Sonntag, den 6.11.2016 um 10.30 Uhr im Rathaus
Eröffnung der Ausstellung zur Geschichte der Textilindustrie in Warendorf
Rede von Mechtild Wolff

Liebe Freunde der textilen Vergangenheit unserer Stadt!

Im Namen des Heimatvereins begrüße ich Sie alle sehr herzlich zur Eröffnung der Ausstellung „Kette und Schuss“, die die Blütezeit der Handweberei und der Textilindustrie in Warendorf in Erinnerung rufen soll.

Ich freue mich, dass ich als Vertreter der Stadt den Stellv. Bürgermeister Erich Tertilt begrüßen darf. Ganz besonders heiße ich all diejenigen willkommen, die mit Exponaten, mit Hand- und Spanndiensten und mit ganz vielen Informationen aus dem Leben in den Textilbetrieben diese Ausstellung erst möglich gemacht haben.

Es ist schön, dass Sie alle an diesem Thema interessiert sind, das ist heute gar nicht so selbstverständlich, denn wir leben in einer schnelllebigen Zeit, was gestern war, ist heute vergessen!

Die Weberei, zuerst die Handweberei, dann die Textilindustrie hat über Jahrhunderte diese Stadt ernährt und hat Warendorf bis heute geprägt. Es gab Zeiten, da klapperte in fast jedem Haus ein Handwebstuhl.

Das Weben des feinen Linnens war in Warendorf zu so hoher Perfektion gelangt, dass nicht nur die Frau Geheimrat Goethe dieses feine Leinen kaufte, sondern auch Königin Victoria von England, die 1839 bei der Firma „Anton Eickholt und Erben“ feine Damast-Tischwäsche mit dem eingewebten Kölner Dom anfertigen ließ. Ja, sogar der preußische König Friedrich Wilhelm IV. ließ Tischwäsche und Mundtücher in feinster Gebildweberei bei Eickholt an der Langen Kesselstraße herstellen. Für ihn wurde der Namenszug der Königin eingewebt und eine Abbildung von Burg Stolzenfels am Rhein.

Wohlgemerkt, das wurde alles auf Handwebstühlen gefertigt.

Ja, Warendorf war damals ein Zentrum der Leineweberei und war Mitglied der „Hanse“. Und wir sind noch heute Nutznießer dieser Blütezeit, denn nur weil damals der Leinenhandel so gut florierte, konnten die prächtigen Bürgerhäuser gebaut werden, z.B. hier am Marktplatz und an der Oststraße. Sie machen heute den Scharm unserer Stadt aus.

 

Aber auch in Warendorf ging die Zeit der Handweberei zu Ende und wir können froh und dankbar sein, dass solch ein innovativer Textilkaufmann wie Hermann Josef Brinkhaus aus dem Westmünsterland der Liebe wegen nach Warendorf kam, er heiratete nämlich die Enkelin des bekannten Hofrates Dr. Katzenberger aus dem schönen Haus Klosterstraße 7. Mit seinem Freund Eduard Wiemann errichtete er 1861 die erste mechanische Weberei „Brinkhaus und Wiemann“. Direkt hier hinter dem Rathaus in den beiden großen Gebäuden an der Kirchstraße klapperten die ersten mechanischen Webstühle. Das damals verarmte Warendorf bekam wieder Arbeitsplätze und blühte auf.

Eine turbulente Gründerzeit begann, viele Textilfirmen versuchten ihr Glück, alle stellten die gleichen Produkte her, nämlich bunt gemusterte Baumwollstoffe, Drell, Baumseide und vieles mehr. Es tobte ein harter Konkurrenzkampf, den nicht jede Firma überlebte. Die Firma „H. Brinkhaus“ auf der Emsbleiche spezialisierte sich 1909 dann auf Inlett - und wenn Sie jetzt fragen möchten „Was ist denn Inlett?“, dann sind sie hier genau richtig, das wird im 2. Ausstellungsraum eingehend erklärt.

Ja, die Spezialisierung auf Inlett war eine bahnbrechende Brinkhaus-Idee, der viele kleinere Webereien folgten. Und es war der Beginn einer Erfolgsstory, die die Firma Brinkhaus zu einer der größten Inlett-Webereien und später auch Bettenhersteller Europas machte.

 

Ganz bewusst beziehen wir Freckenhorst und Sassenberg mit in den Themenkreis dieser Ausstellung ein, denn es bestanden immer enge Beziehungen zwischen den hier ansässigen Firmen.

In Freckenhorst entwickelte sich nach einer langen Leineweber-tradition die Plüschweberei, erst als Handweberei und ab 1900 als mechanische Weberei. Stellvertretend für all die zahlreichen erfolgreichen Freckenhorster Webereien zeigen wir im 3. Raum viele Erinnerungen und Bilder aus dem Arbeitsalltag der Firma „Theodor Kreimer“, die sich zu einer der größten Plüschwebereien, später sagte man Velours-Webereien, Europas entwickelte. Überall saß man auf Kreimer-Plüsch, auf dem Sofa, im Sessel, im Auto und im ICE der Bundesbahn.

Auch an die Firma Jostmann, eine feine, kleine Mohairs-Weberei, wird erinnert und an die Firma Zurwieden, die feinstes Inlett und Betten herstellte. Dem unvergessenen Firmenchef Heinz Zurwieden ist es zu verdanken, dass wir Ihnen die alten Weberfahnen des Freckenhorster Webervereins zeigen können. Er hat sie 1991 zum 100. Jubiläum der Firma Zurwieden aufwendig restaurieren lassen.

All diese Firmen sind dem großen Textilsterben zum Opfer gefallen.

In Freckenhorst hat sich die Firma Breede in der Nische der Mohair-Weberei am längsten gehalten. Als Mohair für Polstermöbel mehr und mehr aus der Mode kam, hat Breede technische Gewebe hergestellt, z.B. Ski-Steigfelle. All das sehen Sie im 3. Ausstellungsraum.

 

Die Wolle der Firma Gebrasa, also Gebr. Rath in Sassenberg, war jedem bekannt. Viele von Ihnen werden sich noch an die Werbetafeln der „Firma Gebrasa“ erinnern, die auf fast jedem Bahnhof in Deutschland hingen und bei uns heimatliche Gefühle hervorriefen. Erinnerungen an die Wollresidenz „Gebrasa“ finden Sie im 4. Raum.

 

Daneben gibt es Exponate von drei Nähereien in Warendorf.

Die Schürzenfabrik Dieckhoff hat sich nach dem Krieg gegründet und nähte all die kessen weißen Servierschürzen, aber auch Schwesternschürzen und die weißen Schürzen mit Klöppelspitze, die eine gute Hausfrau sonntags beim Kochen trug.

Schicke Mäntel und Jacken mit Pelzbesatz und Pelzfutter nähte die „Firma Schnepfe“. Sie wurden in den „besten Häusern „Deutschlands“ verkauft.

All diese Firmen gibt es heute nicht mehr, die meisten mussten dem Konkurrenzdruck aus den Billiglohnländern weichen.

Einzig die Firma „Bruns und Debray“ ist noch tätig. Schon 1925 haben sich diese beiden Unternehmer gefragt: „Warum verarbeiten wir nicht hier an Ort und Stelle die vielen Stoffe, die in Warendorf gewebt werden?“ und haben eine Näherei für Berufsbekleidung begründet, die bis heute am Hellegraben erfolgreich tätig ist.

 

Ja, die Weberstadt Warendorf existiert nicht mehr, hier klappert keine Webstuhl mehr und viele Warendorfer Bürger wissen gar nicht, dass man hier früher vom Weben gelebt hat.

Der Heimatverein möchte mit dieser Ausstellung unsere textile Vergangenheit wieder lebendig werden lassen und wir laden Sie jetzt herzlich zu einem Rundgang durch die Ausstellung ein. In den einzelnen Räumen werden Sie die Mitglieder des Ausstellungsteams antreffen, die diese Räume gestaltet haben und Ihnen gerne Auskunft geben.

Im Bürgermeisterzimmer können Sie sich an Wolfgang Jägers geschichtlichen Zeitstrahl orientieren.

Den Raum der Handweberei haben Gisela Gröne und Marita Klaus gestaltet. Außerdem wird Ihnen hier Ulrich Röhrs gerne etwas über das ganz besondere Meisterstück seines Urgroßvaters erzählen, über das nahtlose Hemd des Johann Peter Stoffels aus Freckenhorst.

Im 2. Raum wartet auf Sie Karl Josef Ludorff mit vielen ehemaligen Brinkhäusern, die ihnen Interessantes über die Firma Brinkhaus und die vielen anderen Warendorfer Textilbetriebe erzählen können.

Im Bereich der Firma Kreimer und der Freckenhorster Webereien gebe ich Ihnen gerne Auskunft. Dort werden Sie sicher auch Freckenhorster Textiler antreffen, die Jahrzehnte in den dortigen Webereien gearbeitet haben.

Im nächsten Raum zeigt Ihnen Beatrix Fahlbusch die Exponate der Spinnerei „Gebrasa“ und erzählt über die Geschichte der Wollresidenz der Gebr. Rath in Sassenberg.

Im letzten Raum stellen sich die Nähereien Warendorfs dar. Wolfgang Jäger hat sich mit der Firma „Bruns und Debray“ befasst, Gunhild Kimmina erinnert an die Firma ihres Vater, die Schürzennäherei „Dieckhoff“ und ich kann über die Näherei für exklusive Damenmode von „Karl Schnepfe“ berichten.

Für diejenigen, die mehr wissen möchten, haben wir Sitzecken eingerichtet, wo Sie Berichte und Geschichten über die Firmen und die Exponate lesen können.

 

Bei allen, die bei der Erstellung der Ausstellung mitgeholfen haben möchte ich mich ganz herzlich bedanken, bei dem Ausstellungsteam, bei der Stadt Warendorf, bei der Kulturstiftung der Sparkasse, bei der Presse und ganz besonders bei denen, die uns Exponate zur Verfügung gestellt und uns ganz viel über die spannende Zeit der florierenden Textilindustrie erzählt haben.

 

Zu „Textilgesprächen“ an mehreren Sonntagnachmittagen hier in der Ausstellung wollen wir Sie in den nächsten Wochen einladen. Dort erzählen wir Ihnen die Geschichten, die sich hinter den Exponaten verbergen. Wir wollen auch den Arbeitsalltag in den Betrieben und die fröhlichen Betriebsfeste und Ausflüge mit Bildern in Erinnerung rufen und vieles mehr. Und es wäre schön, wenn die ehemaligen Textiler dann auch ihre Geschichten aus der Blütezeit der Textilindustrie erzählen würden. Die Presse und die Internetseite des Heimatvereins werden Sie über die Termine dieser Textilgespräche informieren.

 

Nun hören wir noch ein Musikstück der jungen Musiker.  

Dann wünsche ich Ihnen ganz viel Freude, vielleicht sogar Wiedersehensfreude, in der Textilausstellung „Kette und Schuss“.

 

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E-Mail: vorstand@heimatvereinwarendorf.de
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