Das Gelände der ehemaligen Firma Brinkhaus, heute „Emsinsel“ genannt, ist ein geschichtlich bedeutender Ort für die Stadt Warendorf.
Hier waren jahrhundertelang die Bleichwiesen der Stadt, hier wurde das berühmte Warendorfer Linnen gebleicht, d.h. immer wieder mit dem nicht eisenhaltigen, sehr weichen Emswasser begossen und in der Sonne getrocknet, bis das graue Naturleinen eine strahlend weiße Farbe bekam. Die Handweberei ging ihrem Ende zu und 1861 war auch Warendorf im Industriezeitalter angekommen! Hermann Josef Brinkhaus und Eduard Wiemann erbauten an der Kirchstraße eine mechanische Weberei, die sehr bald zu klein wurde, sodass die Firma Brinkhaus vor die Tore der Stadt zog und 1879 auf der heutigen „Emsinsel“ eine größere mechanische Weberei baute. Er hatte das Gelände der Emsbleiche gewählt, was sich bald als nicht sehr glücklich erwies, denn dieses Gelände war schon damals Überschwemmungsgebiet der Ems.
Als sich Brinkhaus schon 1881 mit Erweiterungsplänen beschäftigte, bekam er keine Baugenehmigung, wegen des Überflutungsgebietes. In den Folgejahren wurden dann doch viele neue Produktionshallen gebaut, die zum großen Teil auf Pfählen erbaut werden mussten.
Die Firma Brinkhaus entwickelte sich zu einem der bedeutendsten
Inletthersteller Europas und zum größten Industriebetrieb in Warendorf,
der vielen Familien Arbeit und Brot gab. Wegen des zu kleinen
Grundstücks wurden Zweigbetriebe in Sassenberg und Freckenhorst
unterhalten. 1951, also direkt nach dem Krieg, ließ Brinkhaus durch den
berühmten Münsteraner Architekten Heinrich Bartmann entlang der Straße
„Zwischen den Emsbrücken“ ein Garagenhaus mit Pförtnerhäuschen und
Tankstelle erbauen, um einen repräsentativen Stadteingang zu gestalten,
der die Stadt heute noch prägt. In den 1970er Jahren beschäftigte die
Firma H. Brinkhaus über 1000 Mitarbeiter und war ein bestimmender Faktor
der Stadt Warendorf. Ein „Brinkhäuser“ zu sein, war schon etwas
Besonderes.
Die Krise in der Textilindustrie ging aber auch an Brinkhaus
nicht vorbei. Die Konkurrenz aus den Osten wurde immer übermächtiger,
sodass in Warendorf nicht mehr kostengünstig produziert werden konnte.
2004 versuchte Brinkhaus eine Rettung durch die Verlagerung der
Produktion nach Polen, was aber nicht gelang. 2011 musste ein
Konkursantrag gestellt werden und seit Ende 2012 ist die Firma
geschlossen. Ein großer Verlust für Warendorf.
Jetzt ist die Verwertung der Emsinsel eine der wichtigsten
Aufgaben für die Verwaltung, die Politik und die Bürger. Alle zusammen
müssen daran arbeiten, dass hier eine Planung entsteht, die die
Attraktivität der Stadt erhöht und keine Gefährdung für die historische
Altstadt darstellt.
Die Emsaue muss wieder grün werden!
Wie aus der Geschichte der Fa. Brinkhaus zu erkennen ist, wurde
die Weberei 1879 an der falschen Stelle gebaut (Hochwasser, Gelber Kolk,
Stadtnähe) – was man damals noch nicht wissen konnte. Jetzt haben wir
die einzigartige
Gelegenheit, diesen Fehler zu reparieren und den „Pfropf“ zu beseitigen,
den die Firmenanlage Brinkhaus im emsbegleitenden Grün bildet. Die
Emsaue muss wieder grün werden!
Ein Hotel und eine attraktive Restauration an der Ems im
denkmalgeschützten Firmengebäude können eine Bereicherung für Warendorf
werden und in den alten Sheddach-Hallen könnten Angebote für Kinder und
Jugendliche entstehen, die uns dringend in Warendorf fehlen. Auch
Marktgeschehen könnte hier stattfinden, das alles passt gut zusammen.
Wie ungeheuerlich die Architektenvorschläge von 2008 waren,
konnte man dem Vortrag von Herrn Pesch am 27.5.2014 bei der
Infoveranstaltung zur Emsinsel entnehmen. Zuerst wurden Ziele definiert,
dass die Bebauung auf der Emsinsel altstadtgerecht und naturnah sein
soll. In den Plänen war dann aber jeder Quadratmeter mit Gewerbe oder
Wohnbebauung zugepflastert. Die hochgelobte grüne Achse beschränkte sich
auf den Breuelweg und die neue „Promenade“ zwischen Fabrikgebäude und
Ems. Im hinteren Bereich war sogar das jetzt vorhandene Grün teilweise
bebaut. Pure Gewinnmaximierung, aus der Sicht eines Investors
verständlich, aber das darf keine Zustimmung bei den Ratsmitgliedern
finden (was es 2008 allerdings fand). Und wenn wirklich langfristig
Wohnraum in WAF fehlt, muss der nicht auf der Emsinsel geschaffen
werden, es gibt genügend Alternativen.
Das ist alles zu teuer!
Dieses Argument wird von Verwaltung und Politik immer wieder
angeführt. In unserer direkten Nachbarschaft in Einen ist mit sehr hohen
Kosten eine Emsrenaturierung durchgeführt worden. Wenn man die Kosten
für diese stadtnahe Emsrenaturierung in Relation zum Nutzen für die
Bevölkerung setzt, dann ist die Renaturierung der Emsinsel eine eher
preisgünstige Attraktivierung für Warendorf.
Und man muss immer im Auge haben: Hier wird nicht für einen
begrenzten Zeitraum investiert, sondern für die Zukunft. Da muss
langfristig gedacht werden und auch die Kostenbelastung wird langfristig
verteilt. Auch für die Renaturierung einer Industriebrache gibt es
öffentliche Förderungen.
Jetzt gilt es mutige Entscheidungen zu treffen – so wie
Verwaltung und Politik 1974 es beim Bau des Emssees und Emsparks
vorausschauend getan haben. Wäre man damals so zögerlich gewesen wie
heute, würde ein wichtiger Imagefaktor in unserer Stadt fehlen.
Wichtig für das Geschichtsverständnis ist auch, dass dieser
letzte Zeitzeuge der einst bedeutenden Warendorfer Textilindustrie
sichtbar bleibt. Warendorf war eine der bedeutendsten Weberstädte und
leider sind fast alle andern Webereien spurlos verschwunden. Hier an
dieser Stelle könnte Geschichte erlebbar gemacht werden.
Mechtild Wolff Mai 2014
Mehr Infos zur Geschichte der Firma Brinkhaus s. „Firma H.
Brinkhaus“