Lange Zeit war Warendorf von der Textilindustrie geprägt, doch seit
im Jahr 2011 die Firma Brinkhaus schließen musste, gerät dieser Teil der
Stadtgeschichte immer mehr ins Vergessen. Anlässlich des „Tags des
offenen Denkmals", der unter dem Motto „Handwerk, Technik, Industrie"
stand, führte Mechtild Wolff interessierte Warendorfer durch die
Innenstadt, um die historische Entwicklung der Textilindustrie
nachzuvollziehen.
Startpunkt war die Bücherei, doch nicht etwa, um die Geschichte
nachzulesen. In unmittelbarer Nachbarschaft stehen mehrere „Gadeine",
Häuser der armen Bevölkerung. In diesen verarbeiteten im 17. Jahrhundert
die Menschen Flachs zu Leinenballen. Diese mussten sie jedoch an die
Besitzer der „Gademe", meist reichere Bürger, abgeben und finanzierten
so im Prinzip die Miete. Auch die Kinder der Familie arbeiteten am
Webstuhl.
Lange Zeit blieb die Textilwirtschaft in kleiner Struktur bestehen, ehe
im 19. Jahrhundert durch die Firma „Eickholt" eine erste Faktorei
eingerichtet wurde, in der 35 Webstühle standen. „Diese Entwicklung war
dringend nötig, denn die Industrialisierung in England führte zu
Auftragsverlusten für die deutschen Produzenten", berichtete Mechtild
Wolff. Die Firma Eickholt konnte sich gegen die billiger produzierende
Konkurrenz vor allem durch qualitativ hochwertige Arbeiten behaupten. So
ließen sich unter anderem der preußische König Friedrich Wilhelm IV. und
Königin Victoria in England mit Warendorfer Stoffen beliefern.
1880 konnte er sich schließlich nicht mehr gegenüber der englischen
Konkurrenz behaupten.
Dass die Industrialisierung auch in Warendorf Einzug hielt,
verdeutlichte Wolff an den Gebäuden der Firma Brinkhaus. An der
Kirchstraße sowie auf der Emsinsel stehen noch die Gebäude, in denen ab
1847 Hermann-Joseph Brinkhaus und Eduard Wiemann die erste mechanische
Weberei unterhielten. „Dabei gab es, als die Pläne veröffentlicht
wurden, erst einen Papierkrieg, weil viele Menschen Angst vor der
Dampfmaschine hatten, die die Webstühle antreiben sollte", berichtete
Wolff. Als die gebaut worden war, begann eine erfolgreiche Zeit für die
Warendorfer Textilindustrie, die auch im 19. Jahrhundert anhielt und zu
deren besten Zeiten alleine die Firma Brinkhaus mehr als 1000
Mitarbeiter beschäftigt hatte. Erst als gegen Ende des Jahrhunderts die
Konkurrenz aus China auf den Markt drängte, geriet der Betrieb, der sich
inzwischen auf Inletts für Betten spezialisiert hatte, in Bedrängnis.
Auf den Spuren der Textilindustrie: Anlässlich des „Tags des offenen
Denkmals" führte Mechtild Wolff (r.) Mechtild Wolff vom Heimatverein
durch die Altstadt.
Aus: Die Glocke, Warendorf; 14. 9. 15