Laudatio für Wolfgang Budde anlässlich der Verleihung der Wilhelm-Zuhorn-Plakette des Heimatvereins Warendorf am 25.11.2018 im Historischen Rathaus 
Laudator: Norbert Funken

 

Walter Suwelack und Wolfgang Budde bei der Überreichung der Plaketten

  

Sehr geehrte Festgemeinde, sehr geehrter, lieber Herr Budde,

Steine, so denkt man schlechthin, gehören zur leblosen Materie. In vielen sprachlichen Bildern bringen wir dies zum Ausdruck:

Er hat ein Herz aus Stein

Es ist zum Steinerweichen

Doch diese düstere Metaphorik hat, wenn wir nicht allzu eng denken und auch eine Wahrheit hinter den Dingen vermuten und sie suchen, einen Gegenpol:

„Ein Haufen Steine hört in dem Augenblick auf, ein Haufen Steine zu sein,

wenn wir beim Betrachten darin eine Kathedrale sehen.“ So Saint-Exupéry.

Die Heiligen Schriften bringen eine Fülle bildhafter Ausdrücke, die Steine aufwerten und erhöhen: „Ihr sollt lebendige Steine werden“, so fordert Petrus uns auf. Und lebendig scheinen die steinernen Kunstwerke der romanischen Portale und  ihre Tympana zu sein, die dem Betrachter von der Heilsgeschichte, von menschlichen Schwächen und Stärken erzählen. Ihre Meister haben „den Stein zum Blühen gebracht“, so ein Stadtführer vor der Kathedrale in Autun.

Inwieweit diese oder ähnliche Gedanken dem jungen Wolfgang Budde 1955 durch den Kopf gegangen sind, als er die Lehre in einem Marmor– und Granitwerk antrat, lässt sich nicht sagen, vielleicht weiß er es auch selbst nicht mehr. Aber er wird geahnt, gespürt oder gewusst haben, dass sich aus der scheinbar toten Materie Stein, salopp gesagt, „etwas machen lässt“. Und er hat etwas daraus gemacht und auch jungen Menschen den Anstoß gegeben, etwas daraus zu machen.

Wir ehren heute einen Warendorfer Bürger, der mit seinen Steinskulpturen das Stadtbild belebt hat. Die Objekte haben dabei nicht nur eine dekorative Funktion – schon das allein wäre erwähnens- und lobenswert- sie wollen interpretiert werden.

Im Jahr 2000 schrieb Wolfgang Budde aus Anlass der 800-Jahr-Feier der Stadt einen Wettbewerb für junge Künstler aus. Er stellte Material, Quartier, Verpflegung und die Preisgelder zur Verfügung.  Darüber hinaus, so darf man annehmen, hat er als Mentor die jungen Menschen an seinen Erfahrungen teilhaben lassen und ihnen Impulse gegeben, sodass die Objekte über das handwerklich Meisterhafte hinaus zu einer künstlerischen Aussage gelangen.

Unter dem Stichwort Mäzenatentum gibt der Brockhaus zu bedenken, dass die Künstler nicht selten von ihrem Gönner abhängig werden und dass die geschaffenen Werke – Zitat – „bestehende Strukturen verewigen wollen.

Nichts von dem trifft hier zu: Den jungen Künstlern hat der Meister ein Forum für ihr Schaffen und ihre Werke geboten, sie begleitet und sie mit einem  Startkapital in die Unabhängigkeit entlassen. Und er war weit davon entfernt, sie in eine Abhängigkeit zu bringen oder mit den fünf prämierten Objekten „bestehende Verhältnisse zu zementieren“.

Das, was die Jury unter seinem Einfluss prämiiert hat, und die Objekte, die er ermöglicht hat oder die nach eigenem Entwurf entstanden sind, glorifizieren in keiner Weise Ereignisse oder Personen aus der Stadtgeschichte . Die elf Skulpturen, über die Stadt verteilt mit dem Schwerpunkt am Emssee, sind Kunstwerke, die ansprechen, die den Betrachter nicht zu einem Kopfschütteln,  sondern zu einem Dialog bewegen, nachdenklich machen, aber nicht verschrecken wollen. Wir sind im Emspark und nicht auf dem Freigelände der „dokumenta“!

„Wenn Steine reden könnten“ sagen wir leichthin und verbieten ihnen damit - unbewusst - das Reden. Lassen wir sie doch einige einmal zu Wort kommen und folgen in Gedanken der Spur der Steine in unserer Stadt, der Spur, die wir dem zu Ehrenden zu verdanken haben.

Das Objekt „Tor im Wandel der Zeit“ an der Freckenhorster Straße, ein aufrechtes, unbearbeitetes Tor aus glattem Dolomit, greift in die Öffnung des liegenden Tores mit einer aus Rillen und Furchen bearbeiteten Oberfläche, so, als hätte die Zeit ihre Spuren hinterlassen und dem Stein ein Gesicht gegeben. Es mag symbolisch für die Stadt stehen und kann tonangebend für die anderen vier von den jungen Künstlern geschaffenen Werke stehen. Alle Objekte haben einen Bezug zu Warendorf, erwähnen und werten die Vergangenheit und deuten auf die Zukunft.

Ähnliche Gedanken sprechen aus einem Objekt am Wilhelmsplatz: Was man liebt, bringt man als Bild in einen Rahmen. So kann man das liebenswerte Warendorf in einem steinernen  Rahmen betrachten und dieser Rahmen ist kein Wechselrahmen, der ein anderes Bild duldet! Das, was zu sehen ist, muss bleiben und gepflegt werden!

Die  Skulpturen der „Hansekogge“ und der „Aufstrebenden  Stadt“, ebenfalls am Emssee und aus dem Wettbewerb hervorgegangen, sind weitere prämiierte Objekte, die wieder andere Deutungen zulassen.

So einiges aus der jüngeren Stadtgeschichte hat Wolfgang Budde den jungen Bildhauern im Vorfeld des Wettbewerbs wohl mit „auf den Weg gegeben“. So zum Beispiel bei der Stele im Sophienpark. Da ist auf einer Säule, die in ihrer Mitte einen gewollten Riss hat, eine engelgleiche Putte zu sehen, bei der unter ihrem Gewand ein Pferdefuß hervorlugt. Was liegt näher als anzunehmen, dass in der Pferdestadt auch manches seinen Pferdefuß hat? Die Skulptur und der Standort gehören zusammen  und Kenner ahnen wohl, auf was hier hingewiesen wird.

Die Figur ist aus weichem Sandstein gearbeitet, die Zeit hat schon ihre Arbeit begonnen: die Konturen weichen auf und irgendwann wird wohl keiner mehr die Feinheiten erkennen und die Symbolik deuten können. Manches darf man ruhigen Gewissens auch einmal vergessen.

In unvergänglichen Granit eingeschlagen aber ist der Text auf der Stele vor der ehemaligen Synagoge: unverschlüsselt und eindeutig die Mahnung, nicht zu vergessen, was in der Pogromnacht und in den folgenden Jahren auch in unserer Stadt geschehen ist. Wolfgang Budde stiftete diesen Stein und ließ ihn nach Entwürfen des Heimatvereins und der Altstadtfreunde in seiner Werkstatt arbeiten.

Die von Nordosten kommenden Besucher unserer Stadt werden am Kreisel der Sassenberger Straße durch einem mächtige, von einer vergoldeten Hellebarde gekrönten Geschichtsstein begrüßt. Der Stein scheint wie ein Wasserfall zu fließen, in Bewegung zu sein – oder kann er als fließender Stoff gedeutet werden, der auf die textile Vergangenheit Warendorfs hinweist?

Und die Waffe, die Hellebarde auf der Spitze? Droht sie vielleicht den einfallenden Sassenbergern und sagt ihnen, dass sie eine wehrhafte Stadt betreten  und die Zeit vorbei ist, in der Sassenberg die fürstbischöfliche Aufsicht über Warendorf hatte?  Auch Fehlinterpretationen haben ihren Reiz…

Wolfgang Budde ließ die Stele in der Werkstatt des Freckenhorsters Künstlers Josef Recker, der sie auch entworfen hatte, anfertigen. Das darf man wohl als vorbildliche Kollegialität bezeichnen!

 

Nach einer Idee Wolfgang Buddes wurde ein Poller an der Emsbrücke gearbeitet, der an die 800jährige Stadtgeschichte erinnert. Wie einen Baumstamm hat er den glatten Basalt schräg angeschnitten und statt der Jahresringe erscheint die Zahl, deren Ziffern in Bewegung zu sein scheinen, um die nächsten Jahre anzukündigen. Tempus fugit - Die Zeit fliegt dahin - und in Sichtweite auf dem Kirchturm ist zu lesen: Nutz die Zeit.

Die hat Wolfgang Budde wahrlich genutzt. Vor zwei Monaten wurde das 50jährige Firmenjubiläum gefeiert. „Größtes Angebot von Grabmalen in Deutschland“, so seine Eigenwerbung und wenn man durch das Ausstellungsgelände geht, glaubt man ihm das auch. Geschäftliche Erfolge und Mäzenatentum hängen zusammen, und man kann das eine nicht loben ohne das andere zu erwähnen. Ohne die wirtschaftliche Leistung wäre die kulturelle nicht möglich gewesen. Eine hervorzuhebende soziale Leistung soll dabei nicht unerwähnt bleiben: von den 20 Mitarbeitern sind fünf seit über 20 Jahren im Betrieb – auch das kann Wolfgang Budde als Verdienst angerechnet werden!!

 

Heimat ist ein schwer zu fassender Begriff, die Fragen: Wo ist Heimat? Was macht Heimat aus?  sind schwer zu beantworten. Friedhöfe aber, das lässt sich mit Bestimmtheit sagen, haben einen wichtigen Platz in unserem Heimatgefühl. Von Friedhofskultur sprechen wir und wir ehren heute einen Bürger, dem diese Kultur am Herzen liegt. Der Friedhof unserer Stadt, das, was auf den Gräbern daran erinnert, was für uns vielleicht das Wichtigste war, trägt seine Handschrift. Auch dafür dankt der Heimatverein.

Bleibt die Frage:

Warum hat Wolfgang Budde unsere Stadt mit 13 Skulpturen aufgewertet, ohne damit kommerzielle Ziele zu verfolgen? An keinem Objekt findet sich ein Firmenlogo oder ein Hinweis auf den Spender. Er selbst gibt die Antwort im Begleitheft zu den Objekten:
„Als Nachkomme einer über dreihundert Jahre alten Warendorfer Handwerksfamilie bin ich meiner Heimatstadt sehr verbunden.“

In keiner Skulptur kommt diese Haltung deutlicher zum Ausdruck als in der Schweine-Stele, von ihm entworfen und ausgeführt und mit einem Spruch versehen, der westfälisches Sehnen im Stein verewigt hat:
„Koffs en Swien, Hass kiene Naut

Bi Schinken, Speck un Wuorstebraut.“

Und mancher Warendorfer bestätigt dies, indem er liebevoll seine Hand über den Kopf des so wertvollen Tieres gleiten lässt.

Steine, die eine Kulturlandschaft geschaffen haben, sind auch Bausteine unseres Heimatgefühls. Wolfgang Budde, wir danken Ihnen für die Spur der Steine, die Sie uns hinterlassen haben.

 

Weiterführende Links zum Thema

Der Heimatverein Warendorf verleiht die „Wilhelm-Zuhorn-Plakette“ an den Bildhauer Wolfgang Budde und Pfarrer em. Walter Suwelack

1.    Begrüßung, Einführung und Verleihung

2.   Laudatio Norbert Funken für Wolfgang Budde

3.   Laudation Hermann Flothkötter für Walter Suwelack

 

 

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