Die Bilder der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz, NRW und
Bayern zeigen die zerstörerische Gewalt des Wassers und die riesigen
Schäden, die es anrichten kann. Solche Extremereignisse hatte man nicht
erwartet. Es kam schlimmer, als man es je gedacht und berechnet hatte.
Durch Starkregen und Überflutungen verursachte Katastrophen werden in
den kommenden Jahren und Jahrzehnten häufiger, sagen die Experten. Was
man einst „Jahrhunderthochwasser“ nannte, wird nun mehrmals im
Jahrhundert stattfinden. Seltener als einmal im Jahrhundert
stattfindende Extremhochwasser hielt man bislang für wenig
wahrscheinlich (niedrige Wahrscheinlichkeit HQextrem). Doch diese
Wahrscheinlichkeiten haben sich geändert. Wahrscheinlich werden wir
Extremhochwasser auch in den kommenden Jahrzehnten erleben.
Bereits in den Jahren 2002, 2010, 2013, 2014, 2016 gab es in Deutschland
schwere, in dieser Stärke nicht erwartete Hochwasser. Wir brauchen eine
realistischere Einschätzung bezüglich Plötzlichkeit und Gewalt von
Unwettern, die auch Leben kosten können, so Ortwin Renn, Direktor am
Institut für transformative Nachhaltigkeit in Potsdam. Zum Realismus
gehört es auch wahrzunehmen, dass sich die Wahrscheinlichkeit für
bestimmte Risiken erhöht.
Die Bilder der Flutkatastrophe beunruhigen mich, wenn ich an
Warendorf denke. Auch in Warendorf kann es Hochwasser im Bereich der Ems
geben. Aktuell existiert ein guter Hochwasserschutz, wo große
Wassermengen durch den Emssee an der Stadt vorbei auf den Lohwall
geleitet werden. Es entsteht kaum Schaden. Doch in Zukunft sollen
bislang seltene extreme Hochwasserlagen zunehmen. Dann wird es auch in
Warendorf Überschwemmungen geben. Nützlich ist ein Blick auf die
Hochwassergefahrenkarte des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz:
www.flussgebiete.nrw.de/system/files/atoms/files/3_ems-system_a02_rk_nw_b009.pdf.
Bestimmte Gebiete unserer Stadt erweisen sich auf dieser Karte bei
Extremhochwasser als gefährdet (z.B. die dem Emssee zugewandte Seite der
Sassenberger und Milter Straße, die Bleichstraße usw.). Deutlich wird
auch, dass die Emsinsel mit dem Brinkhausareal Überschwemmungsgebiet
ist. Die geplante Umlegung des Emsverlaufs („neue Ems“) kann daran wohl
nur wenig ändern. Die „neue Ems“ ist ja nicht anderes als eine weitere,
unökologische Kanalisierung der Ems und besteht aus einer einfachen
Betonrinne. Sie wird wohl kaum reißende Wassermassen zurückhalten
können, wenn diese sich zerstörerisch einen Weg bahnen. Eventuell wirkt
sich der durch die Rinne geänderte Strömungsverlauf des Wassers in
diesem Falle negativ auf sonst nicht betroffene Gebiete aus, die dann
überflutet werden. Das Brinkhausareal ist also durch Hochwasser
gefährdet. Eine solche Katastrophe wie in Rheinlandpfalz, NRW und Bayern
sollte es in Warendorf nicht geben. Deshalb gilt: Auf dem Brinkhausareal
darf nicht gebaut werden. Auch wenn nicht gebaut wird, ist eine
Gartenschau möglich und kann gut gelingen.
Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) erlaubt aktuell noch eine
Bebauung von Gebieten, die bei extremen Hochwasser überschwemmt werden
könnten. Es verlangt, dass in den Bebauungsplanungen Vorkehrungen gegen
Hochwasserrisiken eingeplant werden werden, macht es aber auch
möglich, dass eine Bauplanung ausgeschlossen wird. Es stellen sich hier
viele Fragen: Ist bei der Planung zur Bebauung des Brinkhausgeländes die
Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden angemessen
berücksichtigt? (Bau GB §1 Absatz 6 Nummer 12)? Sind bei diesen
Planungen Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten eingeplant? Sind
bauliche oder technische Maßnahmen vorgesehen, die der Vermeidung oder
Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch
Starkregen dienen? Ist eine Bebauung in diesem eher kritischen Bereich
überhaupt sinnvoll? Wäre es nicht sinnvoller und angemessener, dieses
Areal als Ausgleichsfläche zu nutzen, die für die natürliche
Versickerung oder Ausbreitung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten
werden muss, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden
durch Starkregen, vorzubeugen? Wäre dieses Gebiet nicht als ein Gebiet
anzusehen, das als Fläche für Hochwasserschutz genutzt werden kann,
nämlich als Ausgleichsfläche? (§9 BauGB). Wenn aber trotzdem
gebaut wird und bei Extremhochwasser ein durch starke bauliche
Hochwasserschutzmaßnahmen geschütztes Brinkhausareal wie eine Insel aus
den sie umgebenden Fluten hervorragen sollte, wird sich das Wasser
andere Wege suchen. Hat man berücksichtigt, wohin dann das Wasser
fließen wird und wer dann den Schaden hat? Gibt es dann evtl. sogar
Haftungsrisiken für die Stadt? Ich bin kein Jurist, der all diese Fragen
abschließend beantworten kann. Angesichts der Tatsache, dass sich durch
den Klimawandel bedingt die Wahrscheinlichkeiten für
Hochwasserereignisse stark erhöhen, sehe ich hier jede Menge
Diskussionsbedarf. Vermutlich wird sich die Gesetzeslage angesichts der
sich ändernden Risiken verschärfen. Bereits jetzt fordern die
Versicherer eine Verschärfung des Baurechts. Es ist zu erwarten, dass in
Zukunft eine solche Bebauung überhaupt nicht mehr möglich sein wird.
Aber auch wenn das Gesetz zur Zeit noch eine solche Bebauung nicht
direkt verbietet, bedeutet es nicht, dass es heutzutage vernünftig und
sinnvoll ist, in einem solchem Gebiet zu bauen. Eine Renaturierung wäre
sinnvoller als eine Bebauung.
Vorausschauendes Planen und Handeln ist notwendig. Der
Warendorfer Rat ist gut beraten, bei Aufstellung des Bebauungsplans das
Hochwasserrisiko zu berücksichtigen und deshalb eine Bebauung
grundsätzlich auszuschließen. Er geht um den Schutz von Leben,
Gesundheit und Zerstörung von Eigentum. Bei der Entscheidung sollte der
Zeitdruck, der durch die begrüßenswerte Bewerbung zur Landesgartenschau
entsteht, keine Rolle spielen. Die Hochwassergefahren sind zu wichtig,
als dass man diese ausblenden darf.
Der Investor sollte angesichts der Lage des Grundstücks und der
damit verbundenen Gefahren von einer Bebauung Abstand nehmen. Auch er
kann nicht wollen, dass das, was er baut, in einiger Zeit überschwemmt
wird oder gar einer Flutwelle zum Opfer fällt.
Und wenn trotz aller Warnungen gebaut werden sollte, gehen
mögliche Käufer ein deutliches Risiko ein. Wer kann die
Versicherungssummen noch bezahlen? Wer will es denn riskieren, dass das
neu gebaute Haus überschwemmt und evtl. sogar zerstört wird? Wer nimmt
für sich persönlich solch Risiko in Kauf?
Deshalb gilt: Es darf keine Wohnbebauung auf der Emsinsel
geben. Eine Gartenschau ist trotzdem möglich und kann gut gelingen.
Walter Schmalenstroer