbern von Persönlichkeiten, die
sich um Warendorf verdient gemacht haben, deren Wirken und Bedeutung
dargestellt wird.
Aus den Erfahrungen anderer Städte lernen, das ist das Motto
der jährlichen Reisen in historische Städte. Bei sachkundigen
Stadtführungen werden der Blick und das Verständnis für den
Denkmalschutz geschärft. Auch die Geselligkeit kommt nicht zu kurz bei
den sehr beliebten Studienreisen.
Zu den Gemeinden in der Umgebung wird durch eine jährliche
Radtour unter dem Motto „Besuch bei unseren Nachbarn“ reger Kontakt
gehalten. Einblicke in die örtliche Wirtschaft geben die jährlichen
„Besuche in Warendorfer Betrieben“.
Der Plattdütske Krink trifft sich monatlich zu einem
unterhaltsamen Nachmittag, bei dem „unser Platt“ gesprochen und gesungen
wird. Ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Plattdeutschen Sprache.
Nur durch das unermüdliche Engagement vieler
Heimatvereinsmitglieder können diese und viele andere Aktivitäten
angeboten und durchgeführt werden. Auch weiterhin wollen wir aktuelle
Warendorfer Themen bei den Gesprächen am „Runden Tisch“ mit der
Bürgerschaft diskutieren.
Mechtild Wolff 2018
Mehr Infos über die Aktivitäten des Heimatvereins finden Sie
hier auf unserer Homepage.